
Nachhaltige Finanzierungsformen brauchen verlässliche Standards
Um nachhaltige Finanzierungsformen zu fördern, braucht es allgemein verlässliche Standards und mehr Transparenz. Die Ausweitung der nichtfinanziellen Berichterstattungspflichten um Nachhaltigkeitsaspekte gilt für den EU-Raum als wichtiger Schritt in diese Richtung. Prof. Dr. Verena Verhofen, Hochschullehrerin für International Accounting an der International School of Management (ISM) erläutert, für welche Unternehmen derzeit eine nichtfinanzielle Berichterstattungspflicht besteht und welche Veränderungen zu erwarten sind.
Zur Person |
Prof. Dr. Verena Verhofen ist Professorin für International Accounting und arbeitet an der International School of Management (ISM) in Frankfurt am Main. |
Wachsende Nachfrage nach Green Finance Instrumenten
Um Investitionen in nachhaltige Technologien und Geschäftsmodelle tätigen zu können, ist in der Regel die Aufnahme von Fremdkapital notwendig. Dieses kann neben klassischen Finanzierungsprodukten über unterschiedliche Green-Finance-Instrumente beschafft werden, beispielsweise Grüne Anleihen, Grüne Schuldscheine oder ESG-linked Loans. Die Nachfrage nach diesen Finanzierungsformen wächst derzeit insbesondere bei kapitalmarktorientierten Unternehmen rasant. Vor dem Hintergrund der sich verändernden nichtfinanziellen Berichterstattungspflichten für Unternehmen mit Sitz in der EU ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend verstärken wird.
Nichtfinanzielle Berichterstattungspflichten für deutsche Unternehmen
Seit Inkrafttreten des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes (CSR steht für Corporate, Social, Responsibility) müssen kapitalmarktorientierte Gesellschaften für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2016 beginnen, zu nichtfinanziellen Themen wie Umwelt, Mitarbeiter, Soziales, Menschenrechte sowie Korruption und Bestechung berichten, wenn diese Gesellschaften am Bilanzstichtag mindestens zwei der nachfolgenden Merkmale erfüllen:
- 500 beschäftigte Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt
- Bilanzsumme höher als 20 Millionen Euro
- Umsatz höher als 40 Millionen Euro
Entscheidende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der EU-Taxonomie-Verordnung zu. Bei der EU-Taxonomie-VO geht es darum, die Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten mittels objektiver Kriterien zu bewerten. Anhand von sechs Klimazielen wird definiert, welche Tätigkeiten im Sinne der Verordnung als nachhaltig angesehen werden können. Auch menschenrechtliche Mindestanforderungen müssen stets gewährleistet sein. Die in der Verordnung festgehaltenen sechs nachhaltigen Ziele sind:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling
- Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung
- Schutz gesunder Ökosysteme und Biodiversität
Für Geschäftsjahre ab 2021 unterliegen Unternehmen, die zu einer nichtfinanziellen Berichterstattung derzeit verpflichtet sind, nach der EU-Taxonomie-VO einer „erleichterten Berichtspflicht“. Sie beschränkt sich zunächst auf den taxonomiefähigen Anteil der Geschäftsaktivitäten in Bezug auf die beiden EU-Taxonomie-Ziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“. Für Geschäftsjahre ab 2022 tritt für diese Unternehmen eine vollumfängliche Berichtspflicht in Kraft, die alle sechs Ziele einschließt. Zu berichten ist dann der Anteil der Geschäftsaktivitäten, die taxonomiekonform sind. Laut der EU-Taxonomie gilt eine Wirtschaftsaktivität dann als taxonomiekonform, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der insgesamt sechs Umweltziele leistet, ohne den anderen Zielen und den sozialen Mindeststandards zuwiderzulaufen.
Die Ausweitung der CSR-Berichtspflicht ist bereits geplant
Auch mittelständische Unternehmen sollten sich mit dem Thema EU-Taxonomie-VO und CSR-Berichtspflicht vertraut machen. Denn ein CSR-Richtlinien-Entwurf der EU-Kommission sieht vor, die CSR-Berichtspflicht von derzeit rund 10.600 auf knapp 49.000 Unternehmen auszuweiten. Künftig sollen demzufolge auch große nicht börsennotierte Kapitalgesellschaften und börsennotierte kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) einer nichtfinanziellen Berichterstattungspflicht unterliegen. Die Grenze von 500 Beschäftigten im Jahresdurchschnitt soll entsprechend dem Richtlinienentwurf auf 250 herabgesetzt werden. Zudem ist vorgesehen, dass Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte extern prüfen lassen müssen. Für nicht-börsennotierte KMU schlägt die EU-Kommission die Entwicklung freiwilliger Standards vor.
Green Finance als Chance für Unternehmen
Mittelständische Unternehmen sollten sich insbesondere darüber Gedanken machen, wie man nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten im Sinne der EU-Taxonomie-VO auf bestehende oder zukünftige Geschäftsmodelle übertragen kann. Wer sich ernsthaft und ganzheitlich nachhaltig unternehmerisch aufstellt und nichtfinanzielle Informationen liefern kann, kann womöglich bessere Konditionen bei der Kreditvergabe herausholen, wenn nicht bereits geschehen. Es ist gut möglich, dass Kreditinstitute zukünftig vermehrt auch Taxonomie relevante Daten bei der Prüfung von Kreditrisiken miteinbeziehen werden. Nachhaltige Finanzierungsformen stellen somit längst kein Nischenthema mehr dar, sondern sind dabei, sich zu einem wichtigen Nachhaltigkeitstreiber zu entwickeln.
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Grundzüge des KlimaschutzrechtsAutor: Prof. Dr. jur. Walter FrenzKlimaschutz geht weiter
Europäische Ebene
Nationale Ebene
Wegen ihres konkreten Einflusses auf den Klimaschutz und ihren nachhaltigen Auswirkungen auf Gesellschaft und Recht finden zwei weitere Topthemen mit globaler Tragweite besondere Beachtung: die Digitalisierung und die Corona-Krise.
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Programmbereich: Management und Wirtschaft