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OLG Frankfurt a. M.: Bei der Impfung eines Minderjährigen ist nur die Einwilligung des Elternteils erforderlich, der der Empfehlung der STIKO vertraut (Foto: Africa Studio / stock.adobe.com) 
Corona: Impfung von 12 bis 17-Jährigen

OLG Frankfurt zur Frage, welcher Elternteil bei Uneinigkeit über die Impfung von Jugendlichen gegen Corona entscheiden darf

ESV-Redaktion Recht
26.08.2021
Nachdem die STIKO jüngst eine generelle Impfempfehlung für 12 bis 17-Jährige ausgesprochen hat, ist die Frage über das „Dürfen“ einer Impfung vorerst geklärt und grundsätzlich entscheiden die Eltern gemeinsam hierüber. Was ist aber, wenn diese sich nicht einig sind? Mit dieser Frage hatte hat sich nun das OLG Frankfurt befasst.

Die Mutter sagt Nein

In dem Streitfall wollte sich der fast 16-jährige Sohn der Beschwerdeführerin gegen Corona impfen lassen. Die Beschwerdeführerin übt mit dem Vater des Kindes die gemeinsame elterliche Sorge aus.
 
Aufgrund seiner Vorerkrankungen in Form von Adipositas lag bei dem Sohn eine eindeutige medizinische Indikation für eine Impfung vor – und zwar nach den Empfehlungen der STIKO. Auch der Vater des Kindes befürwortete eine Impfung. Lediglich die Beschwerdeführerin war als Mutter des Kindes mit einer Impfung nicht einverstanden und bezeichnete diese als „Gentherapie“.
 

Der Vater setzt sich vorerst durch

Das wollte der Vater so nicht stehen lassen. Er stellte daher vor dem Amtsgericht (AG) einen Antrag auf Eilrechtsschutz. Das AG übertrug ihm dann vorläufig die alleinige Befugnis zur Entscheidung über die Impfung seines Sohnes. Die erste Impfung des Sohnes ist mittlerweile erfolgt. Gegen die Entscheidung des AG zog die Mutter mit einer Beschwerde vor das OLG Frankfurt am Main.

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OLG Frankfurt a. M.: Der Elternteil, der die Impfung befürwortet, darf entscheiden

Die Frankfurter Richter haben die Beschwerde der Mutter mit Beschluss vom 17.08.2021 zurückgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts ist die Entscheidungsbefugnis über das Ja oder Nein einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff auf den Elternteil zu übertragen, der die Impfung befürwortet – sofern auch das Kind eine Impfung will. Die weiteren wesentlichen Erwägungen des OLG:  
 
  • Einwilligung der Eltern auch bei knapp 16-jährigen Kindern erforderlich: Zunächst stellte das OLG klar, dass eine grundsätzliche Einwilligung der Eltern in die Impfung auch bei einem fast 16-Jährigen notwendig ist. Zwar sei naheliegend, dass der fast 16-Jährige für den medizinischen Eingriff schon selbst einwilligungsfähig sei. Da dieser Eingriff aber nicht geringfügig ist, könne seine Einwilligung nur durch die zusätzliche Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern wirksam werden, so die Frankfurter Richter. 
  • Vorläufige Übertragung der alleinigen Entscheidung möglich: Darüber hinaus machten die OLG-Richter deutlich, dass es nach § 1628 Satz 1 BGB möglich ist, die Entscheidung über eine einzelne Angelegenheit einem Elternteil alleine zu übertragen.
  • Erhebliche Bedeutung als Voraussetzung: Voraussetzung dafür ist, dass die Angelegenheit für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, die Eltern grundsätzlich die gemeinsame elterliche Sorge ausüben. Zudem muss ein Elternteil einen Antrag auf alleinige Entscheidung gestellt haben. Die Entscheidung über die Impfung gegen Corona ist dem OLG zufolge eine derartige Angelegenheit von erheblicher Bedeutung.
  • Entscheiden darf, wer die Impfung befürwortet: Wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen, ist die Entscheidungsbefugnis nach Ansicht des Gerichts dem Elternteil zu übertragen, der die Impfung des Kindes – entsprechend den Empfehlungen der STIKO – befürwortet.
  • Empfehlung der STIKO lag vor: Zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung gab es bereits eine Empfehlung der STIKO für eine COVID-19 Impfung für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf – hier: Adipositas.
  • Auch der Wille des Kindes muss berücksichtigt werden: Zudem, so das OLG weiter, ist nach § 1697a BGB der Kindeswille zu beachten – jedenfalls dann, wenn das Kind im Hinblick auf sein Alter und seine Entwicklung durchaus in der Lage ist, sich eine eigene Meinung über die Angelegenheit zu bilden. Dass ein fast 16-Jähriger aufgrund seines Alters und seiner Entwicklung imstande ist, sich eine eigene Meinung über den Nutzen und die Risiken der Corona-Schutzimpfung zu bilden, steht nach dem OLG außer Frage.
  • Bessere Entscheidungskompetenz des Vaters: Dafür, dass der Vater die bessere Entscheidungskompetenz hat, spricht nach OLG-Auffassung, dass dieser den Willen seines Sohnes mit in die Entscheidung einbeziehen wollte. Denn zur elterlichen Sorge gehört auch, die wachsende Fähigkeit sowie das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem und verantwortungsbewusstem Handeln zu berücksichtigen.
Quelle: PM des OLG Frankfurt vom 24.08.2021 zum Beschluss vom 17.08.2021 – 6 UF 120/21
 


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(ESV/mb/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht