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Das VG Osnabrück, das VG Ansbach und das VG Hamburg halten die Verkürzung des Genesenenstatus auf 90 Tage für verfassungswidrig (Foto: Janet Worg / stock.adobe.com)
Änderungen beim Status für Genesene

Verwirrung um die Verkürzung des Genesenenstatus in Bezug auf Corona

ESV-Redaktion Recht
14.02.2022
Die kürzlich geänderte SchAusnahmV überträgt formell dem Robert Koch Institut (RKI) die Festlegung der Zeit, in der man als von Corona genesen gilt. Demnach reduziert sich dieser Status im Moment zeitlich auf 90 Tage – gegenüber 180 Tagen zuvor. Diese Verkürzung sorgt für viel Aufsehen. Während die Rechtsprechung hierzu bisher nicht einheitlich ist, sollen die Apotheken unter bestimmten Voraussetzungen wieder Nachweise über einen Genesenenstatus von 180 Tagen ausstellen können, so die Deutsche Apotheker Zeitung.
Die Verkürzung des Genesenenstatus auf 90 Tage erfolgt nicht unmittelbar durch den Gesetz-bzw. Verordnungsgeber. Vielmehr legt nun das RKI die Dauer fest – und zwar mit einem dynamischen Verweis von §§ 2 Nr. 5 der SchAusnahmV zu den folgenden Webseiten des RKIDies hat zu heftigen Kontroversen geführt und es gibt auch schon erste gerichtliche Entscheidungen hierzu. Diese sind allerdings zum Teil gegenläufig. Darüber hinaus sollen die Apotheken unter bestimmten Voraussetzungen wieder Nachweise über einen Genesenenstatus von sechs Monaten ausstellen.
 

VG Dresden lehnt Eilantrag auf Erteilung einer Genesenenbescheinigung mit Geltungsdauer von sechs Monaten ab

In dem Dresdener Streitfall wurde bei dem Antragsteller im Dezember 2021 eine Corna-Infektion festgestellt. Daraufhin erteilte das Gesundheitsamt dem Antragsgegner eine Bescheinigung, nach der die Infektion mit Hilfe einer Laboruntersuchung festgestellt wurde. Die ursprüngliche Bescheinigung ist ab dem 29. Tag nach der Feststellung der Infektion und für längstens sechs Monate gültig. Aufgrund der obigen Verkürzung wollte der Antragsteller feststellen lassen, dass sein Genesenenstatus, wie bisher, für maximal sechs Monate bestätigt wird. Das VG Dresden folgte der Auffassung des Antragstellers aber nicht. Die wesentlichen Überlegungen des Gerichts:
 
  • Bescheinigung gibt lediglich Testergebnis wieder: Eine Genesenenbescheinigung ist lediglich ein verkörpertes oder digitales Testergebnis. Die Ausstellung von sonstigen Bescheinigungen wäre gesetzlich nicht vorgesehen, so das VG. 
  • Kein Anspruch auf bestimmte Inhalte: Damit besteht auch kein Anspruch auf die Erteilung mit einem bestimmten Inhalt. Der vom Antragsteller behauptete Anspruch ist weder der benannten Verordnung noch aus dem IfSG herzuleiten. Gleiches gilt für die VO (EU) 2021/953, die die Ausstellung von digitalen COVID-Zertifikaten in der EU regelt.
  • Verkürzung verfassungsrechtlich unerheblich: Da es solche Ansprüche nicht gibt, wäre die Frage, ob die Verkürzung der Geltungsdauer der Genesenenbescheinigungen verfassungswidrig ist, irrelevant, meint das VG Dresden hierzu.
  • Keine Eilbedürftigkeit: Auch eine besondere Eilbedürftigkeit sahen die Richter aus Dresden nicht. Demnach hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass ihm aufgrund der Verkürzung schwere und unzumutbare Nachteile entstehen. Jedenfalls habe er seinen Vortrag, nach dem er ohne die begehrte Genesenenbescheinigung nicht von der Teilhabe am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben unzumutbar und irreversibel ausgeschlossen würde, nicht belegt. Zudem habe er nicht vorgetragen, warum es ihm unzumutbar wäre, sich gegen Corona impfen zu lassen.
Quelle: PM des VG Dresden vom 11.02.2022 zum Beschluss vom selben Tag – 6 L 97/22

VG Gelsenkirchen: Im Anwendungsbereich der CoronaschutzVO NRW gilt  Genesenennachweis sechs Monate lang

Keinen Erfolg hatte auch ein Eilantrag vor dem VG Gelsenkirchen. Demnach kann die Frage der Zulässigkeit einer dynamischen Verweisung nicht im Eilverfahren geklärt werden. Darüber hinaus fehlte es dem Gericht an schweren, unzumutbaren Nachteilen für die Antragstellerin. Abschließend betonten die Richter aus Gelsenkirchen, dass Coronaschutzverordnung NRW in § 2 Abs. 8 auf die Fassung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung vom 08.05.2021 verweist. Die Folge: Für den Anwendungsbereich der Coronaschutzverordnung NRW ist Genesenennachweis weiterhin sechs Monate lang gültig.

Quelle: PM des VG Gelsenkirchen vom 16.02.2022 zum Beschuss vom 15.02.2022 – 2 L 143/22


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VG Osnabrück: Verkürzung des Genesenenstatus auf 90 Tage ist verfassungswidrig

Demgegenüber hält das VG Osnabrück die Verkürzung des Genesenenstatus auf 90 Tage für verfassungswidrig und wendete die Verordnung in der Fassung vom 08.04.2021 an. Diese Norm bestimmte den Zeitraum für die Geltung des Genesenennachweises auf bis zu sechs Monate. In dem Eilverfahren hat das Gericht daher den Landkreis Osnabrück dazu verpflichtet, dem Antragsteller einen Genesenennachweis auszustellen, der einen Zeitraum von sechs Monaten umfasst. Die tragenden Überlegungen der Entscheidung:
 
Genesenenstatus hat hohe Grundrechtsrelevanz: Der Status der Genesung und seine Dauer haben eine hohe Bedeutung für die Freiheit der Bürger. Nach Auffassung der Osnabrücker Richter liegt es auf der Hand, dass der Ausschluss des Einzelnen von der Teilnahme am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben eine hohe Grundrechtsrelevanz hat. Dies gilt vor allem für: 
 
  • die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Absatz 1 GG,
  • die körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG unter dem Aspekt der psychischen Gesundheit
  • sowie für die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG.
Keine Rechtsgrundlage für dynamische Verweisung auf RKI: Aufgrund dieser Bedeutung verstößt es gegen Verfassungsrecht, wenn der Verordnungsgeber die Dauer des Genesenenstatus nur mittelbar durch einen dynamischen Verweis auf die Web-Seiten des RKI einschränkt. Hierfür gibt es dem VG Osnabrück zufolge keine Rechtsgrundlage. Demnach ist der Verweis auf eine Internetseite, die sich ständig ändern kann, zu intransparent und nicht bestimmt genug.
 
Keine wissenschaftliche Grundlage für Verkürzung des Genesenenstatus: Auch sachlich sah das VG Osnabrück keinen Grund für die Verkürzung. Demnach hat das RKI nicht hinreichend wissenschaftlich belegt, dass der Schutz von Genesenen nach 90 Tagen endet.
 
Parlamentsvorbehalt? Darüber hinaus stellte sich dem VG die Frage, ob so weitgehende Einschränkungen dem Parlamentsvorbehalt unterliegen. Dies ließ das Gericht aber offen.
 
Der Beschluss hat keine Allgemeinwirkung und gilt unmittelbar nur zu Gunsten des Antragstellers. 
 
Quelle: PM des VG Osnabrück vom 04.02.2022 zum Beschluss vom selben Tag – 3 B 4/22


VG Ansbach: § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 ist nach summarischer Prüfung aus formellen Gründen verfassungswidrig

Zum gleichen Ergebnis kann das VG Ansbach: Demnach verstößt die dynamische Verweisung auf die Webseiten des RKI gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz und den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 GG, weil der Gesetzgeber eine derart wesentliche Regelung über den Genesenenstatus einer Behörde überlässt.

Quelle: VG Ansbach: PM des VG Ansbach vom 14.02.2022 – AN 18 S 22.00234

VG Hamburg: Dynamische Verweisung rechtswidrig

Mit ähnlichen Begründungen war auch ein Eilantrag vor dem VG Hamburg erfolgreich. Das Gericht führte noch aus, dass die Möglichkeit einer Kenntnisnahme der einschlägigen Regelungen unzumutbar erschwert wird, weil sich die dynamische Verweisung auf die Internetseite des RKI fast sekündlich ändern kann. Damit wäre nicht gewährleistet, dass die jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt geltende Rechtslage mit Gewissheit nachvollzogen werden kann.

Quelle: PM des VG Hamburg vom 14.02.2022 zum Beschluss vom selben Tag – 4 E 414/22

VG Berlin: Bundesregierung hätte selbst über die Geltungsdauer des Genesenenstatus entscheiden müssen

Zum gleichen Ergebnis wie das VG Osnabrück, das VG Ansbach und VG Hamburg kam nun auch das VG Berlin. Demnach überschreiitet die derzeitige Regelung die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung. Den Richtern aus Berlin zufolge hätte die Bundesregierung selbst über die Verkürzung der Genesungsdauer entscheiden müssen. 

Quelle: PM des VG Berlin vom 17.02.2022 zum Beschluss von 16.02.2022 – VG 14 L 24/22


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Gelten Zertifikate aus Apotheken nun doch wieder sechs Monate? 

Wie die Deutsche Apotheker Zeitung (Stand 16.02.2022) unter Berufung auf das DAV-Portal mitteilt, sollen (bestimmte) Genesenennachweise aus der Apotheke nun wieder 180 Tage gültig sein. Demnach hat das RKI nur die Gültigkeit von Zertifikaten für Personen verkürzt, die nicht geimpft sind. Darüber hinaus sollen Zertifikate nach der zugehörigen EU-Verordnung unabhängig vom Impfstatus 180 Tage gültig sein.

  • In der Tat hat das RKI auf seinen betreffenden Seiten mittlerweile klargestellt, dass die Verkürzung nur für Personen gelten soll, die gar nicht geimpft sind und dass die Genesenenzertifikate bei Geimpften 180 Tage lang gelten sollen.
  • Doch Vorsicht in Bezug auf die EU-Zertifiktate: Nach Auffassung des Gesundheitsministeriums beinhalten die EU-Regelungen nur eine Empfehlung, nach der Genesenenzertifikate höchstens 180 Tage lang gelten sollen. Die deutsche Regelung bewege sich in diesem Rahmen, so das Ministerium weiter. Darüber hinaus wären die Pandemieentwicklungen in Europa unterschiedlich. Deutschland sei noch immer mitten in der Omikron-Welle. Demnach ist die EU-Regelung nicht gleichermaßen in allen Staaten anzuwenden.
  • Zudem sollen die EU-Regelungen wohl nur die Freizügigkeit und das Reisen innerhalb der EU erleichtern, worauf zum Beispiel Art. 11 Absatz 1 VO (EU) 2021/953 hindeutet. Das würde heißen, dass der nationale Gesetzgeber die Gültigkeitsdauer von Zertifikaten sehr wohl auf 90 Tage beschränken dürfte, soweit diese im Inland verwendet werden sollen. Für Reisen innerhalb der EU würden die Zertifikate dann 180 Tage lang gelten. 


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(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht