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Share-Deal-Reform im Finanzausschuss des Bundestages beschlossen (Fotos: CMS Hasche Sigle)
Grunderwerbsteuer

Orthmann: „Share-Deal-Strukturen werden erschwert“

ESV-Redaktion Steuern
21.04.2021
Nach jahrelangem Streit haben die Koalitionsfraktionen im Finanzausschuss das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes beschlossen und sich auf eine Neuregelung des sog. Share Deals geeinigt. Was die Reform konkret vorsieht, ob die Vorschläge in der Praxis zielführend sind und welche Konsequenzen die neuen Regeln für die Branche haben, erläutern Steuerberater, Tobias Schneider, und Rechtsanwalt für Immobilienrecht, Dr. Sebastian Orthmann, von CMS Hasche Sigle im Interview mit der ESV-Redaktion.
Herr Schneider, Herr Dr. Orthmann, in der Immobilienwirtschaft sind die sog. Share Deals, bei denen eine Immobilie in Form von Anteilen an einer Gesellschaft verkauft wird, zur Minimierung der Grunderwerbsteuer beliebt. Diese Möglichkeit der Steueroptimierung soll nun durch eine Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes eingeschränkt werden. Welche Maßnahmen sieht die Reform dabei konkret vor?

Tobias Schneider: Die Reform enthält mehrere Bausteine, welche die grunderwerbsteuerliche Optimierung eines Share Deals weniger attraktiv machen. Sie sollen ab dem 1. Juli 2021 Anwendung finden. Bei Personengesellschaften, bei denen bereits bislang ein »Altgesellschafter« mit einer Beteiligung von 5,1 Prozent für die Dauer von mindestens fünf Jahren nach dem Verkauf der übrigen 94,9 Prozent beteiligt bleiben muss, verschlechtert sich die Lage dahingehend, dass zukünftig eine Restbeteiligung von 10,1 Prozent für mindestens zehn beziehungsweise 15 Jahre zurückbehalten werden muss. Als weiterer Baustein wird dieses Besteuerungsregime, also die Gesellschafterwechselbesteuerung, auch für Kapitalgesellschaften eingeführt. Bisher war es hier möglich, sämtliche Anteile an mindestens zwei Erwerber zu veräußern, ohne dass Grunderwerbsteuer anfiel. Unabhängig von der Rechtsform führte eine Beteiligung von mindestens 95 Prozent bereits bislang zum Anfallen von Grunderwerbsteuer. Zukünftig wird diese relevante Beteiligungsschwelle 90 Prozent betragen.

Das sind aus CMS-Sicht die wichtigsten Bausteine der Reform, um grunderwerbsteueroptimierte Share Deals unattraktiv zu machen. Bereits vor einiger Zeit wurde quasi flankierend eingeführt, dass die verspätete Abgabe der Meldung über ein solches steuerpflichtiges Ereignis zu einem Verspätungszuschlag führt. Die verspätete Meldung gegenüber der zuständigen Behörde hat damit im wirtschaftlichen Ergebnis eine Verzinsung der Grunderwerbsteuer zur Folge.

Der früher geäußerten Kritik an der Reform dahingehend, dass nun auch ein Gesellschafterwechsel durch den Handel von Aktien an der Börse Grunderwerbsteuer auslösen kann, soll mit einer entsprechenden Ausnahmebestimmung, der sogenannten »Börsenklausel«, begegnet werden.


Sind die nun beschlossenen Vorschläge in der Praxis zielführend, wo sehen Sie Probleme?

Tobias Schneider: Offensichtlich war es das Ziel des Gesetzgebers, die Grunderwerbsteueroptimierung im Rahmen eines Share Deals zukünftig zu erschweren. Dieses Ziel wird durch die Reform sicherlich erreicht.

Probleme sehen wir insbesondere auf solche Mandanten zukommen, die Optionsrechte auf den Ankauf von Personengesellschaftsanteilen gewährt und hierbei auf die bestehende Rechtslage vertraut haben. Es ist gut vorstellbar, dass durch die gesetzlichen Änderungen nun Grunderwerbsteuer aufgrund der Verlängerung der für die Inanspruchnahme erforderlichen Haltefristen von Steuerbefreiungen von fünf auf zehn beziehungsweise 15 Jahre ungewollt entstehen wird.

Auch erkennen wir in dieser Reform ein eher allgemeines Problem im Steuerrecht: Es werden allgemein gültige Regeln zum Zweck der vermeintlichen Missbrauchsbekämpfung geschaffen; gleichzeitig wird es aber mehr und mehr unmöglich, diese Regelungen auch tatsächlich zu verwalten. Die Komplexität der Überwachung von mittelbaren Gesellschafterwechseln über einen Zeitraum von zehn Jahren an grundstückshaltenden Gesellschaften in komplexen Strukturen sowie die schier unmögliche Herausforderung für die Geschäftsführer der betreffenden Gesellschaft, – auch mittelbare – Änderungen der Beteiligungsverhältnisse zu kennen, um gegebenenfalls eine entsprechende Meldung über einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang einreichen zu können, seien als Beispiele genannt. Auch die Übergangsvorschriften, welche teilweise dazu führen, dass die bisherige 95-Prozent-Beteiligungsschwelle zeitlich unbegrenzt weiterhin relevant bleibt und überwacht werden muss, wird in der Praxis Schwierigkeiten bereiten.


Welche Konsequenzen werden die neuen Regeln für die Immobilienwirtschaft haben?

Dr. Sebastian Orthmann: Kurzfristig werden die Marktteilnehmer versuchen, laufende Projekte noch bis zum Inkrafttreten der neuen Regelungen zu vollziehen, damit hierauf noch die Altregelungen Anwendung finden. Bei allen Projekten, die mit einer grunderwerbsteuervermeidenden Struktur aufgesetzt wurden und bei denen die Halteperioden bis zum Inkrafttreten der Neuregelungen noch nicht abgelaufen sind, müssen die Parteien jetzt eine einvernehmliche Lösung zur Verlängerung der getroffenen Regelungen auf zehn beziehungsweise 15 Jahre treffen.

Im Übrigen werden die Neuregelungen dazu führen, dass Share-Deal-Strukturen erschwert werden. Da künftig höhere Beteiligungen für eine Dauer von zehn beziehungsweise 15 Jahren gehalten werden müssen, werden sich die Parteien mit Blick auf die gebundene Liquidität und die aufgrund der langen Zeit schlechter absicherbaren Risiken sehr genau überlegen, ob sie einen Share Deal anstreben. Jedenfalls bei größeren Projekten und Portfolios dürften daher künftig dem Share Deal ähnliche Strukturen ins Blickfeld rücken, wie zum Beispiel der Unit Deal, bei dem Anteile an einem Sondervermögen übertragen werden oder Verbriefungen, bei denen der zivilrechtliche Eigentümer jeweils nicht wechselt.

(ESV/fl)

Zur Person
Steuerberater Dipl.-Finanzwirt (FH) Tobias Schneider ist Partner im Geschäftsbereich Steuerrecht bei CMS Hasche Sigle. Er ist auf die steuerliche Begleitung von Immobilientransaktionen sowie nationalen und internationalen Unternehmenstransaktionen spezialisiert. Dabei verfügt er vor allem über langjährige Erfahrung in der Beratung von Immobilienfonds und sonstigen institutionellen Immobilieninvestoren. Tobias Schneider engagiert sich als Lehrbeauftragter für Immobiliensteuerrecht an der Universität Stuttgart. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu diesem Thema. Unternehmen diverser Branchen suchen zudem regelmäßig seinen Rat zu Fragen der Umsatzsteuer und des internationalen Steuerrechts.

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Sebastian Orthmann, EMBA (M&A) ist Partner im Geschäftsbereich Real Estate & Public bei CMS Hasche Sigle. Er ist Diplom-Immobilienökonom (ADI) und seit vielen Jahren Lehrbeauftragter an der IR│EBS. Er berät nationale und internationale Investoren und Projektentwickler beim Erwerb und der Veräußerung von Unternehmen, beim Kauf und Verkauf von Immobilien und Immobilienportfolios (im In- und Ausland) sowohl in Form von Asset Deals als auch Share Deals. Weitere Schwerpunkte seiner Tätigkeit bilden die Beratung bei Joint Ventures, gesellschaftsrechtlichen Strukturierungen, bei Projektentwicklungen, Fragen im gewerblichen Mietrecht und bei der Finanzierung. Zu seinen Mandanten zählen institutionelle Investoren, Banken, Asset Manager, Familienunternehmen, die öffentliche Hand sowie Unternehmen aus den Bereichen Automation, Chemie, Elektrotechnik, Kosmetik, Logistik, Einzelhandel, IT und Produktion.


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