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LG Osnabrück: Behördlich angeordnete Betriebsschließungen aufgrund von Corona haben keinen Mangel der vermieteten Räumlichkeiten zur Folge (Foto: Marc Bode / stock.adobe.com)
Gewerberaummiete und Corona

LG Osnabrück zur Gewerberaummiete bei Geschäftsschließung aufgrund von Corona

ESV-Redaktion Recht
26.11.2021
Darf der Mieter von Gewerberäumen seine Mietzahlungen einstellen, wenn die gemieteten Räume wegen einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung aufgrund von Corona nur eingeschränkt genutzt werden können? Hierzu hat sich das LG Osnabrück in bemerkenswerter Weise geäußert.
In dem Streitfall zahlte die Beklagte, die über mehrere hundert Warenhäuser verfügt, für ein Geschäftslokal im nördlichen Emsland die April-Miete für 2020 nicht. Zudem kündigte die Beklagte vor dem gerichtlichen Verfahren ihren Vermietern in einem gleichlautenden Schreiben an, dass sie die Mietzahlungen einstellen werde. Darüber hinaus erwarte sie, dass für die offizielle Dauer der Corona-Pandemie eine Reduzierung der Miete erfolge, die dem „Rückgang des Verkehrs" entspreche, führte sie in dem Schreiben weiter aus. Abschließend verlangte sie von den Vermietern auch für den Zeitraum nach der Pandemie weitere Mietanpassungen und andere relevante Unterstützungen.

Beklagte: Zugänglichkeit eines Geschäfts für Publikum ist Grundbedingung einer gewerblichen Vermietung im Einzelhandel

Nach dem weiteren Vorbringen der Beklagten in dem Gerichtsverfahren ist die Zugänglichkeit eines Geschäfts für das Publikum die Grundbedingung einer gewerblichen Vermietung im Einzelhandel. Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Schließungsanordnung wäre die Tauglichkeit der Mietsache zur vertraglichen Nutzung aber aufgehoben. Auf jeden Fall, so die Beklagte weiter, liege eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, die die Pflicht zur Mietzahlung vollständig aufhebt.
 

Klägerin: Beklagte trägt Verwendungsrisiko für gemietete Geschäftsräume 

Demgegenüber liegt nach Meinung der Klägerin weder ein Sachmangel der Mietsache noch eine Störung der Geschäftsgrundlage vor. So könne die Beklagte die Räume nach wie vor frei nutzen. Beispielsweise wäre der Vertrieb von Waren noch auf andere Weisen möglich und darüber hinaus trage die Beklagte das Verwendungsrisiko der vertragsgegenständlichen Räumlichkeiten.
 
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LG Osnabrück: Verhalten der Beklagten entspricht nicht den Grundsätzen ehrbarer Kaufleute

Die 5. Kammer für Handelssachen des LG Osnabrück folgte den Argumenten der Vermieterin. Dabei stellte die Kammer zunächst fest, dass die Parteien keine gesonderte Vereinbarung zu Besucher- und Kundenfrequenz geschlossen hatten. Der Kammer zu Folge liegt daher das gesamte Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko bei der Mieterin. Die weiteren Erwägungen der Kammer: 
 
  • Kein Mietmangel: Die behördlich angeordneten Beschränkungen begründen keinen Mangel der vermieteten Räumlichkeiten, denn die Gründe für die Beschränkungen beruhen weder auf dem baulichen Zustand noch auf der Lage der Mietsache.
  • Keine Störung der Geschäftsgrundlage: Auch eine Störung der Geschäftsgrundlage sah die Kammer nicht. Zwar wäre die Corona-Pandemie nicht vorhersehbar gewesen. Allerdings seien deren Auswirkungen auf den Einzelhandel weder der Risikosphäre der Klägerin noch der Sphäre der Beklagten zuzuordnen, so die Kammer hierzu.
  • Keine solidarische Aufteilung der coronabedingten Nachteile im Streitfall: Wegen der Unwägbarkeiten haben die Richter aus Osnabrück auch überlegt, ob beide Vertragsparteien die Nachteile der Pandemie solidarisch zu tragen hätten. Dann aber müsste das Festhalten am Vertrag für die Beklagte unzumutbar sein. Für eine solche Feststellung sind dann die konkreten Auswirkungen für beide Vertragsparteien mit in die Wertung einzubeziehen. Insoweit reichten der Kammer die von der Beklagten vorgetragenen Gründe aber nicht aus, um ein Festhalten am Vertrag als unzumutbar anzusehen. Einerseits waren nämlich nicht sämtliche Mitarbeiter in Kurzarbeit. Zudem hätte auch die Beklagte die Möglichkeit des Online-Handels gehabt.
  • Verhalten der Beklagten widerspricht Grundsätzen eines ehrbaren Kaufmanns: Bemerkenswert ist diese letzte Erwägung der Kammer, nach der die Beklagte nicht wie ein „ehrbarer Kaufmann“ gehandelt hat. Der Kern des Vorwurfs: Anstatt nach einer konstruktiven Lösung zu suchen, hatte die Beklagte in ihren Mitteilungen an die Vermieter über die Zahlungseinstellungen eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie die Risiken einseitig auf die Vermieterseite abwälzen wollte – also auch auf die Klägerin. Dies entspricht nach Meinung der Kammer nicht mehr den Grundsätzen eines ehrbaren Kaufmanns. Deshalb könne die Beklagte nicht erwarten, dass sie ihre Mietzahlungen im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung reduzieren kann, so die Osnabrücker Richter abschließend.


Ausblick

Die Instanzgerichte sind sich also weiter nicht einig. Allerdings verhandelt der XII. Zivilsenat des BGH am 01.12.2021 einen ähnlich gelagerten Fall. In diesem hatte das Ausgangsgericht die beklagte Mieterin zur Zahlung der April-Miete für 2020 in Höhe von 7.854,00 Euro verurteilt. Das OLG Dresden sah dies anders. Demnach lag als Folge einer staatlichen Schließungsanordnung von Corona eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, so dass der Mietvertrag anzupassen war. Die Berufungsinstanz reduzierte die Kaltmiete um auf die Hälfte – und zwar für die Dauer der Schließung. Ob der BGH als Revisionsinstanz am 01.12.2021 auch schon eine Entscheidung verkünden wird, ist unwahrscheinlich aber auch nicht ausgeschlossen. 

Quelle: PM des LG Osnabrück vom 12.11.2021 zum Urteil vom 27.10.2021 – 18 O 184/21



Dr. Rainer Burbulla

Aktuelles Gewerberaummietrecht

Das Gewerberaummietrecht ist stark von der Rechtsprechung geprägt und hat sich aus diesem Grunde zu einer Spezialmaterie entwickelt. Für Praktiker ist es daher eine Herausforderung, sich schnell in die komplexe Materie des Gewerberaummietrechts einzuarbeiten.

Entsprechend ihrer praktischen Bedeutung behandelt dieses Werk die aktuellen Rechtsprechungsentwicklungen und gibt Hinweise zur Vertragsgestaltung. Die weiteren Schwerpunkte der Darstellung:

  • Schriftform des Mietvertrages
  • Allgemeine Geschäftsbedingungen
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  • Miete und Miethöhe
  • Laufzeit des Mietvertrages
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(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht