Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski: „Der Energiehandel wird in Zukunft immer stärker in erneuerbaren Energien stattfinden“
Dr. Andreas Schuler: Das Besondere am Energiemarkt ist, dass im Unterschied zu vielen anderen Commodity-Märkten ein zentrales Produkt, Strom nämlich, immer in genau der Menge vorhanden sein muss, in der es nachgefragt wird. Das bedeutet Strom ist nicht speicherbar. Wird er zu einem Zeitpunkt erzeugt, indem er nicht verbraucht wird, so kann er nur relativ aufwändig durch Umwandlung und spätere Rückumwandlung – z.B. mittels Pumpspeicherkraftwerken oder langfristig mittels Batterien oder Wasserstoff – für einen späteren Zeitpunkt nutzbar gemacht werden. Dies ist ein Grund, warum der Strommarkt so dynamisch ist und es zu diesen hoch volatilen Preisen kommt. In diesem Zusammenhang zu erwähnen ist auch das Wetter, das früher im Wesentlichen die Nachfrage stark beeinflusste. Heute – mit steigender regenerativer Erzeugung aus Wind und Sonne – werden sogar beide Seiten, also Nachfrage und Angebot – durch das Wetter sehr merklich beeinflusst. Dann spielen für die Dynamik des Marktes auch noch die ganzen politischen Entscheidungen, hier wäre insbesondere deren Einfluss auf die CO2-Preise zu nennen, eine große Rolle.
Frank Scholz: Auch für andere konventionelle Energieträger, wie Öl, Kohle und Gas, kann man die politischen Risiken und starke Schwankungen insbesondere bei der Nachfrage, zum Teil aber auch beim Angebot, was mit hoher Volatilität einhergeht, als charakteristisch ansehen. Auch hier kommt also die Dynamik aus der starken Fluktuation von Angebot und Nachfrage und aus dem politischen Umfeld.
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Frank Scholz: Dann natürlich auch noch Netzbetreiber, die sich mit bestimmten Produkten eindecken, um die Stabilität der Versorgung jederzeit sicherstellen zu können. Für Händler und die Betreiber konventioneller Kraftwerke können natürlich auch die Geschäftsfelder der Brennstoffeinkäufe unterschiedlicher Energieträger eine große Rolle spielen. Die Produkte werden entweder OTC oder an Börsen gehandelt.
Zu den Personen |
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Der Handel an der Börse erfolgt unter Verwendung standardisierter Produkte und unter genau vorgegebenen und überwachten Rahmenbedingungen. Ein Vorteil des Börsenhandels ist, dass durch Margining das Kreditrisiko minimiert wird. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Standardisierung häufig zu einer hohen Liquidität führt und durch hohe Preistransparenz gekennzeichnet ist. Das macht es auch einfacher, verlässliche Risikokennzahlen zu bestimmen. Der Vorteil des OTC-Handels ist im Wesentlichen, dass die Produkte sehr genau auf individuelle Bedürfnisse angepasst werden können.
Herr Prof. Dr. Schwintowski, wie haben sich andere neue Technologien – wie Blockchain, Smart-Contracts, FinTechs oder Legal Tech – bisher auf den Energiemarkt ausgewirkt?
Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski: Diese modernen Technologien und Konzepte haben bisher sehr wenig Einfluss auf den Energiehandel. Es wird über Handelsplattformen zur Peer to Peer Belieferung zwischen Prosumern nachgedacht. Diese Belieferungsprozesse sollen durch eine Blockchain verifiziert werden. Ob das den Handel mit Energie spürbar beeinflussen wird, erscheint aber eher fraglich. Und zwar auch deshalb, weil diese Formen des Handels mit Kleinstmengen zu hohe Transaktionskosten verursachen.
Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski: Ja, das Grundkonzept des Werkes wird beibehalten. Auf der einen Seite geht es um die Geschäftsprozesse und auf der anderen Seite um die rechtlichen Rahmenbedingungen. Anders lässt sich der Energiehandel kaum sinnvoll darstellen, weil die Geschäftsprozesse ohne Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen letztlich nicht funktionieren.
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Geschäftsprozesse werden auch im Energiehandel vom Risikomanagement begleitet. Das gilt auch – oder erst Recht – in Zeiten von Corona. Herr Dr. Schuler, Herr Scholz, wie bleiben Energieunternehmen in solchen Großkrisen aktionsfähig?
Dr. Andreas Schuler: Ganz generell kann man feststellen, dass Großrisiken ein wesentlicher Bestandteil des Risikoinventars eines Energieunternehmens darstellen. Daher sollten Ereignisse wie Corona in der einen oder anderen Weise bei der Risikoaggregation berücksichtigt gewesen sein und auch bei der Ermittlung der Risikotragfähigkeit eine Rolle gespielt haben. Der wesentlich Punkt bei einer Pandemie aus Risikosicht ist es unseres Erachtens, die Versorgung sicher aufrecht zu erhalten. Hierfür gibt es natürlich Notfallpläne.
Auch für operationelle Risiken im Ablauf des Großhandels gibt es Notfallpläne und es werden Redundanzen – z.B. bei IT-Infrastruktur oder auch was Räume anbelangt – aufgebaut. Bezüglich Corona ganz konkret gab es natürlich dennoch auch im Energiehandel Anpassungsbedarf, der so nicht vorgesehen war. So wurde zum Beispiel vor Corona strikt geregelt, von wo aus Energiegeschäfte im Großhandel getätigt werden müssen. Das war in der Regel der Handelsraum. Corona erforderte hier jedoch Flexibilität und eine Risikoabwägung und führte letztendlich dazu, dass auch die sonst durch die Dynamik des Marktgeschehens charakterisierten Floors verwaist waren und das Handelsgeschäft vollständig oder fast vollständig aus dem Homeoffice betrieben wurde.
Welche Änderungen, Herr Prof. Dr. Schwintowski, ergeben sich durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) und durch das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG)?
Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski: Die neuen Regelungen werden heute im Energierecht weitgehend schon praktiziert. Das gilt insbesondere für das neu eingeführte Frühwarnsystem, bei dem die Energiewirtschaft für andere Branchen eher beispielgebend sein könnte. Deshalb werden diese Gesetze für den Energiehandel nur geringfügige Auswirkungen haben.
Was hat sich im Aufsichtsrecht seit der Vorauflage im Wesentlichen geändert und welche besondere Rolle kann die Finanzaufsicht spielen?
Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski: Das Aufsichtsrecht über den Energiehandel hat sich im Großen und Ganzen bewährt und ist in den letzten Jahren kaum verändert worden.
Ihr Ausblick: Wie wird sich das Recht des Energiehandels weiterentwickeln und welchen Beitrag kann diese Rechtsmaterie zum Klimaschutz leisten?
Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski: Der Energiehandel wird in Zukunft immer stärker in erneuerbaren Energien stattfinden, auch wegen der zunehmenden E–Mobilität.
Den Klimaschutz fördert der Energiehandel deshalb, weil er dazu beiträgt, die fluktuierende Erzeugung aus erneuerbaren Energien effizient mit der Nachfrage zu verbinden.
Handbuch EnergiehandelHohe Regulierungsdichte, intensiver Wettbewerb: Kaum ein Wirtschaftszweig war auch schon vor Corona so risikobehaftet und dynamisch wie der Handel mit knappen Energierohstoffen. Mit neuen krisenbedingten Effekten etwa auf den Energieverbrauch oder die Liquidität/Bonität vieler Unternehmen verbinden sich jetzt zusätzliche, positive wie negative Handelsauswirkungen – und völlig neue Herausforderungen für alle beteiligten Energiehändler und Entscheidungsträger.
Viele Grafiken, Beispiele und ein Glossar sorgen für hohen praktischen Nutzen.
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