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OLG München: Überkleben von Teilen des Kfz-Kennzeichens ist nicht dazu geeignet Behörden zu täuschen (Foto: Brigitte/Fotolia.com)
Verkehrsstrafrecht

OLG München zum Überkleben des Euro-Feldes eines Autokennzeichens

ESV-Redaktion Recht
29.08.2019
Die Zahl der Fälle, in denen Kfz-Halter das blaue EU-Feld ihres Kennzeichens mit einer „Reichsflagge“ oder einem „Preußenadler“ überkleben, bleibt stabil. Nachdem das Amtsgericht Altenburg hierin kein strafbares Verhalten sieht, hat sich auch das OLG München dazu geäußert.
Der Angeklagte geriet im Mai 2017 mit seinem BMW in München in eine Polizeikontrolle. Er hatte die blauen Euro-Felder seiner beiden Autokennzeichen dem sogenannten „Preußenadler“ überklebt. Das zuständige Amtsgericht (AG) ahndete dies mit einem Strafbefehl, der eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 40 EUR vorsah. Die Ausgangsinstanz sah darin eine Urkundenfälschung nach § 267 Absatz 1 StGB.

Gegen diesen Strafbefehl wendete sich der Angeklagte mit einem Einspruch. Er meinte, sein Verhalten sei weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit. Im Ergebnis ohne Erfolg: Das Ausgangsgericht verurteilte den Angeklagten im November 2017 – allerdings wegen Kennzeichenmissbrauchs nach § 22 Absatz 1 Nr. 3 und Absatz 2 StVG – zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 EUR. Den Tatbestand der Urkundenfälschung sah das AG nicht mehr als erfüllt an. Dem Richterspruch zufolge liegt kein Vorsatz für eine Täuschung im Rechtsverkehr vor.

Mit dem Aufkleber habe der Angeklagte keine andere Person aufgrund eines Irrtums zu einem rechtserheblichen Verhalten veranlassen wollen. Vielmehr habe der Angeklagte lediglich seine Missbilligung über die EU ausdrücken wollen, so die Ausgangsinstanz.


LG München I: Das Überkleben des EU-Feldes ist ein Kennzeichenmissbrauch

Gegen das Urteil des AG gingen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft in Berufung zum Landgericht (LG) München I. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hatte der Angeklagte auch eine Urkundenfälschung verwirklicht.

Das LG änderte das Ausgangsurteil zwar, indem es gegen den Angeklagten wegen Kennzeichenmissbrauchs 150 Tagessätze zu je 15 EUR verhängte. Die weitergehende Berufung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat das LG jedoch als unbegründet verworfen. Gegen dieses dieses Urteil gingen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft in Revision. 

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OLG München: Weder eine Urkundenfälschung noch ein Kennzeichenmissbrauch

Das OLG München hat die Revision des Angeklagten wegen Verspätung und wegen des Rechtsmittelverzichts als unzulässig verworfen. Die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft führte zur Aufhebung des angegriffenen LG-Urteils und zur Zurückverweisung an das LG München I. Die wesentlichen Erwägungen des OLG:

Keine Urkundenfälschung

Das OLG sah in dem Verhalten des Angeklagten keine Urkundenfälschung. Hier die Hauptargumente des OLG:

  • Kfz-Kennzeichen ist zusammengesetzte Urkunde: In den Kennzeichen sah das OLG zusammengesetzte Urkunden im Sinne von § 267 Absatz 1 StGB.
  • Blaues EU-Feld als Gestaltungselement: Zu diesem gehört auch das blaue Euro-Feld mit Sternenkranz und dem Erkennungsbuchstaben „D“ als Gestaltungselement im Sinne von Abschnitt 1 Nr. 3 der Anlage 4 zu § 10 Absatz 2 FZV.
  • Überkleben ist zwar Verfälschung: Durch das Überkleben entsprachen die Auto-Schilder auch nicht mehr den Vorgaben der benannten Anlage. Somit wurden die Schilder verfälscht und entsprachen nicht mehr § 10 FZV. Damit durfte das Fahrzeug nicht mehr auf öffentlichen Straßen betrieben werden.
  • Aber – keine Täuschung im Rechtsverkehr: Allerdings erfordert § 267 StGB, dass der Täter das verfälschte Dokument zur Täuschung im Rechtsverkehr einsetzt. Das heißt, eine andere Person muss aufgrund eines Irrtums zu einem rechtserheblichen Verhalten veranlasst werden.
  • Täuschung der Behörden fernliegend: Eine rechtserhebliche Täuschung darüber, dass die Zulassungsbehörde der Landeshauptstadt München Teil des Staates Preußen sei, hielt das OLG jedoch für fernliegend. Vielmehr habe der Angeklagte mit dem Anbringen des Symbols seine Missbilligung über die Europäische Union kundtun wollen, so das OLG weiter.


Auch kein Kennzeichenmissbrauch

Das OLG nahm aber auch keinen Kennzeichenmissbrauch an, obwohl es den objektiven Tatbestand der betreffenden Normen als erfüllt ansieht. Die weitere Begründung der Münchner Richter: 

  • Kein falscher Beweis beabsichtigt: Es fehlte auch hier die Ansicht des Angeklagten, den Rechtsverkehr zu täuschen. Zwar lasse sich diese besondere Täuschungsabsicht nicht aus dem Gesetzeswortlaut entnehmen, so das OLG. Dennoch müsse der Täter in der rechtswidrigen Absicht handeln, über die verbotene Kennzeichnung einen falschen Beweis zu erbringen. Anderenfalls wäre jede Veränderung eines Kennzeichens strafbar – und zwar auch dann, wenn die Veränderung keine Auswirkungen auf den Rechtsverkehr hat. Hierbei wäre zu berücksichtigen, dass das Strafrecht nur die Ultima Ratio sein könne. Das Gericht spricht insoweit von einer sogenannten „überschießenden Innentendenz“. 
  • Rechtswidrige Absicht nicht erkennbar: Das Führen des Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr in dem bloßen Bewusstsein, dass die Kennzeichen durch das Aufbringen der Aufkleber verändert wurden, reichte dem OLG aber für die Annahme der besonderen Täuschungsabsicht nicht aus.


Ordnungswidrigkeit aber möglich

Weil ein Teil der Schilder verdeckt war, kommt dem OLG zufolge aber eine Ordnungswidrigkeit (OWiG) nach den §§ 48 Nr. 1b, 10 Absatz 12 Satz 1 FZV in Verbindung mit Nr. 3 der Anlage 4 FZV in Betracht.

Insoweit ist nach Auffassung des Münchner Richterspruchs aber offen, ob die OWiG vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde, oder ob gar ein vermeidbarer Verbotsirrtum vorliegt. Dies muss nun eine andere Kammer des LG München I ermitteln.

Quelle: Urteil des OLG München vom 22.3.2019 – 4 OLG 14 Ss 322/18

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