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Schacht: „Blockchains auch für Supply-Chain-Management” (Foto: Matt Stark)
Nachgefragt bei: Prof. Dr. Sigurd Schacht

Schacht: „Die Blockchain wird in naher Zukunft weite Verbreitung finden”

ESV-Redaktion Management und Wirtschaft
12.02.2019
Die ESV-Redaktion sprach mit dem Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Sigurd Schacht  über die Funktionsweise der Blockchain, welche Vor- und Nachteile die neue Technologie bietet und in welchen Bereichen sie Anwendung finden wird.
Den Begriff Blockchain haben viele bereits gehört, dennoch ist vielen nicht klar, was er genau bedeutet. Können Sie kurz beschreiben, wie die Technologie funktioniert?

Sigurd Schacht: Im Kontext der Rechnungslegung ist die Blockchain ein verteiltes Hauptbuch – Ledger genannt –, welches in identischer Form auf einer Vielzahl von untereinander vernetzten Rechnern gespeichert wird. Im Gegensatz zu bekannten ERP-Lösungen, wo die Daten in einer Datenbank abgelegt werden. Spannend ist hierbei, dass die Frage, welche Daten in das Hauptbuch geschrieben werden dürfen, über einen sogenannten Konsensus-Algorithmus beantwortet wird. Dies hat zur Folge, dass die Blockchain-Technologie keinen zentralen Verwalter benötigt, sondern dass der Betrieb und die Sicherstellung der Konsistenz der Daten über den Algorithmus ohne menschliches Zutun erreicht wird.

Wodurch zeichnet sich die Blockchain aus?

Sigurd Schacht: Zu den wesentlichen Merkmalen der Blockchain zählen die Unveränderbarkeit, die Dezentralisierung, die Verifizierbarkeit aller Transaktionen durch jeden Teilnehmer und die Belastbarkeit. 

Die Unveränderbarkeit und Belastbarkeit wird gewährleistet, indem die Informationen eines einzelnen Prozessschrittes (z. B. eine Veredlungsstufe) jeweils in einem Block gespeichert werden. Die einzelnen Blöcke werden nun in chronologischer Reihenfolge miteinander verknüpft. Der Clou liegt bei diesem Verfahren in der Verknüpfung: Denn bei der Erzeugung eines neuen Blocks wird auf Basis des Hash-Wertes des vorangegangenen Blocks ein Hash-Wert des neuen Blocks erstellt.

Bei dem Hash-Wert wiederum handelt es sich um einen eindeutigen, mit kryptografischen Mitteln erzeugten Fingerabdruck der Daten. Möchte man nun einen Block in der Kette nachträglich manipulieren, würden sich alle nachfolgenden Glieder der Kette ebenfalls ändern. Ein Abgleich dieser manipulierten Blockchain auf dem einen Rechner mit vielen Kopien der anderen Rechner des Netzwerkes macht diese Manipulation erkennbar. Daher hat die Technologie ihren Namen: Verkettung von Blöcken bzw. die Blockchain. 

Wie wird das überprüft bzw. verifiziert?

Sigurd Schacht:  Die Verifizierbarkeit wird gewährleistet, indem bei der Speicherung auf Verschlüsselungstechnologien zurückgegriffen wird. So wird sichergestellt, dass derjenige, der eine Transaktion in die Blockchain ablegt, auch der ist, für den er sich ausgibt. Damit diese Transaktion nun geprüft in der Blockchain gespeichert werden kann, müssen sich die Teilnehmer des Netzwerkes bereiterklären, diese Aufgabe zu übernehmen.

Der Konsensus-Algorithmus stellt nun ein Verfahren zur Verfügung, bei dem jeder, der erfolgreich eine Transaktion bzw. einen Block verifiziert, einen Anreiz in Form einer Belohnung bekommt. Die zugrundeliegende Theorie für dieses Prinzip ist die Spieltheorie. Zusammengefasst ist die Blockchain eine anhand von Fingerabdrücken verknüpfte Kette von Datenpaketen, bei der neue Transaktionen über ein Anreizsystem von bestehenden Teilnehmern verifiziert und ans Ende der Kette gehängt werden.

Welche Arten von Blockchains gibt es? 

Sigurd Schacht: Im Wesentliche existieren drei Formen der Blockchain: ein öffentliche, eine private und ein sog. Konsortium-Blockchain. Die öffentliche Blockchain ist für jeden frei zugänglich und wird von sehr vielen vernetzten Rechnern „verwaltet”. Eine Benutzerberechtigung existiert nicht und jeder Teilnehmer innerhalb des Netzwerkes kann alle jemals durchgeführten Transaktionen der anderen Teilnehmer sehen. Ein sehr bekanntes Beispiel hierfür ist die Kryptowährung Bitcoin.

Bei der privaten Blockchain hingegen handelt es sich um geschlossene Blockchains, die, meist von Unternehmen, aufgesetzt werden und auf die nur ein vorab definierter Teilnehmerkreis Zugriff hat. Nur diese können den Inhalt einsehen. Diese Art der Blockchain unterläuft streng genommen die Grundidee der dezentralen Struktur, da ein Unternehmen in der Regel die gesamte Kontrolle über die Blockchain hat. 

Bei der dritten Variante, der Konsortium-Blockchain, betreiben mehrere Unternehmen eine „private” Blockchain. Diese wird dezentral über alle Netzwerkteilnehmer, beispielsweise ein Supply-Chain-Verbund, gleichberechtigt verteilt und betrieben. Diese Form der Blockchain ermöglicht ein Berechtigungssystem für den Zugriff und die Einsicht der gespeicherten Transaktionen nur durch die Konsortiums-Teilnehmer. 

Zur Person
Sigurd Schacht wechselte nach seinem Abschluss an der Universität Würzburg wechselte als IT Prüfer und Berater zur Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG AG. Während seiner Zeit als Berater schloss der Wirtschaftswissenschaftler seine Promotion berufsbegleitend ab und übernahm verschiedene Lehraufträge u.a. in München und Ingolstadt, bevor er nach einer weiteren Beratungstätigkeit bei Deloitte als Professor für Wirtschaftsinformatik 2012 an die Hochschule Heilbronn wechselte.

Wie viele User müssen sich beteiligen, damit die Blockchain nicht manipulierbar ist, gerade in Hinblick auf private Blockchains oder Konsortium-Blockchains? 

Sigurd Schacht: Zunächst einmal kommt es auf die Art der Blockchain an. Wenn wir von einer privaten Blockchain sprechen, dann ist die Manipulierbarkeit nur für die gegeben, die eine Administrationsfähigkeit besitzen. Aus Sicht des Unternehmens liegt aber die gesamte Hoheit in den Händen des eigenen Unternehmens. Eine Veränderung der Blockchain ist somit durch das Unternehmen möglich.

Bei den öffentlichen Blockchains ist es vereinfacht so, dass die Möglichkeit zur Manipulation besteht, wenn mehr als 50 Prozent aller Knoten durch eine Person kontrolliert werden kann. Entscheidend ist somit, dass die Knoten auf möglichst viele verschiedene Individuen verteilt sind. Denn damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die für die Manipulation der Blockchain notwendige Mehrheit zustande kommt.  

Bei der Konsortiums-Blockchain ist das Risiko einer 51-%-Attacke ebenfalls gering. Denn die private Blockchain wird um wenige, vorab bekannte Teilnehmer erweitert. In der Regel um langjährige Vertragspartner (je nach Sichtweise also um Lieferanten bzw. Kunden). Somit besteht hier ein Vertrauensverhältnis. Wenn sie beispielsweise vier teilnehmende Organisationen haben und die Blockchain so konfigurieren, dass alle Teilnehmer die Transaktion verifizieren müssen, kann per Design schon kein 51-Prozent-Angriff durchgeführt werden. Der wesentliche Unterschied ist hier das Vertrauen in die Teilnehmer und der kontrollierte Zugang zu dieser Blockchain.

Welche Anwendungen werden im Alltag zuerst von der Technologie betroffen sein?

Sigurd Schacht: Sehr präsent in der Wahrnehmung sind bereits die Kryptowährungen, wie der oben erwähnte Bitcoin, die ebenfalls auf der Blockchain-Technologie basieren.

Nach meinem Verständnis wird die Technologie im Unternehmensumfeld in naher Zukunft in den Bereichen Supply-Chain-Management und in den sogenannten „Track-and-Trace”-Anwendungen Verbreitung finden. In der Supply-Chain deswegen, da durch die Blockchain-Technologie ein gleichberechtigtes Netzwerk der an der Lieferkette teilnehmenden Unternehmen, konstituiert werden kann, bei der alle Teilnehmer die gleichen Daten besitzen, ohne dass es einen dominanten Partner geben muss.

Bei „Track-and-Trace” wiederum handelt es sich um eine nahezu idealtypische Anwendung für die Blockchain-Technologie. Denn an dieser Stelle geht es ja gerade darum, z. B. bei der Kette der Erzeugung bis zum Verzehr von Lebensmitteln, dass sich die einzelnen Stufen der Lieferkette nachvollziehbar und manipulationssicher nachverfolgen lassen. Beispielsweise der Einhaltung der Kühlkette.

Teil II des Interviews lesen Sie auf INTERNE REVISIONdigital.de.

Bitcoin, Ethereum & Co.

Bitcoin, Ethereum, Blockchain, Wallets, Mining … Kryptowährungen sind heute einem breiten Publikum ein Begriff. Dennoch bleibt diese Welt für die meisten weiterhin geheimnisvoll.

Wie Kryptowährungen und die Blockchain funktionieren, wie man ihre Vorteile und Risiken besser verstehen und antizipieren kann, beschreibt Enée Bussac in der deutschen Ausgabe seines Buchs besonders anschaulich.

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(ESV/ps)

Programmbereich: Management und Wirtschaft