
Beim Sport können grundsätzlich auch mehr virenbelastete Aerosole ein- und ausgeatmet werden (Foto: crimson / stock.adobe.com)
Strafbarkeit durch Übertragung des Corona-Virus
Staatsanwaltschaft Göttingen erhebt Anklage gegen Corona-Infizierten nach Besuch im Fitnessstudio
ESV-Redaktion Recht
20.01.2021
Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat gegen eine Person, die mit dem Corona-Virus infiziert war, Anklage vor dem Strafrichter des AG Göttingen erhoben. Der Tatvorwurf: Versuchte gefährliche Körperverletzung im Zusammenhang mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2. Der Angeschuldigte hatte in einem Fitnesssstudio trainiert, obwohl er wusste, dass er infiziert war.
Nach den Ermittlungen der Staatanwaltschaft Göttingen – Abteilung für Wirtschafts- und Umweltstrafsachen – soll der Angeschuldigte im Mai 2020 positiv auf Corona getestet worden sein. Daraufhin ordnete der Fachbereich Gesundheit für die Stadt und den Landkreis Göttingen am 19. Mai 2020 zunächst mündlich eine häusliche Quarantäne an. Am 20. Mai erging die sofort vollziehbare Anordnung auch schriftlich. Die Quarantäne im Sinne von § 30 Absatz 1 Satz 2 IfSG sollte bis einschließlich den 31. Mai 2020 andauern. Das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG) kann insoweit eingeschränkt werden.
Die Quarantäneanordnung hatte der Angeschuldigte mehrfach ignoriert, indem er unter anderem am 27. Mai 2020 und am 29. Mai 2020 in einem Fitnessstudio in Göttingen trainiert haben soll. Mitarbeiter der Stadt Göttingen wollen den Angeschuldigten im Fitnessstudio erkannt haben.
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Staatanwaltschaft: Angeschuldigter hat Gefährdung anderer billigend in Kauf genommen
Nach den weiteren Darlegungen der Staatanwaltschaft hat der Angeschuldigte in dem Fitnessstudio trainiert, obwohl er die Gefährlichkeit des Corona-Virus aufgrund seiner Quarantänepflicht kannte. Damit hat er nach Auffassung der Strafverfolgungsbehörde versucht, andere Personen durch die Beibringung von gesundheitsschädlichen Stoffen körperlich zu misshandeln und an ihrer Gesundheit zu schädigen – strafbar als „Gefährliche Körperverletzung“ nach § 224 Absatz 1 Nr. 1 StGB in Verbindung mit § 224 Absatz 2 StGB.
Der Angeschuldigte, so die Staatsanwaltschaft weiter, handelte mit bedingtem Vorsatz, weil er schon aufgrund der Quarantäneanordnung wusste, dass er selbst erkrankt war und andere Personen anstecken kann. Da er das Fitnessstudio trotzdem aufgesucht hat, habe er auch die Infektion anderer Fitnessstudio-Mitglieder mit dem Virus und deren schwere Erkrankung billigend in Kauf genommen.
Weitere Voraussetzung für Strafverhandlung gegen den Angeschuldigten ist aber, dass das AG Göttingen die Anklage prüft und zulässt.
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Grundrechtseinschränkungen während häuslicher Quarantäne
Während einer häuslichen Quarantäne im Sinne von § 30 Absatz 1 Satz 2 IfSG hat der Adressat den Anordnungen des Gesundheitsamtes zu folgen. Die Norm soll andere Personen vor dem Ansteckungsrisiko mit der betreffenden Krankheit schützen. Für diese Zeit sind also auch bestimmte Grundrechtseingriffe gerechtfertigt. Der Quarantänepflichtige darf zum Beispiel sein Zuhause nicht verlassen und keinen Besuch empfangen. Ebenso wird das Gesundheitsamt regelmäßig den Gesundheitszustand des Quarantänepflichtigen erfragen. Eine angeordnete Quarantäne endet nicht automatisch, sondern erst, wenn die zuständige Behörde diese wieder aufgehoben hat. Verstöße gegen eine behördlich angeordnete Quarantäne können schon nach § 75 IfSG mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden.
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Gefahren durch Sars-CoV-2 |
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Im Wortlaut: § 224 StGB - Gefährliche Körperverletzung (Auszug) |
(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, […] begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. |
Quelle: PM der Staatsanwaltschaft Göttingen vom 11.1.2021
(ESV/bp)
Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht