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Das VG Schleswig hat Zweifel dran, dass die Gesundheitsämter gegenüber dem Pflegepersonal über einen Verwaltungsakt die Vorlage von Impfnachweisen erzwingen dürfen (Foto: janvier /stock.adobe.com)
Corona – Impfpfnachweis bei Mitarbeitern im Pflegebereich

VG Schleswig und OVG Lüneburg: Drohbescheide der Gesundheitsämter an ungeimpftes Pflegepersonal sind rechtswidrig

ESV-Redaktion Recht
22.06.2022
Entspricht die bisher gängige Praxis der Gesundheitsämter, nach der die Behörden von Pflegern und Krankenschwestern per Verwaltungsakt Impfnachweise fordern und Bußgelder androhen, geltendem Recht? Mit dieser Frage hat sich das VG Schleswig befasst.
In dem Streitfall wollte sich eine Zahnarzthelferin aus Flensburg nicht gegen Corona impfen lassen. Die zuständige Gesundheitsbehörde forderte die Helferin mit Bescheid vom 28.04.2022 dazu auf, bis Anfang Juni einen Impf- oder Genesenen-Nachweis vorzulegen. Alternativ hätte die Helferin auch eine ärztliche Bescheinigung darüber vorlegen können, nach der bei ihr medizinische Gründe gegen eine Corona-Impfung vorliegen.
 
Für den Fall, dass die Helferin der behördlichen Aufforderung nicht nachkomme, könne gegen sie ein Bußgeld von bis zu 2.500 Euro verhängt werden, hieß es in dem obigen Schreiben weiter. Darüber hinaus wies die Behörde darauf hin, dass sie der Helferin ihre berufliche Tätigkeit in der Zahnarztpraxis untersagen könne – verbunden mit dem Verbot, die Praxis zu betreten. Schließlich ordnete das Gesundheitsamt die sofortige Vollziehung ihres Verwaltungsaktes an. Die Folge: Ein Widerspruch und eine Klage der Betroffenen hätten keine aufschiebende Wirkung.
 
Da der anschließende Widerspruch der Zahnarzthelferin vor dem Gesundheitsamt erfolglos blieb, zog sie mit einem Eilantrag vor das VG Schleswig. Dieser Antrag hatte das Ziel, die aufschiebende Wirkung ihres Rechtsbehelfs wiederherzustellen.

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VG Schleswig: Anordnung zur Vorlage des Impfnachweises per Verwaltungsakt (VA) offensichtlich rechtswidrig

Der Eilantrag der Zahnarzthelferin hatte vor der 1. Kammer des VG Schleswig Erfolg. Die Kammer nahm eine Interessenabwägung mit dem Ergebnis vor, dass das private Aufschubinteresse der Zahnarzthelferin Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des VA haben soll. Zur Klarstellung: Es geht dabei also nicht unmittelbar um die Impfpflicht als solche. Die weiteren tragenden Erwägungen der Kammer:
 
  • Anordnung zur Vorlage des Impfnachweises per VA offensichtlich rechtswidrig: Die Kammer hält die mit dem obigen Bescheid ausgesprochene Anordnung zur Vorlage eines Impfnachweises für offensichtlich rechtswidrig. Demnach hätte die Behörde schon die Einsicht in die Impfstatus-Unterlagen nicht im Rahmen eines Verwaltungsakts anordnen dürfen. 
  • Impfpflicht für Pflegepersonal im Ermessen der Gesundheitsbehörden: Zudem verweist die Kammer darauf, dass die Gesundheitsämter einen Ermessensspielraum darüber haben, ob sie ungeimpftem Pflegepersonal die Arbeit in ihren Einrichtungen oder das Betreten untersagen. Gegenüber ungeimpftem Pflegepersonal sind also nach wie vor Sanktionen möglich; nur eben keine Bußgelder.
  • Nur indirekter Impfdruck? Für dieses Ergebnis spricht der Kammer zufolge auch die Gesetzessystematik. Demnach soll die Androhung von beruflichen Nachteilen für ungeimpftes Pflegepersonal einen indirekten Impfdruck erzeugen.


Update: OVG Lüneburg entscheidet ähnlich

Eine ähnliche Entscheidung hat inwischen das OVG Lüneburg getroffen. Auch danach kann die Corona-Impfung bei Personen, die in bestimmten Pflegeeinrichtungen arbeiten, kann nicht mit einem Zwangsgeldes durchgesetzt werden. 

Demnach gibt § 20a Absatz 5 Satz 3 IfSG den Betroffenen nur die Wahl, entweder ihre bisherige Tätigkeit aufzugeben oder aber in die Impfung einzuwilligen. Dementsprechend können die Gesundheitsamt bei Nichtvorlage eines Nachweises auch nur ein sofort vollziehbares Betretens- oder Tätigkeitsverbot auszusprechen.

Die Folgen der Entscheidungen

Die Entscheidungen des VG Schleswig sowie des OVG Lünbeburg haben die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der betoffenen Personen wieder hergestellt. 
 
Die Entscheidungen wirken unmittelbar aber nur zugunsten der Betroffenen in den jeweiligen Verfahren.
 
Allerdings können die Behörden den beiden Entscheidungen zufolge ungeimpftem Pflegepersonal weiterhin prinzipiell verbieten, ihrer Tätigkeit nachzugehen oder ihre Arbeitsstelle aufzusuchen. Tiefgehende Sanktionen für ungeimftes Personal bleiben also auch den beiden Entscheidungen nicht ausgeschlossen.
 
Quellen:
 
  • Meldung auf Focus-Online vom 15.06.2022 zur Entscheidung des VG Schleswig vom 13.06.2022 – 1 B 28/22
  • Meldung auf Anwalt.DE vom 16.06.2022
  • PM des OVG Lüneburg 22.06.2022 zum Beschluss vom selben Tag  14 ME 258/22 


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(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht