Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

Unser wöchentlicher Wegweiser im Djungel der gerichtlichen Instanzen (Foto: kamasigns/Fotolia.com)
Übersicht der Woche

Rechtsprechung: Neues aus Erfurt, Karlsruhe, Dortmund und Heilbronn

ESV-Redaktion Recht
20.05.2016
Das Bundesarbeitsgericht schränkt das Recht auf einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz ein. Mit der Anhörung im Betreuungsverfahren befasste sich das Bundesverfassungsgericht. Weitere wichtige Entscheidungen gab es zur Scheinselbständigkeit, zu Leistungskürzungen bei ALG 2 und zur Störerhaftung eines WLAN-Betreibers.




Bundesarbeitsgericht: Recht auf tabakrauchfreien Arbeitsplatz gilt nicht uneingechränkt

Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz, der frei ist von Tabakrauch. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zwar muss der Arbeitgeber nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbStättV die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit Nichtraucher vor den Gesundheitsgefahren geschützt werden. Bei Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr muss der Arbeitgeber nach § 5 Abs. 2 ArbStättV Schutzmaßnahmen aber nur in dem Umfang treffen, wie die Erfordernisse des Betriebs und die Art der Beschäftigung dies zulassen.

In dem vorliegenden Fall betrieb die Beklagte ein Spielcasino in Hessen. Der Kläger arbeitete dort durchschnittlich zwei mal in der Woche jeweils sechs bis zehn Stunden in einem abgetrennten Raucherraum. Das Rauchen war den Gästen nur dort und im Barbereich gestattet. Zudem hatte der Raucherraum eine Klimaanlage und eine Be- und Entlüftungsanlage. Der Kläger verlangte von der Beklagten, dass sie ihm ausschließlich einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz zur Verfügung stellt. In den Vorinstanzen hatte der Kläger damit keinen Erfolg. Die Beklagte berief sich auch auf die Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 5 Nr. 5 des HessNRSG. Diese Norm ermöglicht das Rauchen in Spielbanken. 

Auch die Revision des Klägers vor dem Bundesarbeitsgericht war erfolglos. In ihrem Urteil vom 10.05.2016 haben die obersten deutschen Arbeitsrichter den Anspruch auf einen tabakrauchfreien Abreitsplatz eingeschränkt. Die Richter aus Erfurt sind der Meinung, dass die Beklagte ihre Verpflichtungen mit der baulichen Trennung des Raucherraums, der Be- und Entlüftung und der zeitlichen Begrenzung der Tätigkeit des Klägers im Raucherraum erfüllt hat.

Zur Pressemitteilung Nr. 22/2016 des BAG vom 10.05.2016 - AZ: 9 AZR 347/15 

Weiterführende Literatur
Der Kommentar Arbeitsstätten, begründet von Matthias Nöthlichs und bearbeitet von Rechtsanwalt Dr. Thomas Wilrich, unterstützt Sie beim Bereitstellen von allgemeinen Arbeitsräumen, Sanitärräumen, Unterkünften oder Erste-Hilfe-Räumen. So dient vor allem die Arbeitsstättenverordnung der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Dieser Kommentar richtet sich insbesondere an Arbeitgeber, Behörden- und Dienststellenleiter, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Arbeitsmediziner, Betriebs- bzw. Personalräte, Arbeitsschutzbehörden, Berufsgenossenschaften sowie an die Gemeinde-Unfallversicherungen.

Anordnung einer Betreuung setzt stets persönliche Anhörung des Betroffenen voraus

Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Pressemeldung vom 4. Mai 2016 mitgeteilt. Die betreffende Entscheidung des Gerichts erging am 23. März 2016 im Rahmen eines Beschlusses (AZ: BvR 184/13).

Die Richter der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts werteten die Anordnung einer Betreuung als einen tiefen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Daher hält das Gericht eine persönliche Anhörung des Betroffenen durch das Betreuungsgericht grundsätzlich für unverzichtbar. Die Anordnung einer Betreuung ohne Anhörung verletzt nicht nur das Recht auf rechtliches Gehör. Vielmehr ist dies auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

Laut dem Sachverhalt der Entscheidung wurde die Beschwerdeführerin im Dezember 2010 im Rahmen einer einstweiligen Anordnung unter vorläufige Betreuung gestellt. Im Anschluss hieran verlängerte das Amtsgericht die Betreuung erneut ohne Anhörung. Mit Ablauf des 31.10.2011 endete die einstweilige Betreuung durch Zeitablauf. Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin beim Amtsgericht die Feststellung, dass der Beschluss über die Verlängerung der Betreuung sie in ihren Rechten verletzt habe. Das Amtsgericht half der Beschwerde jedoch nicht ab. Auch das Landgericht wies die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde zurück.

In ihrer hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerde machte die Beschwerdeführerin eine Verlatzung der Garantie des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geltend. Zudem sah sie sich in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

Zur Pressemeldung des BVerfG Nr. 23/2016 vom 04.05.2016
 

Weiterführende Literatur
Das Werk Betreuungs- und Unterbringungsverfahren für die gerichtliche, anwaltliche, behördliche und Betreuungspraxis, von Dr. Martin Probst, erläutert in kompakter Form das aktuelle Betreuungs- und Unterbringungsverfahren, seine Strukturen, die Verfahrensrechte und typische Praxissituationen. Es erleichtert Praktikern den Umstieg auf das neue FamFG. Zudem zeigt der Autor wichtige Bezüge zum materiellen Betreuungs- und Unterbringungsrecht auf.
 

SG Dortmund: Scheinselbstständig oder selbstständig?

Die Grenzen zwischen echter Selbstständigkeit und einer abhängigen Beschäftigung sind nicht einfach zu ziehen. Maßgebend sind die organisatorische Einbindung des Mitarbeiters in den jeweiligen Betrieb und dessen Weisungsgebundenheit.

In dem vorliegenden Fall ging es um eine pädagogische Mitarbeiterin einer Frühförderstelle für behinderte Kinder. Diese führte bei der betreffenden Einrichtung im Rahmen eines Vertrages über freie Mitarbeit Fördereinheiten für behinderte Kinder durch.

Das Sozialgericht Dortmund entschied, dass die benannte Tätigkeit der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Vor allem den Umstand, dass die beigeladene Pädagogin ihre Tätigkeit nach Maßgabe der inhaltlichen Konzeption und organisatorischen Vorgaben der Einrichtung ausgeübt hat, werteten die Richter als ein maßgebliches Indiz für eine abhängige Beschäftigung. So sei Beigeladene gegenüber den behinderten Kindern und ihren Eltern wie eine Bedienstete der Frühförderstelle aufgetreten. Zudem wären dieser wesentliche Arbeitsmittel und Räumlichkeiten gestellt worden. Daher könne nicht von einer überwiegend frei gestalteten Arbeitsleistung gesprochen werden. Nach Meinung der Richter kommt es auf die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit an und nicht auf die Vertragsgestaltung (Urteil vom 11.3.2016 - AZ: S 34 R 2052/12).

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund hatte auf einen Statusfeststellungsantrag hin entschieden, dass die Pädagogin abhängig beschäftigt sei und somit der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Die hiergegen gerichtete Klage des Trägers der Frühförderstelle war erfolglos.

Zur Pressemeldung des SG Dortmund vom 02.05.2016

Weiterführende Literatur
Dies Loseblattsammlung Sozialgesetzbuch (SGB) IV: Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, herausgegeben von Hauck/Noftz, liefert eine umfassende und jederzeit aktuelle Kommentierung der gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung. Diese wird einerseits den Erfordernissen der Praxis, andererseits aber auch den Bedürfnissen der Wissenschaft voll gerecht.

Leistungskürzungen nach nicht nachweisbarem Meldeversäumnis sind rechtswidrig

Dies hat das Sozialgericht Heilbronn laut einer Pressemeldung des Gerichts vom 09.05.2016 mit Urteil vom 28.04.2016 entschieden.

Die Meldepflichten bei Beziehern von ALG-2-Leistungen sind immer wieder ein Streitthema. In dem vorliegenden Fall hatte das Jobcenter den Kläger aufgefordert, sich am Vormittag des 28. August 2015 am Empfang des Jobcenters zu melden. In den Akten des Jobcenters war die Meldung des Klägers nicht vermerkt. Der Kläger benannte aber einen Zeugen dafür, dass er sich ordnunggemäß zurückgemeldet hatte. Dennoch kürzte das Jobcenter dem Kläger Leistungen in Höhe von 120 Euro wegen eines Meldeversäumnisses.

Die hiergegen gerichtete Klage zum Sozialgericht Heilbronn hatte Erfolg. Einen Antrag des Jobcenters, diverse am Empfang eingesetzte Mitarbeiterinnen als Zeuginnen zu vernehmen, wies das Gericht zurück. Es unterstellte den Vortrag des Jobcenters, wonach sich keine der benannten Mitarbeiterinnen an eine Vorsprache des Klägers am 28. August 2015 erinnern könne, als wahr. Allerdings war das Gericht nach der eingehenden Vernehmung des Zeugen der Auffassung, dass dieser den Kläger zum Jobcenter begleitet hat. Nach weiteren Ausführungen des Gerichts kann offen bleiben, warum die Rückmeldung des Klägers nicht in den Akten des Jobcenters vermerkt worden sei.

Zur Pressemeldung des SG Heilbronn vom 09.05.2016

Weiterführende Literatur
Der Kommentar Sozialgesetzbuch (SGB) II: Grundsicherung für Arbeitsuchende, herausgegeben von Hauk/Noftz, wendet sich an Praktiker in der Sozialverwaltung und den Kommunen, an die Anwaltschaft, die Gerichte sowie an die Sozialpartner. Er enthält alle notwendigen Informationen rund um die aktuellen Regelungen und zeigt die Zusammenhänge des SGB II und zum übrigen Sozialrecht auf.

BGH lehnt Haftung einer Anschlussinhaberin für illegales Filesharing von Gästen ab

Dies ergibt sich aus einer Pressemeldung des Bundesgerichtshofs vom 12.05.2016. Nach seinem Urteil vom selben Tag (AZ: I ZR 86/15) haftet die Inhaberin eines Internetanschlusses nicht automatisch für Urheberrechtsverletzungen, die ihre volljährigen Gäste über den betreffenden Anschluss begangen haben. Die Gäste hatten über diesen Anschluss im Wege des Filesharings einen Kinofilm illegal aus dem Netz herunter- und wieder heraufgeladen.

Zwar müssen Eltern nach wie vor ihre minderjährigen Kinder auch ohne konkreten Anlass über die Rechtswidrigkeit von bestimmten Tauschbörsenaufklären aufklären und ihnen den Down-und Upload von Inhalten dorthin verbieten. Dies gilt nach Auffassung der Karlsruher Richter aber nicht für volljährige Gäste. Danach ist es nicht zumutbar und nicht sozialadäquat, volljährige Gäste, Freunde oder Mitbewohner ohne konkreten Anlass über illegales Filesharing zu belehren oder sie zu überwachen.

Damit hat der BGH das klageabweisende Urteil des AG Hamburg vom 8. Juli 2014 wiederhergestellt. Dieses Urteil hatte das LG Hamburg aufgehoben und die Anschlussinhaberin antragsgemäß verurteilt.

Zur Pressemeldung des BGH Nr. 87/2016 vom 12.05.2016

Weiterführende Literatur
Das Buch WLAN und Recht, Aufbau und Betrieb von Internet-Hotspots, behandelt die Verantwortlichkeit des Betreibers von WLAN-Netzen und erschöpft sich nicht in der Darstellung der aktuellen Rechtsprechung zur Störerhaftung. Darüber hinaus geht es auch auf das Verhältnis zwischen Anbieter und Nutzer ein. Sie erfahren, wie dieses Rechtsverhältnis – insbesondere bei unentgeltlicher Leistung – einzuordnen ist und welche Regelungen getroffen werden sollten.

Im juris PartnerModul IT-Recht finden Sie im Zeitalter der digitalen Technik zeit- und praxisnahe Antworten auf alle Fragen aus dem IT-rechtlichen Alltag. So sind neben dem BDSG zahlreiche spezialgesetzliche Regelungen zu beachten. Hierzu zählen z.B. das TMG, das TKG, das UWG oder das StGB.

(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht