Ludwig XIV.: Meister der monarchischen Selbstdarstellung
Bis heute Referenzpunkt
Das war durchaus kontrovers. Im Internetjournal Atlantico erschien damals ein Artikel des liberalen Autors Daniel Tourre, der Montebourg vorhielt, dass Colbert genau für jenen Dirigismus und für jene willkürliche Privilegierung einzelner Wirtschaftszweige und individueller Produzenten verantwortlich gewesen sei, die auch im 21. Jahrhundert noch Frankreich daran hindere, seine wirtschaftliche Kraft vollständig zu entfalten. Ob nun Daniel Tourre mit dieser Kritik recht hat, das steht hier nicht zur Diskussion. Bezeichnend ist aber, dass auch noch rund 300 Jahre nach seinem Tod die Politik Ludwigs zu einem Referenzpunkt in aktuellen Debatten werden kann. Es ist schwer vorstellbar, dass man in Deutschland in ähnlicher Weise auf Friedrich den Großen Bezug nehmen würde, und selbst in England würde Elisabeth I. zumindest auf der offiziellen politischen Ebene kaum herangezogen werden, um politische Entscheidungen von größerer Tragweite zu begründen.Frankreich wurde dauerhaft geprägt
Ludwig XIV. hingegen hat durch seinen Regierungsstil trotz der Revolution, die die Monarchie der Bourbonen zertrümmerte, sein Land bis heute dauerhaft geprägt, nicht zuletzt was den ansatzweise immer noch monarchischen Stil der Selbstdarstellung des Staatschefs betrifft. Das gilt, obwohl der Sonnenkönig schon zu Lebzeiten zahlreiche Kritiker auch in Frankreich selbst besaß; es genügt hier die Namen von Fénelon und Saint-Simon oder auch von Vauban – in seinen späten Lebensjahren – zu nennen. Entscheidend für die postume Reputation Ludwigs XIV. war nicht zuletzt, dass Frankreich nach 1660, also während seiner Regierungszeit, wirklich zur stärksten Macht auf dem europäischen Kontinent wurde, und kulturell auch über die Regierungszeit des Sonnenkönigs hinaus bis weit ins späte 18. Jahrhundert hinein eine nahezu hegemoniale Stellung in Europa behaupten konnte; nur England entzog sich weitgehend dieser kulturellen Hegemonie Frankreichs. […]Ambivalentes Erbe
Das Erbe, das Ludwig XIV. seinem Nachfolger hinterließ, war […] ein recht ambivalentes. Nicht zu bezweifeln ist aber, dass er Zeit seines Lebens ein Meister der Selbstdarstellung war, und das war im Zeitalter des Barock, in dem die große theatralische Inszenierung von Macht wichtiger denn je war, von zentraler Bedeutung. Dass Monarchen von Künstlern und Dichtern heroisiert wurden, war nichts Ungewöhnliches, aber die Intensität, die dieser Herrscherkult unter Ludwig XIV. annahm, setzte doch neue Maßstäbe, zumal in der höfischen Kunst weder die Vorfahren des Monarchen noch das Königtum als eine vom König zu unterscheidende Institution eine sonderliche Rolle spielten.Oder wie Gérard Sabatier es formuliert hat: „Toute gémellité des deux corps a disparu. Tout l’État, toute la monarchie, tous les principes d’autorité, d’ordre, de souveraineté, d’unicité, sont contenus dans ce corps de ce roi.” Bei Ludwig XIV., für den der eigene Ruhm ein ganz zentrales Anliegen seines gesamten politischen Handelns war, ging die Idee des Königtums in seiner eigenen Person auf, und auch ein expliziter Verweis auf die Geschichte der Dynastie, die freilich vor 1589 nur eine Nebenlinie des Königshauses gewesen war, unterblieb in der Regel, wenn man von der Person Ludwigs des Heiligen absieht.
(ESV/ Ronald G. Asch)
Ludwig XIV. – Vorbild und Feindbild / Louis XIV – fascination et répulsionHerausgegeben von: PD Dr. Isabelle Deflers, Dr. Christian KühnerAm 1. September 2015 jährte sich zum 300. Mal der Tod Ludwigs XIV. (1638–1715). Mit keinem anderen Monarchen verbinden sich ähnlich viele Debatten. Kaum ein Fürst wurde zu Lebzeiten zumindest im eigenen Land so verherrlicht wie Ludwig XIV. Als „neuer Alexander“ oder als „Sieger über die Häresie“ stand er im Mittelpunkt der Werke der Hofkultur in ganz Europa. Der ludovizianische Herrscherkult steht in einer längeren Tradition, erzeugte aber zugleich Kritik. Im vorliegenden Band wird der Modellcharakter des Sonnenkönigs näher untersucht und der Blick auf die Rezeption seiner Heroisierungsstrategien ausgeweitet. Die Beiträge haben sich zum Ziel gesetzt, zu fragen, inwieweit Ludwig XIV. als Modell galt und für wen unter den Zeitgenossen bewundertes Vorbild oder eher bekämpftes Feindbild war. |
(ESV/lp)
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