
Umsatzsteuersatz bei Vermietung von Wohncontainern an Erntehelfer
Erntehelfer für Spargelanbau
Kläger war ein Landwirt, der schwerpunktmäßig den Spargel- und Beerenanbau betrieb. In den Besteuerungszeiträumen 2014 bis 2017 vermietete er pro Saison an jeweils rund 100 Erntehelfer Räume in Wohncontainern. Die sog. „Dreierblocks“ verfügten über einen Sanitär- und Stromanschluss, waren mit Schlafräumen, einer Nasszelle, einem Aufenthaltsraum und einer Küche eingerichtet. Daneben erfolgte die Unterbringung in Einzelcontainern mit jeweils drei Schlafplätze; für die dort untergebrachten Erntehelfer standen in der Halle des Klägers eine Sanitäreinrichtung und eine zentrale Küchenanlage zur Verfügung. Die Wohncontainer standen auf Steinsockeln und waren über gepflasterte Wege zu erreichen. Die Dreierblocks waren Eigentum des Klägers und befanden sich dauerhaft auf dessen Gelände, während die Einzelcontainer vom Kläger angemietet wurden und nur während der Saison bei ihm aufgestellt waren. Zwischen dem Kläger und den Erntehelfern bestanden neben den Arbeitsverträgen sog. „Leistungsverträge“, in denen eine kalendertägliche Miete vereinbart war. Gegen gesonderte Berechnung konnten die Erntehelfer zusätzlich zur Unterkunft auch Verpflegung erhalten. Die Verträge enthielten hierzu eine Klausel, nach der die Ansprüche aus dem Leistungsvertrag mit Ansprüchen aus dem Arbeitsvertrag aufgerechnet werden konnten; die Dauer der jeweiligen Mietverhältnisse betrug maximal drei Monate.
Der Kläger meldete seine Umsätze aus der Vermietung der Räume an Erntehelfer für die Streitjahre zum ermäßigten Steuersatz an.
Das Finanzamt ging im Anschluss an eine Außenprüfung davon aus, dass die Unterkünfte keine dauerhaft feste Verbindung zum Grundstück besaßen und daher dem Regelsteuersatz unterlägen. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich, der BFH war selbiger Ansicht.
Gewährung von Unterkunft an Erntehelfer unterliegt dem ermäßigten Steuersatz
Der Kläger hat durch die Gewährung von Unterkunft an die Erntehelfer steuerbare und steuerpflichtige Leistungen erbracht. Diese unterliegen nach Auffassung von Finanzgericht und BFH dem ermäßigten Steuersatz.
Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG umfasst auch die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen in nicht ortsfesten Wohncontainern. Die Formulierung des Tatbestands der Steuerermäßigung in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG entspricht der in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG, der sich auf den Grundtatbestand des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG und damit auf die Vermietung von Grundstücken bezieht. Eine Einschränkung lediglich auf die Vermietung von Grundstücken ist dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG selbst jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr begünstigt die Vorschrift allgemein die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen durch einen Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden.
So will es auch das Unionsrecht. Damit kann auf die grundlegenden Güter sowie auf Gegenstände und Dienstleistungen, die sozialen oder kulturellen Zielen dienen, ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz angewandt werden kann, soweit von ihnen keine oder nur eine geringe Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung ausgeht; die in Anhang III Nr. 12 MwStSystRL den Mitgliedstaaten gewährte Möglichkeit, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf verschiedene Formen der Beherbergung anzuwenden, ist geeignet, einen breiten Zugang zu den betreffenden Leistungen zu erleichtern, womit einem grundlegenden Bedürfnis eines jeden, der unterwegs ist, entsprochen wird.
Beherbergungsbegriff
Dabei ist der Beherbergungsbegriff des Anhangs III Nr. 12 MwStSystRL weit genug, um auch die kurzfristige Beherbergung von Saisonarbeitern in nicht ortsfesten Wohncontainern zu erfassen.
Ein anderes Verständnis des Begriffs der „Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen“, d.h. das kurzfristige Beherbergen von Fremden in nicht ortsfesten Wohncontainern von der Ermäßigung auszunehmen, würde zudem zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität führen; dieser Grundsatz lässt es nicht zu, gleichartige Gegenstände oder Dienstleistungen, die miteinander in Wettbewerb stehen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln.
Fundstelle: BFH, Urteil vom 13. Dezember 2022 (XI R 13/20), veröffentlicht am 9. März 2023.
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(ESV/cmx)
Programmbereich: Steuerrecht