VGH München: Fahrerlaubnisentzug bei erstmaliger Fahrt unter Cannabiseinfluss nicht zwingend
Eine Blutprobe des Klägers ergab Werte von 3,7 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), 55,2 ng/ml THC-Carbonsäure (TCH-COOH) und 1,9 ng/ml 11-Hydroxy-THC (11-OH-THC). Daraufhin verhängte die Bußgeldbehörde gegen den Kläger eine Geldbuße und ein Fahrverbot von einem Monat. Zudem entzog das Landratsamt Starnberg dem Kläger nach einer Anhörung die Fahrerlaubnis für alle Klassen.
Landratsamt Starnberg: Kläger ist ungeeignet zum Fahren
Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, der Kläger wäre nach Nr. 9.2.1 und 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) nicht in der Lage, den Konsum von Cannabis vom Führen eines Kraftfahrzeugs zu trennen. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers und seine Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) München blieben erfolglos. Gegen die Entscheidung des VG legte der Kläger Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH München) einKläger: Entzug der Fahrerlaubnis verstößt gegen Gleichbehandlungsgrundsatz
Dort machte der Kläger geltend, dass er nur eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen habe. Daher müsse er genauso behandelt werden wie alkoholisierte Kraftfahrer. In diesen Fällen werde erst bei der zweiten einschlägigen Ordnungswidrigkeit ein medizinisch-psychologisches Gutachten angefordert. Damit sei der Gleichheitssatz verletzt.VGH München: Fahrerlaubnisbehörde kann Fahreignungsgutachten nach Ermessen anfordern
Nach Auffassung der Münchner Richter kann die Fahrerlaubnisbehörde dem Betroffenen nicht ohne weitere Aufklärung die Fahrlaubnis entziehen. Dabei ließ sich das Gericht von folgenden Erwägungen leiten:Kläger ist zwar gelegentlicher Cannabiskonsument: Der VGH stufte den Kläger zunächst zwar als gelegentlichen Cannabiskonsumenten im Sinne von § 14 Absatz 1 Satz 3 FeV in Verbindung mit der Nr. 9.2.2 der zugehörigen Anlage 4 ein. So habe der Kläger zugestanden, dass er in einem zeitlichen Zusammenhang zu seiner Drogenfahrt ein weiteres Mal Cannabis eingenommen hatte, meint das Gericht.
Kläger verstieß auch gegen Trennungsgebot: Ebenso ging der VGH davon aus, dass der Kläger mindestens einmal gegen das Gebot der Trennung von Autofahren und Cannabiskonsum verstoßen hatte.
Im Wortlaut: § 14 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) - Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel (Auszug) |
(1) (…) Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens kann angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. (2) Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist für die Zwecke nach Absatz 1 anzuordnen, wenn (….) 3. wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a des Straßenverkehrsgesetzes begangen wurden (..). |
Aber - einmaliger Verstoß gegen Trennungsgebot führt nicht automatisch zur Nichteignung: Allerdings, so der VGH weiter, sei bei einem einmaligen Verstoß gegen dieses Trennungsgebot nicht automatisch davon auszugehen, dass der betreffende Fahrzeugführer ungeeignet wäre zum Führen von Kraftfahrzeugen. Vielmehr müsse man die entsprechende Regelung für den Alkoholkonsum vergleichend beachten. Dort ordnet der Normgeber dem Gericht zufolge bei einer wiederholten Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss eine medizinisch-psychologische Untersuchung an. Dies ergebe sich aus § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV. Daraus zieht das Gericht für den gelegentlichen Cannabiskonsums folgende Schlüsse:
- Bei der ersten Zuwiderhandlung könne nach § 14 Absatz 1 Satz 3 FeV ein Fahreignungsgutachten im Ermessenswege angeordnet werden.
- Erst bei einer zweiten Zuwiderhandlung sei die Anordnung eines solchen Gutachtens nach § 14 Absatz 2 Nr. 3 FeV zwingend.
Entscheidung sehr umstritten
Für die Ansicht des VGH Bayern spricht in der Tat die Systematik von § 14 FeV in Verbindung mit Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu der Verordnung. Allerdings ist die Auffassung äußerst umstritten. So sind unter anderem folgende Gerichte der Meinung, dass dem Betroffenen bei gelegentlichem Cannabiskonsum nach der ersten Drogenfahrt zwingend die Fahreignung abzusprechen und die Fahrerlaubnis zu entziehen ist:- OVG Rheinland-Pfalz - Beschluss vom 03.05.2017 - AZ: 10 B 10909/17.OVG (Vgl.: Verkehrsrechtssammlung VRS 131/16, Heft 5 Nr. 69)
- VGH Mannheim - Beschluss vom 07.03.2017 - AZ: 10 S 328/17
- OVG Münster - Urteil vom 15.03.2017 - AZ: 16 A 432/16
- OVG Lüneburg - Beschluss vom 07.04.2017 - AZ: 12 ME 49/1
- OVG Berlin-Brandenburg - Beschluss vom 28.06.2017 - AZ: OVG 1 S 27.17
Lesen Sie das Urteil des VGH München vom 25.04.2017 - AZ: 11 BV 17.33 in unserer Verkehrsrechtssammlung VRS Band 131/16, Heft 5 Nr. 64
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