LSG Baden-Württemberg lehnt Versorgung mit Cannabisblüten zur Behandlung von ADHS ab
Kläger: Behandlung mit Cannabis aus nervenärztlicher Sicht erforderlich
Krankenkasse des Klägers: Cannabis eignet sich nicht zur Behandlung von ADHS
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LSG Baden-Württemberg: ADHS ist keine „schwerwiegende“ Krankheit
- Keine schwerwiegende Krankheit: Beim Kläger liegt schon keine schwerwiegende Erkrankung vor. Dieser Begriff erfasst nur Krankheiten, die sich aufgrund ihres Schweregrades vom Durchschnitt der Erkrankungen abheben. Diese müssten also entweder lebensbedrohlich sein oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen sah der Senat nicht als gegeben an. Der behandelnde Psychiater hatte das Auftreten des Klägers als adäquat, ruhig und reflektiert bewertet – und zwar ohne nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensqualität.
- Alternativen möglich: Darüber hinaus gibt es dem Senat zufolge allgemein anerkannte alternative Möglichkeiten zur Behandlung von ADHS und Depressionen, die dem medizinischen Standard entsprechen. Hierzu zählen etwa Psychopharmaka und Psychotherapien. Auch die behandelnden Fachärzte des Klägers hätten nicht vorgetragen, dass es keine Alternativen geben würde.
- Tablettenphobie ungeklärt: Ob der Kläger unter einer Tablettenphobie leidet, wurde nach Senatsauffassung offenbar nicht fachärztlich überprüft. Darüber hinaus ist die Frage offen, ob die psychischen Probleme des Klägers im Zusammenhang mit der Tabletteneinnahme über Psycho- oder Verhaltenstherapien behandelbar wären.
- Frage der Sucht ebenso offen: Ebenso wenig ist der behandelnde Arzt der Frage nachgegangen, ob beim Kläger nach mehr als 20 Jahren Cannabiskonsum eine Sucht vorliegen könnte, die eine Behandlung mit Cannabis ausschließen würde. Die erforderliche „begründete Einschätzung“ des behandelnden Arztes liege somit nicht vor.
Quelle: PM des LSG Baden-Württemberg vom 12.04.2022 zum Urteil vom 22.03.2022 – L 11 KR 3804/21
Im Wortlaut: § 31 Absatz 6 SGB V – Arznei- und Verbandmittel, Verordnungsermächtigung (Auszug) |
(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn 1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung a) nicht zur Verfügung steht oder b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann, 2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. |
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