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OLG Koblenz: Schon eine rechtswidrige Einmeldung bei der Schufa, die zu einem Negativ-Merkmal führt, kann beim Betroffenen einen immateriellen Schaden begründen (Foto: nmann77 / stock.adobe.com)
Immaterieller Schadenersatzanspruch

OLG Koblenz äußert sich zur Höhe eines immateriellen Schadens nach Art. 82 DS-GVO

ESV-Redaktion Recht
02.06.2022
In welcher Höhe eröffnet Art. 82 DS-GVO den Raum für immaterielle Schadenersatzansprüche und welche Maßstäbe gelten hierfür? Mit diesen Fragen hat sich das OLG Koblenz in einem bemerkenswerten Urteil auseinandergesetzt.
In dem Streitfall ging es zunächst um Zahlungsansprüche aus einem Mobilfunkvertrag. Im Rahmen einer Widerklage wehrte sich die Beklagte mit dann einem Schadenersatzanspruch aus Art. 82 DS-GVO gegen die Forderung der Klägerin. Der Hintergrund: Im Laufe des Rechtsstreits veranlasste die Klägerin – nach ihrem Vortrag versehentlich – am 16.09.2019 einen Negativ-Eintrag bei der SCHUFA. Und zwar mit einer sogenannten Einmeldung von Zahlungsstörungen. Zwar gab die Beklagte schon am 27.09.2019 die Löschung des Eintrags in Auftrag. Dennoch hatte der Eintrag über mehr als zwei Jahre Bestand. Der Eintrag wurde frühestens im Juli 2021 vollständig gelöscht.
 

Klägerin: Kreditwürdigkeit aufgrund des SCHUFA-Eintrags erheblich herabgesetzt

Der SCHUFA-Eintrag war dann Ausgangspunkt der Widerklage, mit der die Beklagte einen immateriellen Schadenersatz von 6.000 EUR im Sinne von Art. 82 DS-GVO geltend machte. Nach ihrer Auffassung hatte die Klägerin den SCHUFA-Eintrag rechtswidrig erwirkt. Auch wären die unbefugt weitergegebenen Daten dazu geeignet, ihre Kreditwürdigkeit erheblich herabzusetzen, was ihre Teilhabe am Wirtschaftsleben erheblich eingeschränkt hätte, so die Beklagte weiter. Beispielsweise habe ihre Hausbank am 26.03.2020 Kreditverhandlungen eingestellt. Die Begründung: Der Negativ-Eintrag stehe der Gewährung eines Kredits entgegen. Eine spätere, dennoch erfolgte Kreditzusage habe unter dem Vorbehalt der Entfernung des Eintrags gestanden. Ebenso musste die Beklagte nach ihrem weiteren Vortrag bei Online-Geschäften negative Auswirkungen befürchten.
 

LG Koblenz: Vortrag zum Schadenersatz nicht hinreichend substantiiert

Die Vorinstanz – LG Koblenz – verurteilte die Beklagte zu einer Zahlung von 543 EUR und wies die Widerklage ab. Demnach hatte die Beklagte ihren Schadensersatzanspruch nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Darüber hinaus, so das LG weiter, habe die Klägerin alles unternommen, um den Eintrag zu löschen. Dass ihr Anliegen bei der SCHUFA nicht umgesetzt worden sei, habe die Klägerin nicht erkennen können. Gegen die Entscheidung des LG Koblenz wendete sich die Beklagte mit einer Berufung zum OLG Koblenz.

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OLG Koblenz: Geltend gemachte Höhe des immateriellen Anspruchs überzogen

Das Rechtsmittel hatte nur zu einem Teil Erfolg. Das OLG wies die Klage ab und bejahte im Grunde auch einen immateriellen Schadenersatzanspruch. Diesen bezifferte es aber nur auf 500 EUR gegenüber den ursprünglich verlangten 6.000 EUR. Die weiteren Erwägungen des OLG zum Schadenersatzanspruch der Beklagten:
 

Pflichtverletzung der Klägerin 

Das LG hat zutreffend eine schuldhafte Pflichtverletzung der Klägerin aus Art. 5 und 6 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 2 DSGVO bejaht. So war die Datenmitteilung an die SCHUFA rechtswidrig, weil die Forderung der Klägerin streitig und noch nicht tituliert war. Damit überwog das Interesse der Beklagten an einer Nichtveröffentlichung, sodass keine Einmeldung hätte erfolgen dürfen. 

Hinreichende Darlegung des Schadens

  • Einmeldung begründet immateriellen Schaden: Die Beklagte hat ihren immateriellen Schaden dem Grunde nach aber auch hinreichend dargelegt. Schon der Vortrag der allgemeinen zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Teilhabe am Wirtschaftsleben, etwa beim Abschluss von Internetkäufen reicht aus, um den bei ihr bereits entstandenen Schaden darzulegen. Gerade beim Online-Handel wäre es gerichtsbekannt, dass Verträge mit Bonitätsabfragen abgesichert werden – auch, weil Bonitäts-Scores regelmäßig auf den Merkmalen der Auskunfteien basieren. Daher begründet schon das Negativmerkmal, das aus der Einmeldung folgt, einen immateriellen Schaden und nicht erst die Nutzung der negativen Daten. Zudem führt die Beseitigung einer fehlerhaften Einmeldung nicht vollständig zum Ziel, weil sie nur für die Zukunft wirkt.
  • Negative Folgen auf Verhältnis zur Hausbank: Darüber hinaus hatte die Beklagte – unter dem Angebot eines Zeugenbeweises – vorgetragen, dass sich der unrechtmäßige SCHUFA-Eintrag bei ihrer Hausbank negativ ausgewirkt hatte und dass eine Kreditzusage nur unter dem Vorbehalt der Entfernung des Negativ-Eintrags erfolgen kann. Damit hat der widerrechtliche Eintrag die Beklagte als zahlungsunwillige Kundin stigmatisiert, was zu einer Rufschädigung und damit zu einer Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts führte. Dies ist dem OLG zufolge als immaterieller Schaden nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu bewerten.

Höhe des geltend gemachten Anspruchs überzogen

Die Überlegungen des Gerichts zur Höhe des immatereillen Schadens:
 
  • Geltend gemachte Höhe unverhältnismäßig: Das OLG hält die Anspruchshöhe mit einem geltend gemachten Betrag von 6.000 EUR nach Maßgabe von § 287 ZPO für überzogen. Diese Forderung steht dem Gericht zufolge außer Verhältnis zu immateriellen Ersatzansprüchen, auch vor dem Hintergrund anderer Schädigungshandlungen, wie zum Beispiel bei physischen Auswirkungen von Körperverletzungen. Deshalb hält das OLG ein Schmerzensgeld von 500 EUR für angemessen. Diese Summe soll ausreichend sein, um die Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion zu erfüllen – und darüber hinaus die generalpräventive Funktion des immateriellen Schadenersatzes ausreichend würdigen. Insoweit berief sich das OLG auch auf Art. 82 DS-GVO. Diese Norm enthält keine Kriterien zur Bestimmung der Höhe eines immateriellen Schadenersatzes.
  • Europarechtlicher Schadensbegriff: Ausgangspunkt für die Bewertung ist der weit auszulegende europarechtliche Schadensbegriff. Hierbei sind auch die Ausgleichs-, Genugtuungs- und Vorbeugefunktion des Schadenersatzanspruchs sowie drohende Folgen zu berücksichtigen, wobei es maßgeblich auf die konkreten Einzelfallumstände ankommt.
  • Gefahr für Einmeldungen: Es ist dem OLG zufolge auch nicht zwingend, die Beträge hoch anzusetzen, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen, zumal Massenverfahren in bestimmten Wirtschaftsbereichen – wie auch im Bereich der Telekommunikation – der Regelfall sind. Bei diesen werden monatlich Hunderttausende oder Millionen von Forderungen begründet und in Rechnung gestellt, deren Zahlungseingänge auch zu überwachen sind. Ein zu hoher immaterieller Schadenersatzanspruch würde nach Ansicht des Gerichts die Gefahr begründen, dass Einmeldungen aufgrund von zu hohen wirtschaftlichen Risiken ganz unterbleiben. Damit würde auch die verbraucherschützende Funktion der Einmeldung unvertretbar in den Hintergrund treten.
  • Ziele des immateriellen Schadenersatzes: Abschließend merkten die OLG-Richter an, dass der immaterielle Schadenersatz nicht das Ziel hat, materielle Schäden – wie etwa höhere Zinsen – zu ersetzen.

Wie es weitergeht

Das OLG hat die Revision zugelassen, weil nach seiner Auffassung die Maßstäbe für die Bemessung des immateriellen Schadenersatzes im Rahmen von Art. 82 DS-GVO bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt sind. Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass Schadenersatzansprüche auch von Legal-Tech-Unternehmen massenhaft geltend gemacht werden, so das Gericht weiter.  Daher maßen die Koblenzer OLG-Richter den Fragen im Rahmen von Art. 82 DS-GVO eine grundsätzliche Bedeutung zu.
 
Die Dokumentationsstelle des BGH teilte inzwischen mit, dass der BGH von einer letztinstanzlichen Vorlagepflicht an den EuGH ausgeht.

Quelle: Urteil des OLG Koblenz vom 18.05.2022 – 5 U 2141/21


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(ESV/bp)

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