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OLG Koblenz: Die Fahrereigenschaft kann bei der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten durch das Personalausweis- oder Passfoto  ermittelt werden, das bei der Meldebehörde hinterlegt ist (Foto: Thomas Melcher /stock.adobe.com)
Verkehrsrecht und Datenschutz

OLG Koblenz: Bußgeldstelle darf Passfoto, das bei Meldebehörde hinterlegt wird, zur Fahreridentifizierung verwerten

ESV-Redaktion Recht
20.11.2020
Wer einen Personalausweis oder einen Reisepass beantragt, muss beim Einwohnermeldeamt ein geeignetes Foto hinterlegen. Aber darf die Meldebehörde das Foto an die Bußgeldstelle für Verkehrssachen übermitteln, wenn dieses Bild zur Aufklärung einer Verkehrsordnungswidrigkeit beitragen kann? Hierüber hat das OLG Koblenz kürzlich entschieden.
In dem Fall hatte die Zentrale Bußgeldstelle gegen den Halter eines Fahrzeugs mit Bescheid vom 26.8.2019 eine Geldbuße von 150 Euro festgesetzt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Nach den Feststellungen der Bußgeldstelle hatte der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h überschritten.

In dem Bußgeldverfahren hatte die Behörde dem Halter des gemessenen Pkw erfolglos Gelegenheit gegeben, sich schriftlich zu dem Tatvorwurf zu äußern. Daher bat die Bußgeldbehörde das Einwohnermeldeamt darum, das Lichtbild, das der betroffene Halter dort zur Erstellung seines Personalausweises hinterlegt hatte, zu übersenden. Damit wollte die Bußgelstelle diesen als Fahrer identifizieren. Die Einwohnermeldebehörde gab diesem Anliegen statt. Daraufhin verhängte die Bußgeldstelle den obigen Bußgeldbescheid. Ein Einspruch des Halters hiergegen vor dem AG Mainz hatte keinen Erfolg.

Nach Auffassung des Halters ist die Herausgabe des Personalausweisfotos rechtswidrig. Daher wendete er sich mit einer Rechtsbeschwerde an das OLG Koblenz und beantragte die Einstellung des Verfahrens.

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OLG Koblenz: Aufruf von Fotos zur Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten ist  mildester Eingriff in Rechte des Betroffenen

Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Das OLG Koblenz hat diese als unbegründet verworfen. Demnach durfte das Bild nach § 24 Absatz 2 Personalausweisgesetz (PAuswG) an die Bußgeldbehörde weitergeleitet werden. Nach dieser Norm ist die Datenübermittlung an folgende Voraussetzungen geknüpft:

  • Berechtigung zum Empfang der Daten nach § 24 Absatz 2 Nr. 1 PAuswG: Die ersuchende Behörde muss berechtigt sein, die zu übermittelnden Daten zu erhalten. Hierzu führte das OLG aus, dass die Bußgeldbehörde nach § 161 Absatz 1 Satz 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 und 2 OWiG berechtigt ist, von allen Behörden zum Zweck der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten Auskünfte zu verlangen.
  • Keine Möglichkeit der Aufgabenerfüllung ohne Kenntnis der Daten – § 24 Absatz 2 Nr. 2 PAuswG: Nach dem Wortlaut von § 24 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 PAuswG wäre weitere Voraussetzung, dass die ersuchende Behörde ohne Kenntnis des Fotos ihre Aufgabe nicht erfüllen kann. Weil die Behörde die Fahrereigenschaft stets auch durch Ermittlungen am Wohn- oder Arbeitsort des Betroffenen - oder durch Befragung von Nachbarn und Arbeitskollegen - klären kann, hätte dies zur Folge, dass die Personalausweisbehörde niemals Fotos an die Bußgeldbehörden senden dürfte. Dies wäre vor allem nicht mit dem spezielleren § 25 Absatz 2 Satz 1 PAuswG vereinbar. Nach dieser Norm dürfen die Ordnungsbehörden Lichtbilder zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten sogar im automatisierten Verfahren abrufen. Damit, so das OLG weiter, habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Übertragung von Lichtbildern durch die Passbehörden an die Ordnungsbehörden zulässig sein soll, wenn dies der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten dient. Dies hat das OLG den Gesetzesmaterialien zu § 25 PAuswG in der Fassung vom 18. Juni 2009 entnommen. Dort weist die Bundesregierung darauf hin, dass ein Abruf des Fotos im automatisierten Verfahren zwar nicht generell, wohl aber bei der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zulässig sein soll (siehe BT-Drucksache 16/10489 vom 07.10.2008).
  • Erhebung der Daten auf andere Weise nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand – § 24 Absatz 2 Nr. 3 PAuswG: Nach dieser Voraussetzung muss es der ersuchenden Behörde unmöglich oder nur mit hohem Aufwand möglich sein, die Daten bei dem Betroffenen zu erheben. Auch dieses Merkmal sah das OLG als erfüllt an. Zwar bestünde auch die Möglichkeit, den Fahrer oder Halter durch Befragung von Nachbarn oder dergleichen zu ermitteln. Allerdings wären solche Ermittlungshandlungen sowohl für die Behörden als auch für den Betroffenen nicht verhältnismäßig. Auch würden solche Handlungen wesentlich stärker in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen eingreifen als die Erhebung seines Lichtbildes beim Pass- oder Personalausweisregister.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: PM des  OLG Koblenz vom 18.11.2020 zum Beschluss vom 02.10.2020 – 3 OWi 6 SsBs 258/20 

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Im Wortlaut: § 24 Absatz 2 PAuswG – Verwendung im Personalausweisregister gespeicherter Daten (Auszug)
(2) Die Personalausweisbehörden dürfen anderen Behörden auf deren Ersuchen Daten aus dem Personalausweisregister übermitteln, wenn

  1. die ersuchende Behörde auf Grund von Gesetzen oder Rechtsverordnungen berechtigt ist, solche Daten zu erhalten,
  2. die ersuchende Behörde ohne Kenntnis der Daten nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen, und
  3. die ersuchende Behörde die Daten bei dem Betroffenen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erheben kann oder wenn nach der Art der Aufgabe, zu deren Erfüllung die Daten erforderlich sind, von einer solchen Datenerhebung abgesehen werden muss. [..]
§ 25 Absatz 2 Satz 1 PAuswG – Datenübertragung und automatisierter Abruf von Lichtbildern
(2) Die Ordnungsbehörden dürfen das Lichtbild zum Zweck der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten im automatisierten Verfahren abrufen, wenn die Personalausweisbehörde auf andere Weise nicht erreichbar ist und ein weiteres Abwarten den Ermittlungszweck gefährden würde. [..]

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(ESV/bp)

Programmbereich: Verkehrsrecht, -wirtschaft, -technik