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Schon im Februar 2020 gibt es so viele Wörter mit corona als Bestandteil, dass sie sich nicht mehr gut in einer Wortwolke darstellen lassen (Abb. aus dem Beitrag von Müller-Spitzer/Koplenig/Michaelis/Wolfer, DS 01/2021).
Auszug aus: „Deutsche Sprache“ 01/2021

Sprachliche Spuren der Corona-Krise in Nachrichtenmeldungen

ESV-Redaktion Philologie
15.02.2021
Fühlen Sie sich auch coronamüde, der ständigen Präsenz der Pandemie im neuen Corona-Alltag überdrüssig? Nicht zuletzt die Nachrichten beschäftigen sich ausgiebig mit den Zahlen der Coronavirus-Infizierten sowie -Folgen und -Impfung. Da wir uns ständig mit dem Virus auseinandersetzen müssen, prägt es auch die Sprache.
In der neuen Ausgabe unserer Zeitschrift „Deutsche Sprache“ (01/2021) setzen sich Sprachwissenschaftler/-innen damit auseinander, inwiefern Corona nicht nur unser Verhalten, sondern auch unsere Sprache prägt. Anhand neuer Zusammensetzungen von Wörtern (wie der erwähnte Corona-Alltag) und der Häufigkeit einzelner Wörter in Nachrichtenmeldungen (von der Schutzmaske über die Maskenpflicht bis hin zu Lockerungen) lassen sich die Entwicklungen der Krise nachverfolgen. Die priorisierten Begriffe können dabei auch Auskunft zu anderen Themenfeldern geben: Das Verschwinden von Flüchtlingen, Fußball und Konzerten aus der Liste der häufigsten Wörter spricht für sich.

Über diese und viele weitere sprachliche Besonderheiten in Zeiten der Pandemie können Sie sich in dem Beitrag „Wochenaktuelle lexikalische Spuren der Corona-Krise in deutschen Online-Nachrichtenmeldungen“ von Carolin Müller-Spitzer, Alexander Koplenig, Frank Michaelis und Sascha Wolfer informieren, aus dem wir hier einen Auszug zur Verfügung stellen:


Die Corona-Pandemie beeinflusst seit einigen Monaten sehr viele Facetten des öffentlichen und privaten Lebens, und das fast auf der ganzen Welt. Die Pandemie wird daher auch als die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet. Es ist daher zu erwarten, dass die Pandemie nicht nur in persönlicher Interaktion ein großes Gewicht einnimmt, sondern auch die Nachrichten großflächig beherrscht. In der Zeit des ersten Lockdowns gab es sowohl für die Kultur- wie die Sportredaktionen kaum Veranstaltungen, über die zu berichten war. Und auch Politik- und Wirtschaftsressorts mussten auf die Krise reagieren und berichteten über die Effekte, die die Pandemie auf die Gesellschaft hat, bzw. über die Möglichkeiten, die damit einhergehenden Restriktionen wieder zu lockern. Es liegt daher nahe, dass sich diese Krise auch deutlich in der Sprache, mit der wir alle diese Veränderungen kommunizieren, spiegelt. […] In diesem Beitrag wollen wir zeigen, welche lexikalischen Spuren der Corona-Krise wir jetzt schon in deutschen Online-Nachrichtenmeldungen nachzeichnen können, obwohl wir uns (wahrscheinlich) noch am Anfang oder zumindest mitten in der Pandemie befinden. Gleichzeitig wollen wir damit der Fachöffentlichkeit ein Werkzeug vorstellen – den cOWIDplus Viewer – mit dem man diese lexikalischen Spuren selbst explorieren kann. Die Analysen zeigen den Stand bis Anfang Juli 2020 (Zeit der Einreichung des Beitrags).

RSS-Feeds als Datengrundlage


Unsere Datengrundlage sind öffentlich zugängliche RSS-Feeds von 13 deutschsprachigen Quellen. RSS-Feeds (übersetzt etwa: Nachrichteneinspeisungen) werden verwendet, um Artikel einer Webseite oder deren Kurzbeschreibungen in maschinenlesbarer Form bereitzustellen. Insbesondere für Nachrichtenmeldungen, die z. B. in Newstickern oder Liveblogs laufen, wird diese Technik benutzt. Für unsere Analysen haben wir RSS-Feeds von Focus online, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung, Neue Zürcher Zeitung, Spiegel Online, Der Standard, tageszeitung, Die Welt, Die Zeit sowie als nicht-pressesprachliche Online-Quellen web.de, t-online.de und heise.de gesammelt. Diese Quellen sind nach Beliebtheit und zumindest minimaler Variabilität über deutschsprachige Länder ausgesucht. […] 

In unserem Beitrag wollen wir [...] Worthäufigkeiten zum Gegenstand der Analyse machen, um sprachliche Spuren der Corona-Krise nachzuzeichnen. Wir sind uns bewusst, dass es sich dabei weder um eine „quantitativ informierte qualitative Diskursanalyse“ (Bubenhofer 2013) noch um eine umfassende linguistische Analyse von Medientexten handelt […], sondern um eine summarische quantitative Auswertung. Methodisch ist unsere Analyse vom Ansatz her am ehesten als Schlagwortanalyse einzuordnen, allerdings einfacher als in der Diskursanalyse üblich […].

Die Corona-Pandemie als das beherrschende Thema


Die häufigsten Worttypen in einem Korpus vermitteln einen guten Eindruck davon, welche Wörter die Texte ‚beherrschen‘. […] Wenn man dabei die hochfrequenten Funktionswörter aus den 20 häufigsten Worttypen ausschließt, kann man sehen, wie ab der vierten Woche beginnend am 22. Januar 2020 die Wortform coronavirus auf Platz 1 der Frequenzliste steht, und das obwohl erst am 27. Januar 2020 von der Johns Hopkins Universität der erste Fall in Deutschland verzeichnet wird. Allerdings gibt es zwei Ausnahmen: In Woche 6 fand die Wahl des thüringischen Ministerpräsidenten statt und in der achten Woche verübte in Hanau ein Mann einen Anschlag. In diesen Wochen verdrängt u. a. thüringen bzw. hanau coronavirus vom ersten Platz. In Woche 10 tritt erstmals ein weiterer Eintrag hinzu, der klar mit der Pandemie verknüpft ist: covid-19. corona-pandemie selbst befindet sich erst in Woche 13 zum ersten Mal unter den 20 frequentesten Typen. In der 17. Woche tritt zum ersten Mal die Wortform maskenpflicht unter die 20 frequentesten Formen, in den Wochen 18 und 19 die zu der Zeit viel diskutierten lockerungen.
 
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Als Muttersprachlerinnen und Muttersprachler sprechen wir Deutsch, ohne groß darüber nachzudenken. Meist unterlaufen uns dabei keine größeren Fehler. Aber wie gut kennen Sie die grammatischen Strukturen unserer Sprache? mehr …

Corona als Wortbestandteil


Ein weiteres Indiz für die Wichtigkeit der Corona-Pandemie in den Texten der RSS-Feeds ist die hohe Anzahl neuer Worttypen, die jede Woche mit corona als Bestandteil in den RSS-Feeds auftauchen. Das Deutsche als kompositionelle Sprache macht es leicht, diese Bildungen auf Basis von Unigramm-Analysen aufzuspüren, da die meisten Zusammensetzungen in einem String geschrieben werden, vielfach in Bindestrichschreibungen. Schon im Februar – in einer Zeit, in der die Pandemie noch gar nicht breit in Deutschland angekommen war – gibt es so viele Wörter mit corona als Bestandteil, dass sie sich nicht mehr gut in einer Wortwolke darstellen lassen. Eine Übersicht zeigt, dass es z. B. Mitte März etwa 300 neue Bildungen mit corona als integrierte Zeichenfolge in einer Woche gibt. […] [D]en Großteil bilden korrekte Zusammensetzungen, die faszinierend die Vielfalt der Bildungen und die aktuelle gesellschaftliche Diskussion belegen, z. B. corona-rebellen, corona-müde bzw. coronamüde, corona-cops, corona-quatsch, corona-journalismus, anti-corona-song, corona-alleingänge, vor-corona-gesellschaft oder post-corona-zukunft.


Möchten Sie gerne wissen, in welchen weiteren sprachlichen Phänomenen sich die Corona-Pandemie äußert? Viele grafische Darstellungen zur Auswertung finden Sie demnächst in dem vollständigen Beitrag in Heft 01/2021 der Zeitschrift „Deutsche Sprache“.

(ESV/MD)

Programmbereich: Germanistik und Komparatistik