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OVG Nordrhein-Westfalen: Die Verfolgungsbehörde muss naheliegenden Ermittlungsansätzen nachgehen, wenn sie den Fahrzeughalter dazu verpflichten will, ein Fahrtenbuch zu führen (Foto: maho / stock.adobe.com)
Verkehrsrecht

OVG Nordrhein-Westfalen zur Führung eines Fahrtenbuchs

ESV-Redaktion Recht
02.06.2023
Lässt sich in einem Bußgeldverfahren wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes kein Fahrer ermitteln, weil der Fahrzeughalter – der als Täter offensichtlich ausscheidet – keine Angaben zum Fahrer macht, droht dem Halter die Auflage, ein Fahrtenbuch zu führen. Was die Ermittlungsbehörde dabei zu beachten hat, zeigt eine aktuelle Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen.
In dem Streitfall hatte die Klägerin mit ihrem Pkw der Klägerin am 25.12.2021 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 26 km/h überschritten. Dieser Verstoß wird prinzipiell mit einem Bußgeld von 180 Euro, einem Punkt in Flensburg und bei Wiederholung mit einem Monat Fahrverbot geahndet.
 
Das Radarfoto zeigt als Fahrer – gut erkennbar – einen jungen Mann. Die Klägerin, die zu dem Vorfall zunächst schriftlich als Zeugin befragt wurde, machte im Bußgeldverfahren von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Anschließend traf der Außendienst des beklagten Rhein-Erft-Kreises die Klägerin an ihrem Wohnort nicht an und das Bußgeldverfahren wurde eingestellt. Allerdings gab der Beklagte der Klägerin auf, ein Fahrtenbuch zu führen – und zwar für zwölf Monate.
 
Gegen diese Auflage zog die Klägerin vor das VG Köln mit der Behauptung, dass der Fahrer ihr Sohn sei, der mit ihr zusammen in ihrem Haushalt lebt. Eine Identifizierung als Fahrer wäre über eine Auskunft der Meldebehörde und einen Abgleich des Tatbildes mit dem Foto aus dem Personalausweisregister ihres Sohnes möglich gewesen.
 
Da die Klägerin vor der Ausgangsinstanz – dem VG Köln (18 K 3600/22) – keinen Erfolg hatte, ging sie in Berufung vor das OVG Nordrhein-Westfalen, auch als OLG Münster bekannt.


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OVG Nordrhein-Westfalen: Bußgeldbehörde darf naheliegende Ermittlungsansätze nicht außer Acht lassen


Das OVG hat die Auflage zur Führung eines Fahrtenbuchs aufgehoben. Die wesentlichen Überlegungen der Berufungsinstanz:
 
Grundsätzlich keine unzumutbaren Ermittlungen erforderlich
 
Eine Fahrtenbuchauflage kommt nur dann infrage, wenn die Täterfeststellung ohne Hilfe der Halterin unmöglich gewesen wäre. Diese Voraussetzung lag hier jedoch nicht vor. Dabei berief sich das OVG auf die Rechtsprechung des BVerwG. Demnach ist es der Behörde zwar grundsätzlich nicht zuzumuten, zeitraubende Ermittlungen mit geringen Erfolgsaussichten durchzuführen.
 
Aber naheliegende Ermittlungsansätze sind durchzuführen
 
Gibt es jedoch Ermittlungsansätze, denen mit wenig Aufwand nachgegangen werden kann, muss die Behörde diese Möglichkeiten auch ausschöpfen. Daran fehlt es in dem Streitfall, was das Gericht wie folgt begründete:
 
  • Klares Tat-Foto vorhanden: Das Radarfoto zeigte einen gut erkennbaren jungen Mann als Fahrer.
  • Zeugnisverweigerungsrecht als weiterer Hinweis auf den Fahrer: Zudem machte die Klägerin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Dies sprach für einen Täter aus dem Familienkreis. Deshalb hätte es nahegelegen, bei der Meldebehörde anzufragen, ob unter der Anschrift der Klägerin Familienangehörige wohnen, die entsprechend ihres Alters und Geschlechts als Fahrer in Betracht kommen.
  • Lichtbildabgleich möglich: Aufgrund dieser Information hätte das Radarfoto ohne großen Aufwand mit den Lichtbildern aus dem Personalausweisregister verglichen werden können. Ein solches Vorgehen ist in Verfahren dieser Art üblich und hätte im Streitfall einen Tatverdacht gegen den Sohn der Klägerin begründet. 
Das OVG hat die Revision zum BVerwG nicht zugelassen.
 
Quelle: PM des OVG Nordrhein-Westfalen vom 31.05.2023 zur Entscheidung vom selben Tag – 8 A 2361/22 VG Köln 18 K 3600/22


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(ESV/bp)

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