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Nachzahlungszinsen auf Steuern auch nach 2011 noch verfassungsgemäß (Foto: eyetronic/Fotolia.com)
Abgabenordnung

Steuernachzahlungszinsen: Höhe ist verfassungsgemäß

ESV-Redaktion Steuern
22.09.2017
Ist die Höhe der Nachzahlungszinsen nach § 233a AO aufgrund des Zinssatzes von 6 Prozent noch verfassungsgemäß? Über diese Frage stritten die Parteien in einem aktuellen Fall vor dem Finanzgericht Münster.
Mit Urteil vom 17.08.2017 (Az. 10 K 2472/16) hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass die Höhe der Nachzahlungszinsen von 6 Prozent in den Jahren 2012 bis 2015 noch verfassungsgemäß ist.

Die Kläger des Urteilsfalls sind Eheleute. Für das Streitjahr 2011 wurden sie im Dezember 2013 zur Einkommensteuer veranlagt, nachdem sie die Steuererklärung im Februar desselben Jahres abgegeben hatten. Bezüglich des Streitjahres 2010 änderte das Finanzamt die Steuerfestsetzung im Januar 2016, nachdem ihm weitere Beteiligungseinkünfte des Klägers mitgeteilt worden waren. Aus beiden Einkommensteuerbescheiden ergab sich eine nachzuzahlende Einkommensteuer, für die das Finanzamt jeweils Nachzahlungszinsen festsetzte. Insgesamt waren von den Klägern für die Monate April 2012 bis Dezember 2015 Zinsen zu zahlen.

Gegen die Zinsfestsetzungen legten die Kläger Einspruch ein und machten u.a. geltend, die Höhe der Verzinsung sei angesichts der andauernden Niedrigzinsphase fernab der Realität und damit verfassungswidrig. Das Finanzamt wies die Einsprüche zurück.

Gesetzgeber hat Rahmen für verfassungsrechtlich zulässige Typisierung nicht überschritten

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht Münster ab. Die gesetzliche Verzinsungsregelung sei verfassungsgemäß.

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Mit der Festlegung eines festen Zinssatzes von 0,5 Prozent pro Monat bzw. 6 Prozent pro Jahr für Steuernachzahlungen und Steuererstattungen habe der Gesetzgeber den Rahmen für eine verfassungsrechtlich zulässige Typisierung nicht überschritten, so die Richter des Finanzgerichts. Die Marktzinsen hätten sich in den Jahren 2012 bis 2015 auch nicht in einer Weise entwickelt, dass der Zinssatz nicht mehr als hinreichend realitätsgerecht anzusehen sei, denn in diesem Zeitraum hätten die Mittelwerte aus den Marktzinsen für Darlehen sowie für Anlagen zwischen 4,49 Prozent und 3,66 Prozent gelegen. Es handele sich um eine Typisierung über einen sehr langen Zeitraum: Der Gesetzgeber habe den Zinssatz seit seiner Einführung trotz erheblicher Zinsschwankungen in beide Richtungen nicht geändert.

Typisierung im Interesse des verfolgten Praktikabilitätszwecks gerechtfertigt

Es liege im Wesen einer Typisierung, dass sie Vorteile und Nachteile für jeweils unterschiedliche Steuerpflichtige hat, was aber im Interesse des mit ihr verfolgten Praktikabilitätszwecks gerechtfertigt sein kann. So verhalte es sich auch im Streitfall. Die hier mit § 238 AO bestehende Typisierung über einen sehr langen Zeitraum habe – wenn man den Zinssatz von 6 Prozent mit dem jeweiligen Marktzins vergleicht – in unterschiedlichen Zeiträumen zu Vorteilen und zu Nachteilen für unterschiedliche Steuerpflichtige geführt.

Der Gesetzgeber war nach Auffassung des Senats befugt, die Nachteile (etwa auch für die Kläger im vorliegenden Streitfall) geringer zu bewerten als den damit erreichten Effekt, aufgrund des stetig gleich bleibenden Zinssatzes keine dauernden Anpassungen vornehmen zu müssen, welche weitere Folgefragen nach sich ziehen würden. Etwa diejenigen, ab welcher Schwelle eine Veränderung der Marktzinsen zu einer Anpassung führen soll, wie die entsprechende Veränderung der Marktzinsen im Einzelnen zu berechnen ist, ob eine Anpassung für sämtliche Verzinsungstatbestände der Abgabenordnung gelten soll, etc.). Zudem seien Verkomplizierungen im Verwaltungsverfahren denkbar, auch wenn diese durch den Einsatz moderner EDV-Technik letztendlich sicherlich zu bewältigen wären.

Einbeziehung der Karenzzeit von 15 Monaten mildert Nachteil der Nachzahlung ab

Hinzu komme, dass die vorliegend in Rede stehenden Nachzahlungszinsen nach § 233a AO nur für diejenigen Zeiträume berechnet würden, welche sich an eine sog. Karenzzeit von 15 Monaten nach Ablauf des entsprechenden Veranlagungszeitraums anschließen (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO). Diese Regelung stelle ebenfalls eine Typisierung dar, indem ein fester Zeitraum, in dem die Masse der Veranlagungsfälle erledigt werde, für alle Steuerpflichtigen gleichermaßen vom Ausgleich der Zinsvorteil und -nachteile ausgenommen werde. Dieser Zeitraum solle einerseits der Sache nach von einer Verzinsung unbelastet bleiben, andererseits solle hierdurch aber auch im Interesse der Verwaltungsvereinfachung die Zahl der zu bearbeitenden Zinsfälle in Grenzen gehalten werden. Die Regelung bestätige damit zum einen das gesetzgeberische Konzept, im Rahmen des Ausgleichs der Zinsvorteile und -nachteile typisierend vorzugehen. Zum anderen mildere die Karenzzeit im wirtschaftlichen Ergebnis die Verzinsung nach § 233a AO ab. Der Zinssatz von 0,5 Prozent monatlich bzw. 6 Prozent jährlich verringere sich jedenfalls rechnerisch, wenn man die Verzinsung auf den gesamten Zeitraum nach Ablauf des Veranlagungszeitraums unter Einschluss der Karenzzeit verteile.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat das Finanzgericht Münster die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: PM des Finanzgerichts Münster Nr. 11/2017 vom 15.09.2017

Weiterführende Literatur
Sowohl der Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung sind im Steuerstrafrecht einmal mehr tiefgreifend aktiv geworden. So ging der Gesetzgeber zuletzt neben dem StUmgBG mehrere Gesetzesprojekte mit steuerstrafrechtlichen Auswirkungen an. In der Praxis zeigt sich außerdem immer deutlicher, zu welchen massiven Problemen das Instrumentarium der geänderten strafbefreienden Selbstanzeige führt. In der umfassend aktualisierten 3. Auflage des Kompendiums Steuerstrafrecht bringt Ihnen Dr. Matthias H. Gehm die jüngsten Entwicklungen im Gesamtkontext anschaulich nahe.

(ESV/fl)

Programmbereich: Steuerrecht