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Niedersächsisches Finanzgericht bezweifelt Verfassungsmäßigkeit der Abgeltungssteuer (Photo: Anthony Leopold/Adobe Stock)
Einkommensteuer

Niedersächsisches Finanzgericht: Abgeltungsteuer verfassungswidrig

ESV-Redaktion Steuern
08.04.2022
Das Niedersächsische Finanzgericht hält die Regelungen zur Abgeltungsteuer für nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Der 7. Senat des Niedersächsischen FG hat Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelungen der Abgeltungsteuer in § 32d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43 Abs. 5 EStG mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und hat die Rechtsfrage dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt (FG Niedersachsen, Beschluss v. 18.3.2022 - 7 K 120/21).

Seit 2009 werden Einkünfte aus Kapitalvermögen mit einem Einkommensteuersatz von 25 % mit abgeltender Wirkung versteuert

Die Regelungen zur sog. Abgeltungsteuer sehen vor, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen, also z.B. Zinsen, Dividenden und realisierte Kursgewinne, bereits vom Gläubiger der Einnahmen, also von den Banken, als „Kapitalertragsteuer“ unmittelbar an der Quelle einbehalten und von dort direkt an das Finanzamt abgeführt werden. Der Einkommensteuersatz beträgt 25 % zuzüglich ggfs. Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer.

Abgeltungsteuer ist keine Einkommensteuervorauszahlung

Der Quellensteuerabzug bedeutet für die Steuerpflichtigen, dass die Einkommensteuerschuld mit dem Abzug der Kapitalertragsteuer grundsätzlich abgegolten ist. Es handelt sich – anders als früher – gerade um keine bloße Vorauszahlung auf die persönliche Einkommensteuer, die später verrechnet wird. Vielmehr müssen die Steuerpflichtigen die betroffenen Kapitaleinkünfte nicht mehr in der Steuererklärung angeben; selbst dann nicht, wenn der persönliche Einkommensteuersatz über 25 % liegt.

Günstigerprüfung bei persönlichem Einkommensteuersatz unter 25 %

Liegt der persönliche Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen unter 25 %, besteht jedoch die Möglichkeit für den Steuerpflichtigen, die zu viel gezahlte Abgeltungsteuer vom Finanzamt zurückzufordern. Nur in diesem Fall müssen die Kapitalerträge in der Steuererklärung beim Finanzamt angegeben werden, welches dann eine Günstigerprüfung vornimmt und ggfs. Einkommensteuer zurückerstattet.

Vollzugsdefizit bei ausländischen Einkünften

Hintergrund der Regelung war die Überlegung, Deutschland als Finanzplatz attraktiver zu machen und Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Dabei war von wesentlicher Bedeutung, dass die Möglichkeiten des Staates, die Besteuerung von Kapitaleinkünften, die in Deutschland Steuerpflichtige im Ausland erzielten, vorzunehmen, nur sehr eingeschränkt vorhanden waren (Vollzugsdefizit). Durch die Abgeltungsteuer sollte ein Anreiz für die Anleger gegeben werden, ihr Geld in Deutschland anzulegen und zu versteuern. Auch versprach man sich von der Regelung eine generelle Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für die Steuerpflichtigen.

FG Niedersachsen bezweifelt Verfassungsmäßigkeit der Abgeltungssteuer

In dem Ausgangsverfahren erkennt das FG zwar an, dass die Abgeltungssteuer auf gesetzlicher Grundlage zutreffend festgesetzt wurde. Es geht jedoch davon aus, dass die entsprechenden Normen gegen die Vorgabe der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten, somit die gegen die gleichmäßige Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit, verstoßen und damit verfassungswidrig sind. Während die Belastung bei der Abgeltungsteuer für Kapitaleinkünfte bei 25 % liegt, werden andere Einkunftsarten mit bis zu 45 % besteuert. Die für die gesetzliche Regelung vorgebrachten Rechtfertigungsgründe erachtet das FG für nicht ausreichend. Daher sei die Abgeltungsteuer weder geeignet, das Vollzugsdefizit zu beseitigen, noch sei die Regelung erforderlich, da mittlerweile die Möglichkeiten der Finanzverwaltung zur Erforschung von Auslandssachverhalten erheblich verbessert seien.

Quelle: Niedersächsisches FG, Pressemitteilung v. 31.3.2022

 

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