
VG Hannover: Die Maskenpflicht ist auch bei Demos ein tauglicher Systembaustein zur Senkung des Infektionsrisikos (Foto: Jacob Lund / stock.adobe.com)
Versammlungsfreiheit
VG Hannover: Maskenpflicht bei Demonstrationen rechtmäßig
ESV-Redaktion Recht
30.06.2020
Wie weit sind Beschränkungen, nach denen Teilnehmer von Demos einfache Atemschutzmasken oder sonstige Mund-Nasen-Bedeckungen tragen müssen, rechtmäßig? Hierzu hat sich das VG Hannover aktuell geäußert.
In dem Streitfall hatte die Polizeidirektion Hannover eine Demo nur mit der Einschränkung genehmigt, dass die Teilnehmer Atemschutzmasken oder anderweitige Mund-Nasen-Bedeckungen tragen müssen. Ausnahmen von dieser „Maskenpflicht“ sah der Genehmigungsbescheid nur für Personen vor, für die das Tragen von Masken aufgrund von Vorerkrankungen unzumutbar ist. Die Demo hatte das Thema „Offener Meinungsaustausch zur aktuellen Lage mit Informationen und Visionen für eine friedliche und freie Zukunft“. Der Protest richtete sich auch gegen die „Maskenpflicht“.
Antragsteller: Demozweck aufgrund der „Masken“ nicht erreichbar
Die Veranstalter sahen die „Maskenpflicht“ als rechtswidrig an und stellten einen entsprechenden Eilantrag vor dem VG Hannover. Ihre wesentlichen Argumente:
- Mildere Mittel möglich: Als mildere Mittel wirken auch Abstandsregeln dem Ansteckungsrisiko entgegen.
- Eingriff in körperliche Unversehrtheit: Zudem gefährdet die Mund-Nasen-Bedeckung die körperliche Unversehrtheit, weil sie Schwierigkeiten beim Atmen verursacht.
- Maske behindert Redner: Darüber hinaus werden die Redner auf der Demo durch Mund-Nasen-Bedeckungen massiv behindert.
- Zweck der Demo verfehlt: Schließlich wird der Protest gegen die „Maskenpflicht“ unmöglich gemacht oder sogar in sein Gegenteil verkehrt, wenn die Teilnehmer während der Veranstaltung Mund und Nase bedecken müssen, weil sich ihr Protest auch hiergegen richtet.
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VG Hannover: Maskenpflicht verhältnismäßig
Diese Argumente überzeugten das VG Hannover nicht. Danach rechtfertigt der Schutz hochrangiger Güter – wie Leib und Leben in Verbindung mit dem Schutz des öffentlichen Gesundheitssystems in Pandemiezeiten – die Beschränkungen. Die tragenden Gründe der Entscheidung:
- Höheres Infektionsrisiko bei Versammlungen: Die Teilnehmer erreichen bei Versammlungen eine höhere Aufmerksamkeit für ihr Anliegen vor allem durch gemeinsames und lautes Rufen. Dies steigert gegenüber dem normalen Alltag das Risiko, feine Tröpfchen im näheren Umfeld zu verteilen.
- Maskenpflicht ist tauglicher Baustein zur Bekämpfung der Ansteckungsgefahr: Das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen ist in einem System von unterschiedlichen Maßnahmen zur Reduzierung des Infektionsrisikos ein tauglicher Baustein. Dieser wird vor allem dann wirksam, wenn möglichst viele Personen solche Bedeckungen tragen. Dies gilt vor allem bei Versammlungen unter freiem Himmel, weil andere Maßnahmen – wie etwa das Einhalten von Abständen sowie die und Husten- und Niesetikette – aufgrund der hohen Teilnehmerzahl nicht durchgehend gewährleistet werden können.
- Gesundheitsgefahr, die von Masken ausgeht, ausreichend berücksichtigt: Die Gefahr, die für einzelne Personen von den Mund-Nasen-Bedeckungen ausgehen kann, hat die Polizeidirektion Hannover gerade durch die gewährten Ausnahmen hinreichend berücksichtigt.
- Behinderung der Rede wird durch Verstärkung der Stimmen ausgeglichen: Zwar sahen die VG-Richter, dass die Redner aufgrund der Masken beim Sprechen behindert werden. Dennoch meinten sie, dass diese Einschränkung verhältnismäßig ist, weil die Stimmen der Sprecher elektroakustisch verstärkt werden.
- Zweck der Demo auch mit Maske erreicht: Die weitere Befürchtung der Veranstalter, dass der Zweck des Protestes unmöglich gemacht oder sogar ins Gegenteil verkehrt wird, teilte das Gericht ebenfalls nicht. Dem Richterspruch zufolge verschafften sich die Teilnehmer der Demo schon aufgrund der Tatsache, dass ihre Protestaktion stattfindet, Gehör und Aufmerksamkeit.
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(ESV/bp)
Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht