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Diesmal steht die finanzielle Eingliederung im Fokus des BFH (Photo: MQ-Ilustrations/ Adobe Stock)
Neues aus der Rechtsprechung des BFH

Quo vadis, umsatzsteuerliche Organschaft?

ESV-Redaktion Steuern
23.03.2023
Die umsatzsteuerliche Organschaft bleibt im Fokus der deutschen und europäischen Rechtsprechung. Nun hat der BFH seine Rechtsauffassung zur finanziellen Eingliederung geändert und ein neues Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet.

Wieder einmal befasst sich der BFH im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH mit den Voraussetzungen und Konsequenzen einer umsatzsteuerlichen Organschaft.

Urteil vom 18. Januar 2023

Mit dem Urteil vom 18.01.2023 – XI R 29/22 (XI R 16/18) sieht der BFH die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergebende Steuerschuldnerschaft des Organträgers für die Umsätze der Organschaft weiterhin als unionsrechtskonform an. Dies war vormals zweifelhaft gewesen. Die vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen für die Anerkennung der Organschaft im Sinne einer sog. finanziellen Eingliederung, nämlich die Willensdurchsetzung und keine Gefahr von Steuerausfällen, sind gewährleistet, da der BFH schon bisher die Möglichkeit der Willensdurchsetzung verlangt und die Organgesellschaft nach § 73 AO für die Umsatzsteuer des Organträgers haftet.

Beim Kriterium der Willensdurchsetzung definiert der BFH allerdings nun seine Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung neu. Grds. ist für die Annahme einer Organschaft zwar weiter erforderlich, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zusteht. Eine finanzielle Eingliederung liegt nun aber explizit auch dann vor, wenn der Gesellschafter zwar über nur 50 % der Stimmrechte verfügt, die erforderliche Willensdurchsetzung bei der Organgesellschaft aber dadurch gesichert ist, dass er eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt.

EuGH-Vorlage vom 26. Januar 2023

Mit dem Beschluss vom 26.01.2023 – V R 20/22 (V R 40/19) fragt der BFH den EuGH, ob dieser an der bisherigen Annahme der Nichtsteuerbarkeit sog. Innenumsätze weiter festhält. Dies ist bereits das zweite Vorabentscheidungsersuchen in dieser Sache, bei dem es nunmehr um eine Frage geht, die aufgrund der ersten Entscheidung des EuGH in diesem Verfahren zweifelhaft geworden ist.

Die Umsätze zwischen den Mitgliedern einer Organschaft unterliegen nicht der Umsatzsteuer, weil die Organgesellschaft als „unselbständiger“ Teil im Gesamtunternehmen des übergeordneten Organträgers angesehen wird. So hat es bereits der Reichsfinanzhof vor über 100 Jahren gesehen, die Rechtsprechung wurde dann vom Gesetzgeber in das UStG übernommen. Allerdings ist diese Betrachtungsweise nun zu überdenken, da der EuGH die Organgesellschaft als selbstständig ansieht und die Organschaft nach seiner Rechtsprechung nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führen darf. Letzteres könnte zu bejahen sein, wenn der die Leistung von der Organgesellschaft beziehende Organträger, wie im konkreten Streitfall, nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Sollte der EuGH nun entscheiden, dass Innenumsätze entgegen der ständigen BFH-Rechtsprechung gleichwohl steuerbar sind, hätte dies weitreichende und bedeutsame  Folgen. Denn umsatzsteuerrechtlich dient die Organschaft als Gestaltungsinstrument für Unternehmer, die nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind (z.B. Banken und Versicherungen, Unternehmer im Gesundheits- und Sozialwesen und im Bildungsbereich sowie Vermieter von Wohnungen).

So konnten sich bisher nichtabziehbare Vorsteuerbeträge bei solchen Unternehmen dadurch vermeiden lassen, dass diese mit Dienstleistern Organschaften begründen, so dass die bezogenen Leistungen nicht steuerbar sind. Es bleibt fraglich, ob dies in Zukunft weiterhin möglich ist.

Quelle: PM 019/23 - Urteil des BFH vom 18.01.2023 - XI R 29/22 (XI R 16/18); Beschluss des BFH vom 26.01.2023 - V R 20/22 (V R 40/19)

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(ESV/cmx)

Programmbereich: Steuerrecht