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Weihnachten ist eine Zeit des kulinarischen Zusammenkommens (Foto: Syda Productions – stock.adobe.com)
Auszug aus: Handbuch Italienisch

Royale Pizza

ESV-Redaktion Philologie
09.12.2021
Welche Gerichte zu Weihnachten auf den Tisch gehören, kann sich je nach Familie und Landstrich stark unterscheiden. Ob Kartoffelsalat und Würstchen, Christmas Turkey, Rotkohl und Gänsebraten, Knödel oder Raclette – die Geschmäcker sind hier ganz verschieden. Dennoch ist die Tradition, an Weihnachten mit der Familie zusammenzukommen und zu essen, weit verbreitet.
Italienisch wird hierzulande vielleicht weniger oft zu Weihnachten gekocht. Seltsam eigentlich, wo doch die italienische Küche bei Groß und Klein meist auf Konsens trifft. Wie ist sie entstanden, die italienische Esskultur? Der folgende Auszug aus dem von Antje Lobin und Eva-Tabea Meineke herausgegeben „Handbuch Italienisch“ skizziert ihre Entstehung und hält zudem noch ein paar Tipps für das eine oder andere Weihnachtsgeschenk bereit! Wie wäre es zum Beispiel mit einer Pasta-Enzyklopädie? Oder einem traditionellen Kochbuch, das bereits seit den 1890er Jahren begeistert? Vielleicht auch ein schöner Geschenkkorb mit Zutaten für ein Gericht zu einem italienischen Kochabend? Oder gleich direkt das ganze „Handbuch Italienisch“?

Neugierig geworden? Werfen Sie doch einen Blick in den Artikel
von Christine Ott zur „Italienischen Esskultur“:

Italien – regionale oder nationale Esskultur?


Gibt es die italienische Esskultur? Auch wenn es richtig ist, die regionale Vielfalt von Italiens Küchen zu betonen, gehen Alberto Capatti und Massimo Montanari von einem bereits seit dem Mittelalter wahrnehmbaren „italienischen Modell“ aus. Dieses definiere sich allerdings nicht durch bestimmte Produkte, sondern durch spezifische Zubereitungsweisen und Kenntnisse (Capatti/Montanari 2005, IX). Die italienischen Städte spielten bei der Herausbildung dieses Modells eine zentrale Rolle. Schon seit dem Mittelalter habe sich Italien durch seine Vielzahl an politisch und kulturell wichtigen Städten von den europäischen Nachbarländern unterschieden. Als Orten, an denen regionale Produkte vermarktet und ausgetauscht wurden (wobei die Zirkulation immer schon Hybridisierung – von Rezepten und Speisenfolgen – bedeutete), sei den Städten eine grundlegende Rolle in der Herausbildung einer zugleich regionalen und nationalen Esskultur zugekommen (ibd. X).

Anhand der Analyse von Kochbüchern haben Capatti und Montanari versucht auszumachen, wodurch sich die italienische Küche schon seit dem Mittelalter von anderen europäischen Küchen unterscheidet. Sie stellen zuallererst eine starke Präsenz von Gemüse (auch in der Küche der hohen Klassen) fest (ibd. 44). Dass man in Italien mehr Gemüse und weniger Fleisch isst als in den übrigen europäischen Ländern, bestätigt auch der im 17. Jh. nach England geflohene Protestant Giacomo Castelvetro, der in einer Sehnsucht nach dem heimischen Gemüse und Obst eine Liste aller „in Italien verzehrten Sorten“ angefertigt hat  (ibd. 46). Ferner komme Polenta, Suppen und Gnocchi eine zentrale Stellung zu. Und natürlich der Pasta: Bereits im Mittelalter gab es eine Vielfalt von Formen; heute verzeichnet die Pasta-Enzyklopädie von Oretta Zanini de Vita (2009) nicht weniger als 310 Sorten. Die pasta secca wurde vermutlich von den Arabern nach Sizilien gebracht und verbreitete sich von dort aus v. a. in Süditalien (ibd. 60). Daneben gab es seit dem Mittelalter torte, also gefüllte Teiggerichte, die vermutlich von Italien aus in die Nachbarländer gelangten (ibd. 68). Lässt sich ab dem 15. Jh. eine Reihe von Rezeptsammlungen mit interregional-nationalem Charakter ausmachen, so beginnt ab dem 17. Jh. eine „Regionalisierung“ der Kochbücher (ibd. 25). Ab dem 19. Jh. tragen insbesondere drei Faktoren zur Herausbildung jener Esskultur bei, die bis heute als die italienische wahrgenommen wird: die nationale Einigung, ein Kochbuch und die italienische Emigration in die USA.

Auszug aus dem Handbuch Italienisch 27.10.2021
„Was, frage ich euch, haben die Römer je für uns getan?“
Das „Handbuch Italienisch“ bietet weitaus mehr als Antworten auf die Frage: „Was haben die Römer je für uns getan?“, die einigen aus dem Film-Klassiker „Das Leben des Brian“ bekannt vorkommen könnte. Wer also zunächst an das Aquädukt gedacht hat oder an Wein, öffentliche Ordnung, Straßen oder Architektur, der wird in dem folgenden Auszug aus dem „Handbuch Italienisch“ einen schönen Einblick in einen von 96 Einzelartikeln über Sprache, Literatur und Kultur Italiens finden. mehr …

Norditalienische Soldaten, die um 1860 im Gefolge Garibaldis in den Süden gelangen, importieren dortige Essgewohnheiten wie etwa Pasta mit Tomatensoße in ihre Heimat (La Cecla 1998, 29). Und das neapolitanische Billiggericht Pizza wird durch einen populistischen Schachzug des piemontesischen Königspaars Umberto und Margherita aufgewertet. Zumindest besagt die Legende, dass die italienische Königin während ihres Neapel-Aufenthalts im Juni 1889 drei Arten Pizza probierte, und ihr die dritte am besten schmeckte (Dickie 2009, 236 f.; La Cecla 1998, 49). Sie war mit Tomaten, Mozzarella und ein paar Basilikumblättern belegt und wurde daraufhin Pizza Margherita getauft. Doch weder Margheritas Zeitgenosse Carlo Collodi (der Autor des „Pinocchio“) noch die sozial engagierte Schriftstellerin Matilde Serao (und sie war Neapolitanerin!) mochten Pizza – ihr Siegeszug begann erst später (Dickie 2009, 228).

Ganz entscheidend für erste Ansätze zu einer Nationalküche war dann die Wirkung eines Kochbuchs: In seinem „La Scienza in cucina e lʼArte di mangiar bene“ (1891), das bis zur heutigen Zeit ein absoluter Klassiker geblieben ist (Meter 1989, 60), hat Pellegrino Artusi nicht nur Rezepte aus allen italienischen Regionen versammelt; er hat sich auch darum bemüht, eine kulinarische Fachsprache bereitzustellen, die überregional sein und zugleich die dominanten französischen Termini durch italienische Neologismen ersetzen sollte. Eine nicht nur textuelle, sondern faktische Einigung erfuhr die talienische Küche allerdings erst infolge der Massenemigration nach Amerika (um 1870–1930). In den Little Italys der amerikanischen Großstädte wurden regionale Unterschiede eingeebnet, es entstand eine italienische Küche, die sich freilich mit Gerichten wie Spaghetti with meatballs rasch zur italoamerikanischen Küche entwickelte.


Wie die italienische Küche dann zum „World Food“ wurde und wie sie sich in Film und Literatur zeigt, können Sie im „Handbuch Italienisch“ weiter lesen. Bis dahin hoffen wir, dass wir Ihren Appetit wecken konnten und wünschen Ihnen frohe Weihnachten und einen guten und gesunden Rutsch ins neue Jahr! Buon Natale!

Die Herausgeberinnen
Professorin Dr. Antje Lobin hat an den Universitäten Gießen, Dijon und Rom studiert (Französisch, Italienisch, Betriebswirtschaftslehre) und wurde an der JLU in Gießen mit einer Arbeit zur Sprachwissenschaft des Italienischen promoviert. Dort habilitierte sie sich im Jahr 2015 im Fach Romanische Sprachwissenschaft. Seit 2015 ist sie Professorin für Italienische und Französische Sprachwissenschaft am Romanischen Seminar der JGU Mainz.
PD Dr. Eva-Tabea Meineke hat an der Universität IULM in Mailand „Lingue e letterature straniere“ studiert und wurde innerhalb eines Co-tutelle-Programms mit Paris 8 an ebendieser Universität im Fach „Letterature comparate“ promoviert. Zudem studierte sie am UCL London. Seit 2011 lehrt und forscht sie am Romanischen Seminar der Universität Mannheim. Dort habilitierte sie sich 2017 in Romanistischer und Vergleichender Literaturwissenschaft.


Handbuch Italienisch
Sprache – Literatur – Kultur
Für Studium, Lehre, Praxis

Herausgegeben von: Antje Lobin, Eva-Tabea Meineke

Das „Handbuch Italienisch. Sprache – Literatur – Kultur“ präsentiert grundlegende Themen aus den drei Gegenstandsbereichen der Italianistik von den
Anfängen bis hin zu den aktuellen Tendenzen der Gegenwart. Die sprach-, literatur- und kulturwissenschaftlichen Darstellungen der 96 Einzelartikel bieten einen idealen Ausgangspunkt für jede Form der Auseinandersetzung mit italianistischen oder die italienische Lebenswelt betreffenden Fragen und laden darüber hinaus zu einem interdisziplinär vernetzten Umgang mit diesen Fragen ein. Das Handbuch lebt neben den Einzeldarstellungen von der wissenschaftlichen Dialogizität zwischen aktuell forschenden und lehrenden Italianist/innen und Vertreter/innen weiterer geistes- und sozialwissenschaftlicher Fächer im In- und Ausland. In dieser Form wird der zum gegenwärtigen Zeitpunkt aktuellste Stand der wissenschaftlichen Diskussion abgebildet und auf allgemeinverständliche Weise zugänglich gemacht.
Das „Handbuch Italienisch“ ist als unterstützendes Arbeitsinstrument und Ressource für all diejenigen gedacht, die sich im Bildungssektor, aber auch in anderen institutionellen Kontexten mit italienbezogenen Fragestellungen befassen.

Programmbereich: Romanistik