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Der Europäische Gerichtshof nimmt Facebook bei Hass-Posts in die Pflicht (Foto: Gerichtshof der Europäischen Union, Blitz Agency 2015 und Allebazib)
Rechtsprechungsübersicht 36/2019

Neues aus Luxemburg, Hamm, Braunschweig, Stuttgart und Koblenz

ESV-Redaktion Recht
09.10.2019
Der EuGH hat entschieden, wann Facebook rechtswidrige Posts entfernen muss. Ob ein sogenannter Suger-Daddy ein Arbeitszeugnis erteilen und Urlaubsabgeltung zahlen muss, entschied das LAG Hamm. Weitere Entscheidungen befassen sich mit dem VW-Abgasskandal sowie mit einem Unfall in einer Waschstraße.

EuGH: Wann Facebook nach rechtswidrigen Posts suchen und diese entfernen muss

Nach einer aktuellen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) kann eine Social-Media-Plattform dazu verpflichtet werden, Kommentare, die wortgetreu oder sinngleich mit einem rechtswidrigen Kommentar sind, zu entfernen, und zwar weltweit. Eine derartige nationale Verpflichtung steht dem Unionsrecht nicht entgegen.

In dem Streitfall hatte die österreichische Abgeordnete der Grünen, Eva Glawischnig-Piesczek, Facebook Irland in Österreich verklagt. Dabei ging es um den beleidigenden Kommentar eines Facebook-Nutzers. Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts war dieser dazu geeignet, die Klägerin ihrer Ehre zu beleidigen, sie zu beschimpfen und zu diffamieren. Daraufhin begrenzte der Internetkonzern die Sperrung der Posts auf die konkret beanstandeten Äußerungen und auch nur auf Österreich.

Dies reichte dem EuGH nicht aus. Den Luxemburger Richtern zufolge hat der Social-Media-Anbieter zwar keine allgemeine Plicht, bei ihm gespeicherte Informationen von sich aus aktiv zu überwachen oder nach Umständen zu suchen, die auf rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Social- Media-Anbietern dürfe aber aufgegeben werden, auch Äußerungen, die sinngleich mit Kommentaren sind, die schon für rechtswidrig erklärt wurden, zu suchen und weltweit zu sperren. Voraussetzung ist, dass die Aussage der sinngleichen Posts im Vergleich zum Inhalt der ursprünglichen Äußerung im Wesentlichen unverändert bleibt und die Einzelheiten umfasst, die in der gerichtlichen Verfügung genau bezeichnet sind.

Quelle: PM des EuGH vom 3.10.2019 zum Urteil vom selben Tag – C-18/18

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LAG Hamm: Sogenannter Sugar-Daddy muss Arbeitszeugnis erteilen und Urlaubsabgeltung zahlen

Dies ergibt sich aus einem vor kurzem veröffentlichten Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm. Als Sugar-Daddy werden Männer bezeichnet, die eine längerfristige sexuell geprägte Beziehung zu deutlich jüngeren Partnerinnen unterhalten und hierfür eine materielle Gegenleistung entrichten. In dem Streitfall vereinbarten die Parteien, dass die 35-jährige Klägerin – die ALG-2-Leistungen bezieht und Mutter dreier Kinder ist – den Beklagten zweimal wöchentlich zu Hause aufsuchen sollte, um einvernehmlich Sex zu haben. Darüber hinaus sollte die Klägerin den Beklagten sporadisch etwa zwei- bis dreimal im Jahr zu Kurzurlauben und zu gemeinsamen Abendessen mit Freunden begleiten. Anschließend schlossen die Parteien einen Teilzeit-Arbeitsvertrag. Nach diesem wurde die Klägerin als Hauswirtschafterin für Aufgaben wie Kochen, Einkaufen, Putzen, Wäschewaschen und für sonstige haushaltsübliche Verrichtungen eingestellt. Hierfür erhielt sie monatlich 460 Euro Brutto und hatte einen Urlaubsanspruch von 25 Tagen im Jahr. Zudem behauptete der Beklagte, dass er zusätzlich 20.000 Euro „investiert“ hätte – unter anderem für einen Mietzuschuss, für Kurzreisen und für weitere Zahlungen an die Frau. Er habe ihr auch seinen BMW X1 überlassen und für sie Verwarnungs- und Bußgelder von etwa 1.300 Euro bezahlt. Ende Januar 2018 habe ihm die Klägerin mitgeteilt, dass sie keine sexuelle Beziehung wolle. Daraufhin kündigte er das Arbeitsverhältnis zu Ende Februar 2018 und stellte die Klägerin frei. Diese verlangte von dem Beklagten dann vor dem Arbeitsgericht Bochum erfolgreich die Zahlung von 460 Euro Arbeitslohn für Februar 2018, eine Urlaubsabgeltung von 320 Euro und ein qualifiziertes Zeugnis.

Die Berufungsinstanz, das Landesarbeitsgericht (LAG Hamm), gab der Frau nur zum Teil Recht. So sah das LAG keinen Anspruch auf Zahlung des Entgelts für den Monat Februar. Dem Gericht zufolge ist der Arbeitsvertrag „Hauswirtschaftliche Leistungen“ als Scheingeschäft nichtig. Wirksam ist danach zwar das hierdurch verdeckte Geschäft – sexuelle Dienstleistungen gegen Geld. Dennoch sahen die Richter aus Hamm keine Pflicht zur Erbringung sexueller Dienstleistungen. Sollte das hauswirtschaftliche Arbeitsverhältnis entgegen der Auffassung des LAG dennoch wirksam sein, fehle es an der Leistungsbereitschaft der Frau. Die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung von 320 Euro haben die Richter aus Hamm aber bejaht. Demzufolge kann auch Prostitution in Form eines Arbeitsvertrags ausgeübt werden. Ebenso sah das LAG einen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses und leitete diesen aus der Gewerbeordnung ab.

Quelle: Urteil des LAG Hamm vom 6.6.2019 – 17 Sa 46/19

Ihr update zum Arbeitsrecht

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  • Das neue Mutterschutzgesetz – Rechtsanwalt Prof. Dr. Bernd Schiefer und Rechtsanwältin Esther Baumann
  • Die Rechtsprechung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Vergütung von Umkleide-, Wege- und Reisezeiten – Dr. Annette Volk
  • Kein „Alles oder nichts“ – Aktuelle Rechtsprechung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Haftung im Arbeitsverhältnis – Dr. Sebastian Roloff
  • Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts im Jahr 2018 – Prof. Dr. Stefan Greiner

Trend im Abgasskandal: Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch VW?

Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hält die Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) und des ADAC im Abgasskandal gegen VW für zulässig. Zudem erwägen die Braunschweiger OLG-Richter nun doch ernsthaft, dass der Fahrzeughersteller die Käufer durch die manipulierte Abgasvorrichtung im Abgasskandal vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt haben könnte. Zuvor hatte das Gericht noch zahlreiche Klagen von Käufern abgewiesen, die unmittelbar den Fahrzeughersteller in die Haftung nehmen wollten. 

Wie einigen Medienberichten weiter zu entnehmen ist, kam kurz vor dem Termin im Musterfeststellungsverfahren auch das Oberlandesgericht Stuttgart zu dem Ergebnis, dass VW aus § 826 BGB haftet. Danach spricht es gegen jede Lebenswahrscheinlichkeit, dass der Vorstand von den Manipulationen nichts wusste. Allerdings äußerten sich die Stuttgarter Richter – wie auch ihre Braunschweiger Kollegen in dem Musterfeststellungsverfahren – zur Anrechnung einer Nutzungsentschädigung. Zwar stünde der Klägerin dem Grunde nach ein Schadensersatz zu. Dennoch könnten die Kläger nicht zusätzlich die Vorteile der Nutzung des Fahrzeugs in Anspruch nehmen. Dies, so das OLG Stuttgart weiter, wäre trotz des Verhaltens von VW nicht unbillig. Der Schadensausgleich hätte nämlich nicht die Aufgabe, das Verhalten des Schädigers zu sanktionieren.

Zuletzt waren mehrere Obergerichte der Meinung, dass VW die Käufer im Sinne von § 826 BGB vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe: So zum Beispiel das OLG Köln in seinen Beschlüssen vom 3.1.2019 und vom 29.11.2018 (18 U 70/18), das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 18.07.2019 (17 U 160/19) oder das OLG Koblenz mit Urteil vom 12.6.2019 (5 U 1318/18). Auch das OLG Hamm ging von einer Täuschung durch VW aus. Und dies, obwohl die Medien zum Zeitpunkt des Kaufs schon über den Abgasskandal berichtet hatten (Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18).  Insoweit waren das OLG Dresden und das OLG Naumburg wiederum anderer Meinung und wiesen die Käuferklagen ab. Beide Gerichte unterstellten den jeweiligen Käufern Kenntnis von dem Abgasskandal, so dass diese nicht mehr getäuscht werden konnten (so das OLG Dresden mit Urteil vom 25.6.2019 – 9 U 2067/18 und das OLG Naumburg mit Urteil vom 24.7.2019 – 5 U 37/1).

Weitere Quellen:
  • Online-Ausgabe des Focus vom 4.10.2019 zum Beschluss des OLG Stuttgart im Verfahren 10 U 11/19
  • PM des Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) vom 30.9.2019

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  • Straf- und Zivilprozessrecht und Verkehrsverwaltungsrecht
  • Kraftverkehrsversicherungsrecht
  • GüterkraftverkehrsrechtSpeditions- und Frachtrecht
  • Eisenbahnrecht
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OLG Rheinland-Pfalz: Keine Betriebsgefahr bei Unfall in Waschstraße

Von einem Fahrzeug, das mit ausgeschaltetem Motor auf dem Förderband durch eine Waschstraße gezogen wird, geht keine Betriebsgefahr im Sinne der Halterhaftung aus. Dies hat das Oberlandesgericht Rheinland-Pfalz (OLG) kürzlich entschieden.

In dem Streitfall befand sich das Fahrzeug des Klägers auf dem Förderband einer automatischen Waschstraße hinter dem Fahrzeug der Beklagten. Diese saß selbst am Steuer. Beide Autos wurden bei ausgeschaltetem Motor durch Rollen gezogen. Kurz vor dem Ende der Waschstraße zog eine der Rollen unter dem Hinterrad des Fahrzeugs der Beklagten durch. Daraufhin wurde dieses gestoppt, was den Kläger zum Bremsen veranlasste. Dieser befand sich zu diesem Zeitpunkt unter der Gebläsetrocknung. Durch das Abbremsen wollte der Kläger eine Kollision verhindern, mit der Folge, dass die Gebläsetrocknung der Waschstraße auf das Heck seines Fahrzeugs drückte und dieses beschädigt wurde. Die Reparaturkosten in Höhe von rund 4.500 Euro netto machte er als Schaden gegen die Klägerin aus dem Gesichtspunkt der Halterhaftung geltend.

Zu Unrecht, wie der 12. Zivilsenat des OLG Rheinland-Pfalz meint. Nach Auffassung des Senats sind die besonderen Gefahren, die aus dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs resultieren, ohne Relevanz. Das Fahrzeug sei nämlich vollständig in die automatischen Transportvorgänge der Waschstraße eingebunden gewesen. Zudem, so die Koblenzer Richter weiter, sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Störung der Anlage selbst verschuldet hätte, etwa durch ein Abbremsen ihres Autos. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: PM des OLG Rheinland-Pfalz vom 7.10.2019 zu seinen Beschlüssen vom 3.7.2019 und vom 5.08.2019 – 12 U 57/19

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(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht