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Dashcam-Aufnahmen können personenbezogene Daten sein (Foto: nithid18/Fotolia.com)
Dashcams und Datenschutz

OLG Celle: Einsatz privater Dashcams zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten datenschutzwidrig

ESV-Redaktion Recht
21.03.2018
Dashcams sind nicht nur beliebte Hilfsmittel, um die Beweislage bei Verkehrsunfällen zu erleichtern. Sie werden vereinzelt auch eingesetzt, um verkehrswidriges Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer anzuzeigen. Ob dies datenschutzrechtlich erlaubt ist, hatte das OLG Celle zu klären.
Gegenstand des Verfahrens war eine Rechtsbeschwerde gegen eine Geldbuße von 250 Euro. Dem Betroffenen wurde vorgworfen, fahrlässig und  unbefugt nicht allgemein zugängliche personenbezogener Daten nach § 43 Absatz 2 Nr. 1 BDSG erhoben und verarbeitet zu haben. Den Bußgeldbescheid verhängte der Landesbeauftragte für Datenschutz Niedersachsen, kurz Datenschutzbeauftragter. Das Amtsgericht (AG) Hannover hatte diesen Bescheid bestätigt. Kern des Vorwurfs ist, dass der Betroffene im konkreten Fall den Fahrer eines Mercedes Cabriolet der E-Klasse mit offenem Verdeck abgebildet hatte.

Seit 2004 soll der Betroffene in 56.000 Fällen Verkehrsverstöße von Dritten mit einer Dashcam dokumentiert, angezeigt und sich ergänzend als Zeuge zur Verfügung gestellt haben. Hierzu soll ihn der Leiter der örtlichen Bußgeldbehörde für die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten ermuntert haben.

Videoaufzeichnungen als Beweismittel im Verfahren gegen Dritte

Als Beweismittel dienten Fotografien oder Videoaufzeichnungen von den Verkehrsverstößen. Hierzu installierte der Betroffene in seinem Fahrzeug ein System mit zwei Kameras – jeweils eine vorne und hinten. Das System hatte eine Fernbedienung, verfügte über GPS und konnte über Infrarotsensoren auch in der Dunkelheit Aufnahmen machen. Zudem konnte die Anlage neben Videos auch Einzelbilder schießen. 

Der Datenschutzbeauftragte hatte dem Betroffenen die weitere Verwendung des Onboard-Kamera-Systems untersagt und ihm unter Anordnung des sofortigen Vollzugs aufgegeben, die gespeicherten Daten, sowie die im öffentlichen Straßenverkehr aufgenommen Videosequenzen und Lichtbilder zu löschen. Hiergegen klagte der Betroffene vor dem VG Göttingen, verbunden mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Allerdings blieben beide Anträge erfolglos.

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Betroffener: Datenschutzrecht nicht einschlägig

Der Betroffene meint, die Verwendung einer Onboard-Kamera auf dem Armaturenbrett sei mangels anderslautender Vorschriften oder Gesetze grundsätzlich zulässig und begründete dies wie folgt:
  • BDSG nicht anwendbar: Das BDSG sei deshalb nicht anzuwenden, weil Nutzung der Onboard-Kamera zu persönlichen Zwecken erfolgte.
  • Keine personenbezogenen Daten: Bei den aufgenommenen Kfz-Kennzeichen handele es sich nicht um personenbezogene Daten, weil diese nur eine mittelbare Ermittlung des Halters ermöglichen. 
  • Videoaufzeichnungen gerechtfertigt: Zudem könne er sich auf § 6b Abs 3 des BDSG berufen. Diese Norm gestatte Videoaufzeichnungen der von ihm gefertigten Art. 
Im Wortlaut: § 43 Absatz 2 Nr. 1 BDSG - Bußgeldvorschriften
(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhebt oder verarbeitet, (..)
Im Wortlaut: § 6b Absatz 3 - Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen
(3) Die Verarbeitung oder Nutzung von nach Absatz 1 erhobenen Daten ist zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Für einen anderen Zweck dürfen sie nur verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.

OLG Celle: Betroffener kein Sachwalter öffentlicher Belange

Das Oberlandesgericht (OLG) teilte die Auffassung des Klägers nicht und begründete dies in seinem Beschluss 04.10.2017 - AZ: 3 Ss (OWi) 163/17 - wie folgt:

Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ist typisch hoheitliche Aufgabe: Die Feststellung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten erfolge aus dem Kernbereich staatlichen Handelns und wäre daher eine hoheitliche Aufgabe, bei der eine Mitwirkung von Privatpersonen grundsätzlich nicht möglich ist. Demgegenüber erfolgte die von ihm exzessiv ausgeübte Anzeigetätigkeit allein aus persönlichem und privatem Antrieb.

Betroffener hat Daten verarbeitet: Mit der Aufnahme von Videos und Screenshots von einem Mercedes Cabriolet-Fahrer und habe der Betroffene auch personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet:
  • Die aufgenommene Person, so das OLG weiter, war auch bestimmbar. Es bestand nicht nur die abstrakte Möglichkeit deren Identität festzustellen. Das amtliche Kennzeichen des Fahrzeuges war deutlich und vollständig ablesbar. Die Person hielt mit ihrer rechten Hand mutmaßlich ein Mobiltelefon an ihr rechtes Ohr. 
  • Mit diesen Informationen, so das Gericht weiter, wäre jeder Kraftfahrer und auch die auf dem Lichtbild abgebildete Person zweifelsfrei bestimmbar. Insgesamt ermöglichen die vom Betroffenen erhobenen Daten die Feststellung, dass eine konkret bestimmbare Person an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit an einem exakt bestimmbaren Ort mutmaßlich gegen § 23 Absatz 1a StVO verstoßen hatte.
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Keine Erhebung für ausschließlich persönliche Zwecke: 
Die Erhebung der Daten erfolgte nach Überzeugung des Gerichts auch nicht ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten. Der Einlassung des Betroffenen, er habe die Onboard-Kamera an diesem Tage zunächst zur der Aufzeichnung von Fahrstrecken für spätere Motorradfahrten und zur Abschreckung und zum Schutz vor möglichen Beschädigungen seines Fahrzeuges gemacht, wertete das OLG als Schutzbehauptung. Vielmehr, hatten die Aufnahmen danach den Zweck, Verkehrsverstöße im Bild oder im Video festzuhalten und den Ordnungsämtern als Beweismittel zur Verfügung zu stellen.

Keine Rechtfertigung: Der Einsatz der Kameras sei auch nicht im Sinne von § 6b Absatz 3 BDSG gerechtfertigt. Vielmehr spiele sich der Beschuldigte zum Sachwalter öffentlicher Interessen auf.

Vorsätzliche Tat: Abschließend sah sich der Senat sogar dazu veranlasst, den Schuldspruch abzuändern und erkannte auf eine vorsätzliche Tatbegehung.

Die vollständige Entscheidung 
Lesen Sie den vollständigen Beschluss des OLG Celle auf vrsdigital.de (oder in VRS Band 132, Heft 3, Seite 117).
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(ESV/bp)

Programmbereich: Verkehrsrecht, -wirtschaft, -technik