Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

Laut BGH darf die Mutter ihrer zur Adoption freigegebenen Tochter nicht die Auskunft über den leiblichen Vater verweigern (Foto: JackF / stock.adobe.com)
Familienrechtlicher Auskunftsanspruch

BGH zum Anspruch des Adoptivkindes gegen Kindesmutter auf Benennung des leiblichen Vaters

ESV-Redaktion Recht
21.01.2022
Wann hat ein Adoptivkind gegen seine leibliche Mutter einen Anspruch auf Auskunft über die Identität des leiblichen Vaters? Hierüber und über die Frage, welche Inhalte ein solcher Anspruch haben kann, hat der BGH aktuell entschieden.
In dem Streitfall verlangte die 1984 geborene Antragstellerin von ihrer leiblichen Mutter Auskunft über die Person des leiblichen Vaters. Die Mutter, die ihre Schwangerschaft erst im siebten Monat bemerkte, war bei der Geburt 16 Jahre alt. Ihre Tochter wurde später von einem Ehepaar adoptiert.
 
Ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren im Jahr 1985 und ein außergerichtlicher Vaterschaftstest mit einem weiteren Mann blieben ohne Erfolg. Ende 2003 vermittelte das Jugendamt den Kontakt zwischen Mutter und Tochter. Im März 2018 forderte die Tochter ihre Mutter außergerichtlich dazu auf, Namen und Anschrift des leiblichen Vaters zu benennen. Da dieses Ansinnen keinen Erfolg hatte, leitete sie vor dem AG Stuttgart ein gerichtliches Verfahren ein.  
 
Die Ausgangsinstanz wies ihren Antrag zurück. Demnach ist der Antragsgegnerin die Auskunftserteilung unmöglich. Die Beschwerdeinstanz – das OLG Stuttgart – änderte die Entscheidung der Vorinstanz ab und verpflichtete die Mutter antragsgemäß dazu, ihrer Tochter alle Männer mit vollständigem Namen und Adresse zu benennen, die der Mutter in der Empfängniszeit beigewohnt hatten. Gegen die Entscheidung des OLG Stuttgart zog die Mutter mit einer Rechtsbeschwerde vor den BGH.

Der kostenlose Newsletter Recht – Hier können Sie sich anmelden! 
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.

 

BGH: Auskunftsanspruch ergibt sich aus 1618 a BGB

Die Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg. Nach Auffassung des XII. Zivilsenats des BGH ergibt sich der Anspruch auf Auskunft aus 1618 a BGB. Nach dieser Norm schulden Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht, obwohl diese keine konkreten Sanktionen bei einem Verstoß vorsieht. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:
 
  • Der Ausgangspunkt – das allgemeine Persönlichkeitsrecht: Bei der Auslegung der Norm ist zu berücksichtigen, dass der Staat aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dazu verpflichtet ist, der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen Rechnung zu tragen. Bei der dann vorzunehmenden Interessenabwägung hatte der Auskunftsanspruch Vorrang vor dem Anspruch auf Vorenthaltung der verfügbaren Informationen über die eigene Abstammung.
  • Kein Vergleich mit Anspruch des Scheinvaters gegen Kindesmutter auf Auskunft über Identität des leiblichen Kindesvaters: Diese Fallgruppe ist dem Senat zufolge auch nicht vergleichbar mit dem Anspruch des sogenannten Scheinvaters gegen die Kindesmutter auf Auskunft über den leiblichen Vater. Einen solchen Anspruch habe das BVerfG mangels ausdrücklicher Regelung abgelehnt, weil es hier allein um finanzielle Interessen geht, so der Senat. Demgegenüber stärkt der Auskunftsanspruch das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, das eine erhebliche verfassungsrechtliche Bedeutung hat.
  • Adoption der Tochter schließt Auskunftsanspruch nicht aus: Unerheblich ist dabei auch, dass die Kindesmutter aufgrund der Adoption nicht mehr die rechtliche Mutter ihrer Tochter ist. Das Auskunftsschuldverhältnis ist nämlich schon vor der Adoption entstanden. Anderenfalls, so der Senat weiter, würde eine Adoption zu einer Schlechterstellung gegenüber nicht adoptierten Kindern führen.
  • Keine relevanten Gründe gegen Anspruch auf Auskunft: Zudem hatte die Mutter gar nicht bestritten, dass der Auskunftsanspruch grundsätzlich besteht. Ebenso wenig hatte sie relevante Aspekte vorgetragen, die gegen ihre Auskunftsverpflichtung sprechen.
  • Auskunftspflicht nicht erfüllt: Auch mit ihrer Mittelung, dass sie sich an keinen möglichen Erzeuger erinnern könne, hat die Mutter ihre Pflicht zur Auskunft nicht erfüllt. Darüber hinaus hatte sie nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung nach Einholung von zumutbaren Erkundigungen unmöglich ist. Vielmehr benannte die Vorinstanz der Mutter zahlreiche erfolgversprechende Kontaktmöglichkeiten, von denen die Mutter Hinweise zu etwaigen leiblichen Vätern hätte erhalten können.
Quelle: PM des BGH vom 19.01.2022 zum Beschluss vom selben Tag – XII ZB 183/21


Familienrecht heute im Paket

Zum attraktiven Paketpreis! Familienrecht heute – Scheidung- und Scheidungsfolgen. Kindschaftsrecht. Unterhaltsrecht. Vermögensrecht.

Vier Einzeldarstellungen für die familienrechtliche Praxis von Jochen Duderstadt:

  • Scheidung und Scheidungsfolgen: Die Hauptsache im Scheidungsverbund mit allen wichtigen Aspekten. Ebenfalls: Rechtsfolgen nach Scheitern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. On top: Härtefallscheidung, Eheaufhebung, Ausübungskontrolle bei Eheverträgen.
  • Kindschaftsrecht: Im Kontext von Trennung und Scheidung aber auch mit Fokus auf andere wichtige Fragen wie religiöse Erziehung und Teilhabe von Vätern nichtehelicher Kinder. On top: Kriterien der Alleinsorge, Mietmutterschaft, das gesamte Namensrecht
  • Unterhaltsrecht: Materielles Recht, wichtige Prozessprobleme und zahlreiche Rechenbeispiele, die das Verständnis besonders schwieriger Konstellationen erleichtern. On top: Ersatzhaftung von Großeltern, Verwirkung des Elternunterhalts, Anteilshaftung beim Wechselmodell
  • Vermögensrecht: Lösungen für alle materiellrechtlichen und prozessualen Probleme inklusiver vieler Rechenbeispiele. Auch für die nichteheliche Lebensgemeinschaft. On top: Rückabwicklung ehebedingter Zuwendungen wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage, Ansprüche gegen Dritte im Zugewinnausgleich, Goodwillbewertung, Verwirkung im Güterrecht, Anrechnung von Vorausempfängen. 
Klar gegliedert, verständlich und rundum praxistauglich. Angereichert mit zahlreichen aktuellen Beispielen aus der Rechtsprechung und vielen pointierten, kritischen Stellungnahmen zu verschiedenen juristischen Streitfragen  – auch solchen, die oft vernachlässigt werden. 

Und last but not least: Der unterhaltsame Stil macht die Bücher zu einer gut zugänglichen Arbeitshilfe – für Juristen wie Nichtjuristen!
Verlagsprogramm  Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht 

 
(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht