SG Berlin zu Hartz-IV-Leistungen für ehemalige Prostituierte, die ihre Tätigkeit aufgegeben haben
Jobcenter: Klägerin hat ihre Tätigkeit bewusst und freiwillig aufgegeben
Für die Zeit ab Oktober 2020 lehnte das Job-Center die Weiterbewilligung der Grundsicherungsleistungen ab. Nach Auffassung der Behörde hat die Klägerin nämlich nur noch ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche, sodass sie vom Leistungsbezug ausgeschlossen wäre. Die weitere Begründung: Sie habe ihre Tätigkeit bewusst aufgegeben, um sich beruflich neu zu orientieren. Deshalb liege keine unfreiwillige Arbeitsaufgabe vor. Gegen den Ablehungsbescheid zog die Klägerin vor das SG Berlin.
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SG Berlin: Tätigkeit als Prostituierte ist objektiv unzumutbar
- Sexuelle Dienstleistung kann EU-Aufenthaltsrecht begründen: Nach Auffassung des SG Berlin kann auch das Erbringen von sexuellen Dienstleistungen eine selbständige Tätigkeit sein, die ein EU-Aufenthaltsrecht in Deutschland begründet. Zwar sind EU-Bürger von Jobcenter-Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht ausschließlich auf die Arbeitsuche in dem betreffenden Land stützt. Wer aber schon als Selbständiger oder Arbeitnehmer aufenthaltsberechtigt war, kann – auch aufstockend – Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen.
- Tätigkeit als Prostituierte ist objektiv unzumutbar: Die Tätigkeit der Klägerin als Prostituiert berührt aber in besonderer Weise ihre Intimsphäre und damit die Menschenwürde. Aus diesem Grund, so das SG weiter, ist eine solche Tätigkeit generell objektiv unzumutbar.
- Aufgabe der Prostitution nicht selbst verschuldet: Das Aufgeben der Prostitution ist daher keine freiwillige, selbstverschuldete Beendigung der Erwerbstätigkeit im Sinne des EU-Freizügigkeitsrechts. Denn es ist unerheblich, dass die Klägerin diese Tätigkeit schon vorher ausgeübt hat. Dem Gericht zufolge wird eine objektiv nicht zumutbare Arbeit, nicht deshalb zumutbar, weil die betreffende Person diese vorher zeitweise ertragen hat.
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(ESV/bp)
Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung