Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

Prof. Dr. Hebeler: „Mehr Beteiligungsrechte des Personalrats beim Homeoffice sollten für die Zukunft auf der Reformagenda stehen“ (Foto: privat)
Reform des Bundespersonalvertretungsgesetzes

Prof. Dr. Hebeler: „Wichtige Änderungen wurden so vollzogen, dass Personalratssitzungen digital stattfinden können“

ESV-Redaktion Recht
20.07.2021
Seit dem 15.06.2021 gilt die Neufassung des Bundespersonalvertretungsgesetzes. Gegenstand der Reform sind die Digitalisierung der Arbeit des Personalrats, erweiterte Mitspracherechte oder Änderungen der Regelungen zum Wahlrecht. Über die Neuerungen hat sich die ESV-Redaktion mit Prof. Dr. Timo Hebeler, Universität Trier, unterhalten.

Herr Prof. Dr. Hebeler, was ist der Hintergrund der Reform?

Prof. Dr. Hebeler: Auf Bundesebene war im Personalvertretungsrecht seit geraumer Zeit ein großer „Reformstau“ entstanden. Das bisherige Bundespersonalvertretungsgesetz stammte aus dem Jahr 1974 und wurde seither nur an wenigen Stellen geändert. Der Hauptgrund für die Zögerlichkeit des Gesetzgebers dürfte – über alle Regierungskonstellationen und damit auch politischen Mehrheitsverhältnisse auf Bundesebene hinweg – darin zu sehen sein, dass die Frage nach dem „richtigen Maß“ an Beteiligungsrechten des Personalrats stets eine politisch umstrittene ist. Im zwischen CDU/CSU und SPD geschlossenen Koalitionsvertrag für die jetzt zu Ende gehende 19. Legislaturperiode war vereinbart worden, das Bundespersonalvertretungsgesetz zu ändern; freilich gab es keine näheren Festlegungen dazu, welche Inhalte die Änderungen haben sollten.

Im letzten Jahr der 19. Legislaturperiode nahm das Gesetzgebungsverfahren dann noch Fahrt auf und das Bundespersonalvertretungsgesetz wurde letztlich noch vor Ablauf der Legislaturperiode geändert. Dass die jetzt vollzogene Novellierung ein ganz bestimmtes sachlich-inhaltliches politisches Hauptanliegen verfolgt hat, lässt sich nicht sagen. Es ist vielmehr so, dass an vielen Stellen des Gesetzes der aufgelaufene Reformstau durch zahlreiche Einzelanpassungen bewältigt wurde.

Ein wesentlicher Bestandteil der Änderungen ist die Digitalisierung der Personalratsarbeit. Können Sie kurz skizzieren was damit im Wesentlichen gemeint ist?

Prof. Dr. Hebeler: Die Einschätzung, dass die Digitalisierung einen wesentlichen Faktor der Änderungen darstellt, ist insgesamt sicherlich zutreffend. Jedoch muss man insoweit differenzieren:

Wichtige Änderungen wurden dahingehend vollzogen, dass Personalratssitzungen (und ferner im Übrigen auch Personalversammlungen) digital stattfinden können und dass die Arbeitsweise zwischen Dienststellenleitung und Personalrat nunmehr für elektronische Kommunikationsaspekte geöffnet wurde; so muss sich die Kommunikation nicht mehr wie bislang „schriftlich“ und somit papierbasiert vollziehen, sondern verschiedentlich wurde die elektronische Form (also insbesondere der E-Mail-basierte Austausch) ermöglicht.

Auf der anderen Seite ist es so, dass die Digitalisierung auch fundamentale Auswirkungen auf die Situation der Beschäftigten in den Dienststellen hat. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Wenn ein Beschäftigter wünscht, vermehrt seine dienstliche Tätigkeit in Form von Homeoffice zu verrichten  – dies kann regelmäßig lediglich mithilfe elektronischer Arbeitsmittel erfolgen, worin der „Digitalisierungsbezug“ zu sehen ist – und einen entsprechenden Antrag in der Dienststelle stellt, so fragt sich, ob bei diesem Vorgang dem Personalrat ein Beteiligungsrecht ggf. sogar in der stärksten Form des Mitbestimmungsrechts zukommt. In dieser Hinsicht ist der Reformgesetzgeber sehr zurückhaltend geblieben und hat keine grundlegenden Änderungen im Bereich der Beteiligungsrechte vollzogen. So besteht für das angeführte Beispiel nach wie vor kein spezielles Beteiligungsrecht. Solche Aspekte stehen daher auch nach der jüngst vollzogenen Novellierung für die Zukunft auf der Reformagenda.
 
Zur Person
Prof. Dr. Timo Hebeler ist Professor für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Verwaltungswissenschaft an der Universität Trier.

Darüber hinaus ist er Autor des Werkes „Das neue Bundespersonalvertretungsgesetz, das im August 2021 im Erich Schmidt Verlag erscheinen wird. Zudem ist er Autor in mehreren personalvertretungsrechtlichen und beamtenrechtlichen Erläuterungswerken sowie Schriftleiter der Zeitschrift Die Personalvertretung“.

 
Wer entscheidet darüber, ob die Personalratssitzung digital oder in Präsenz durchgeführt werden soll?

Prof. Dr. Hebeler: Die Präsenzsitzung ist nach dem novellierten Recht der Regelfall (§ 38 Abs. 3 Satz 1 BPersVG). Die Personalratssitzung kann vollständig oder unter Zuschaltung einzelner Personalratsmitglieder mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden, wenn

  • erstens vorhandene Einrichtungen genutzt werden, die durch die Dienststelle zur dienstlichen Nutzung freigegeben sind,
  • zweitens nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder oder die Mehrheit der Vertreterinnen und Vertreter einer Gruppe des Personalrats widerspricht
  • und drittens der Personalrat geeignete organisatorische Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können (§ 38 Abs. 3 Satz 2 BPersVG).
Hervorzuheben sind angesichts dieser Regelungen zwei Dinge:

Erstens hat es der Personalrat selbst in der Hand zu entscheiden, ob er digitalisierungsbasierte Sitzungen durchführt, d.h. dies kann nicht von der Dienststellenleitung angeordnet werden.

Zweitens gelten die genannten Durchführungsvoraussetzungen zeitlich unbeschränkt. Im Gesetzgebungsverfahren war zunächst eine befristete Geltung vorgesehen; nur bis zum vermuteten Ende der Corona-Pandemie sollten die entsprechenden Regelungen gelten. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hat sich der Gesetzgeber jedoch entschlossen, die Regelungen unbefristet auszugestalten.

Und was ändert sich bei Sprechstunden des Personalrats oder den Einigungsstellensitzungen?

Prof. Dr. Hebeler: Auch Sprechstunden können nunmehr mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden (§ 45 Abs. 3 BPersVG). Voraussetzung dafür ist, dass dies in der Geschäftsordnung, die der Personalrat beschließt, entsprechend vorgesehen ist. Das Einigungsstellenverfahren wurde vor allem in gesetzessystematischer Hinsicht umgestaltet; die einschlägigen Regelungen wurden teilweise neu gegliedert und sind nunmehr besser lesbar. Sachlich-inhaltlich hat sich im Einigungsstellenverfahren kaum etwas geändert. Für die Art und Weise der Durchführung der Sitzungen der Einigungsstelle gilt, dass auch dort die Präsenzform der Normalfall ist, jedoch ist auch eine Verhandlung und Beschlussfassung mittels Video- oder Telefonkonferenz nunmehr zulässig; die einschlägige Regelung (§ 74 Abs. 5 BPersVG) verweist insoweit auch auf die Regelungen für Personalratssitzungen.

Die Reform sieht auch die Einführung von Übergangspersonalräten vor. Was ist der Grund hierfür und wie wird dies praktisch umgesetzt?

Prof. Dr. Hebeler: Insoweit gab es bislang im Bundespersonalvertretungsgesetz eine Regelungslücke. Wenn Organisationsveränderungen innerhalb des Geschäftsbereichs einer obersten Dienstbehörde erfolgten, konnte dies nach bisherigem Recht dazu führen, dass ein Personalrat aufhörte zu existieren, da dessen Existenz an den Bestand der Dienststelle gebunden war. Nunmehr ist es so, dass § 29 BPersVG sehr detaillierte Regelungen dazu trifft, dass bei bestimmten Organisationsmaßnahmen der Personalrat in Form eines Übergangsmandats die Geschäfte weiterführt und somit keine „personalratslose Situation“ entsteht. Die praktische Umsetzung ist angesichts der im Detail zahlreichen möglichen Fallkonstellationen unterschiedlich und sehr ausdifferenziert ausgestaltet.

Kurz gesagt besteht das Grundprinzip in Folgendem: Die Organisationsveränderungen führen regelmäßig dazu, dass zwar der alte Personalrat „eigentlich“ keine Daseinsberechtigung mehr hat, gleichzeitig durch die Organisationsveränderungen aber neue Dienststellen entstehen, die daher auch neue Personalräte benötigen. Daher bleibt der Übergangspersonalrat vom Grundprinzip her nur vorübergehend im Amt und es sind für die neu entstandene Dienstelle möglichst zügig Wahlen anzuberaumen; sind diese vollzogen, löst der neue Personalrat den (alten) Übergangspersonalrat ab.

Kommen wir zu den Mitspracherechten der Personalvertretungen. Diese sollen ja gestärkt werden. Welche Bereiche betrifft dies besonders und woran würden Sie die Stärkungen ausmachen?

Prof. Dr. Hebeler: Die Mitspracherechte der Personalvertretungen stellen generell das Herzstück des Personalvertretungsrechts dar. Vergleicht man die in diesem Bereich vollzogenen Änderungen mit den übrigen Novellierungen, so muss man feststellen, dass die Beteiligungsrechte in sachlich-inhaltlicher Hinsicht gerade keine grundlegende Neuausgestaltung erfahren haben. Stattdessen wurden hier lediglich punktuelle Neuerungen vollzogen.

Ein Beispiel: Für „Grundsätze des behördlichen oder betrieblichen Gesundheits- und Eingliederungsmanagements“ (so die Formulierung in § 80 Abs. 1 Nr. 17 BPersVG) ist ein neues Mitbestimmungsrecht eingeführt worden. Von einer echten, grundlegenden Stärkung der Beteiligungsrechte kann daher meines Erachtens nach nicht die Rede sein. Hinzuweisen ist jedoch auf die deutliche gesetzessystematische Umgestaltung der Beteiligungsrechte in den §§ 62 ff. BPersVG. Zahlreiche Normen wurden im Hinblick auf die Absatz-, Satz- und Nummernstruktur umgestaltet. Dieser Umstand wird für erfahrene Personalvertretungsrechtlern/innen für eine geraume Zeit eine Umgewöhnung im Umgang mit dem Bundespersonalvertretungsgesetz bedingen.

Der kostenlose Newsletter Recht – Hier können Sie sich anmelden! 
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.


Ebenso können die Fristen im Beteiligungsverfahren flexibler gestaltet werden und es soll neue schärfere Reaktionsfristen für die Dienststellen geben. Was soll damit erreicht werden?

Prof. Dr. Hebeler: Für das Mitbestimmungsverfahren (§ 70 Abs. 3 Satz 3 BPersVG) sowie das Mitwirkungsverfahren (§ 81 Abs. 2 Satz 2 BPersVG) und bei diesen beiden jeweils auch für das Stufenverfahren (§ 71 Abs. 1 Satz 2, § 82 Abs. 1 Satz 3 BPersVG) können Fristen vereinbart werden, die von den gesetzlichen (Regel-) Fristen abweichen. Die Gesetzesbegründung führt für diese Möglichkeiten an, dass die flexible Gestaltung der Fristen bei komplexen Sachverhalten oder bei der ungewöhnlichen Häufung von Beteiligungsverfahren unter Berücksichtigung dienststellenspezifischer Gegebenheiten eine adäquate Frist ermöglichen soll. Auch die Reduzierung des Zeitdrucks wird in der Gesetzesbegründung explizit zur Sprache gebracht. Es bleibt abzuwarten, ob von diesen Möglichkeiten in der Praxis in größerem Umfang Gebrauch gemacht wird.

Neuerungen gibt es zudem noch beim Wahlrecht. Können Sie die Kernpunkte kurz skizzieren?

Prof. Dr. Hebeler: Auch jugendliche Beschäftigte sind nunmehr für die Wahlen zu den Personalvertretungen wahlberechtigt. Der Gesetzgeber sah den bisherigen Ausschluss als nicht mehr zeitgemäß an. Der bisherige Ausschluss des aktiven und passiven Wahlrechts von Beschäftigten, die am Wahltag seit mehr als sechs Monaten unter Fortfall der Bezüge beurlaubt sind, wurde ebenfalls aufgehoben. Ferner wurde die Altersgrenze für das aktive und passive Wahlrecht zu den Jugend- und Auszubildendenvertretungen für die Auszubildenden aufgehoben. 

Ein Wort zu Ihrem Werk, „Das neue Bundespersonalvertretungsgesetz“, das im August 2021 im Erich Schmidt Verlag erscheinen wird. Was zeichnet dieses aus und worauf haben Sie besonderen Wert gelegt?
 
Prof. Dr. Hebeler: Da die Änderungen durch das neue Bundespersonalvertretungsgesetz im Vergleich zum bisherigen Recht sehr zahlreich sind (vor allem im Hinblick auf die Gesetzessystematik), ist es auch für erfahrene Personalvertretungsrechtler/innen ohne Hilfsmittel recht zeitaufwändig, sich die erfolgten Änderungen zu erschließen. Eine möglichst exakte Gegenüberstellung des neuen Recht mit dem alten Recht mittels einordnender Hinweise für die Rechtspraxis sollte daher mit einem erheblichen Nutzen verbunden sein. Genau dies möchte das Buch leisten.

Ihr Ausblick: Wie bewerten Sie die Reform. Kann sie Ihre Ziele erreichen oder sehen Sie weiteren Nachholbedarf?

Prof. Dr. Hebeler: Wie soeben bereits in anderem Kontext angedeutet, ist der Komplex „Digitalisierung“ nur teilweise in gründlicher Form bewältigt worden. Insbesondere die Frage, inwieweit Maßnahmen mit Digitalisierungsbezug in Dienststellen in der Zukunft Beteiligungsrechte auslösen sollten, wird weiterhin auf der Reformagenda stehen.


Das novellierte Recht einfach anwenden

Das neue Bundespersonalvertretungsgesetz

Eine in Teilen geänderte Gesetzessystematik, die ersatzlose Streichung bzw. die komplette Neuaufnahme einzelner Regelungen, eine in weiten Teilen neue Paragrafennummerierung: Das Buch arbeitet jede Änderung auf, die Sie nach der grundlegenden Novelle des Bundespersonalvertretungsgesetzes ab sofort beachten und in der täglichen Berufspraxis rechtssicher anwenden müssen – kompakt und handlich, in Form einer Synopse.

Nutzungsorientierte Zuordnung neu - alt

  • Zur optimalen Übersicht erfolgt die Gegenüberstellung des neuen und alten Rechts nicht nur paragrafengenau, sondern absatz-, satz- und nummerngenau.
  • In die Synopse integrierte Anmerkungen zu jedem neuen Paragrafen konzentrieren sich auf die praxisrelevanten Änderungen im Vergleich zur bisherigen Gesetzeslage. Sie beziehen die Gesetzesbegründung ein und bieten dem Leser eine klare Einordnung der jeweiligen Neuregelung.
  • Für den Gesamtüberblick sind in der Einführung noch einmal die wichtigen Stationen des Gesetzgebungsverfahrens dargestellt.

Blitzschnelle Zuordnung alt - neu

Auch erfahrenen Personen, die seit langem mit dem Bundespersonalvertretungsrecht befasst sind, erleichtert das Buch den Einstieg in das novellierte Recht deutlich! Die umgekehrte Kurzsynopse der alten zu den neuen Vorschriften gibt schnell die notwendige Sicherheit.

Verlagsprogramm  Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht 

Auch interessant

14.12.2016
BGH: Falsche Zuordnung von Erfahrungsstufen nach TVöD kann strafbare Untreue sein

Ein Bürgermeister muss bei der Einstellung neuer Mitarbeiter angemessene Erfahrungsstufen nach dem TVöD zuordnen. Verstößt er gegen diese Pflicht, kann dies eine strfbare Untreue sein. Dies hat der BGH in einem richtungsweisenden Urteil entschieden. mehr …


(ESV/bp)

Programmbereich: Öffentliches Dienstrecht