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Prof. Dr. Petra Senne und Dr. Günther Schöffner (Fotos: privat)
Nachgefragt bei Dr. Günther Schöffner und Prof. Dr. Petra Senne

„Viele Manager tun sich im Umgang mit dem Betriebsrat schwer”

ESV-Redaktion ConsultingBay
29.10.2021
Das Miteinander von Betriebsrat und Management sorgt immer wieder für Zündstoff. Im ESV-Interview sprechen wir mit Dr. Günther Schöffner und Prof. Dr. Petra Senne über die größten Herausforderungen der Zusammenarbeit zwischen Management und Betriebsrat.
Das Miteinander von Betriebsrat und Management sorgt immer wieder für Zündstoff. Aktuelles Beispiel VW: Vorstand Herbert Diess sagte zunächst die Teilnahme an einer Betriebsversammlung zugunsten einer USA-Reise ab, nach Kritik der Betriebsratschefin Daniela Cavallo will er sich nun aber doch den Fragen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stellen. Im ESV-Interview sprechen wir mit Dr. Günther Schöffner und Prof. Dr. Petra Senne über die Kooperation mit dem Betriebsrat aus der Managementperspektive heraus.

Herr Dr. Schöffner, Frau Prof. Senne, was hat Sie beide dazu veranlasst, sich mit dem Thema Betriebsrat aus der Perspektive der Geschäftsführung zu beschäftigen?


Günther Schöffner/Petra Senne: Die jahrzehntelange Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Betriebsräten sowohl als Manager und Geschäftsführer als auch als Berater. Dabei hat sich gezeigt, dass sich viele Manager im Umgang mit dem Betriebsrat schwertun und eine schlechte Zusammenarbeit zwischen den Betriebspartnern für ein Unternehmen und dessen Stakeholder äußerst nachteilig sein kann. Ziel war, Managern einen Leitfaden an die Hand zu geben, wie sie die Zusammenarbeit zum Wohl des Unternehmens aktiv verbessern und sich für die Kooperation mit Betriebsräten eine hinreichende Souveränität erarbeiten können. Das stellte sich für uns als Lücke in der Managementliteratur dar, denn Bücher und Seminare, anhand derer Betriebsräte ihre Professionalität und Souveränität in der Zusammenarbeit mit Managern ausbauen können, gibt es genug. Für Manager ist hingegen sehr wenig Material verfügbar und passende Lehrgänge oder Coachings gibt es auch kaum. Doch brauchen nicht nur Betriebsräte eine hinreichende Kompetenz für die Kooperation, sondern vor allem auch die Führungskräfte. Nur so kann Betriebsratszusammenarbeit für ihre Unternehmen größtmöglichen Nutzen bringen.

Wie wird sich in Zeiten des Wandels und der unternehmerischen Transformation – Stichwort Digitalisierung, Klimaschutz, Frauenquote und Diversity – auch die betriebliche Mitbestimmung verändern? Welche Auswirkungen hat das auf das Management und dessen Umgang mit dem Betriebsrat?

Günther Schöffner/Petra Senne: Die Megathemen des Jahrzehnts – Klimaschutz und Digitalisierung – beschäftigen selbstverständlich auch die betrieblichen Akteure. Die Arbeitsbedingungen verändern sich hierdurch massiv. Diese Prozesse zu begleiten ist Aufgabe der Betriebsräte und setzt daher eine Zusammenarbeit voraus. Hierbei ergeben sich durch neue Arbeitsformen wie Homeoffice, agiles Arbeiten, Echtzeitüberwachungen auch neue Fragen, etwa nach dem Betriebsbegriff oder der Arbeitnehmereigenschaft. Der Transformationsprozess kann nur gelingen, wenn alle Akteure zusammenarbeiten. Aber auch die Arbeit des Betriebsrats als solche und die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung wird sich zunehmender Digitalisierung zu stellen haben.

„Die Kooperation aktiv und souverän gestalten und den vollen juristischen Rahmen einer möglichst vertrauensvollen Zusammenarbeit ausschöpfen”

Insofern sollte der Tenor unseres Buches beherzigt werden, egal welche Themen jeweils zu behandeln sind oder welche Konstellation das Gremium hat: Manager sollten die Kooperation mit Betriebsräten aktiv und souverän gestalten und den vollen juristischen Rahmen zur Etablierung einer möglichst vertrauensvollen Zusammenarbeit in juristischer und Managementsicht ausschöpfen, ohne die notwendige und förderliche Balance zwischen Geben und Nehmen zu oft oder gar dauerhaft zu verlassen. Dies gilt vice versa für Betriebsräte.

Gleichbehandlung und Diversity sind für die Betriebsratsarbeit keine neuen Themen, sondern aufgrund der gesetzlichen Vorgaben bereits immer Aufgabe der Betriebspartner. Die Bereitschaft zur Übernahme eines Ehrenamts vorausgesetzt, sind Betriebsräte divers besetzt.

Welche alternativen Formen der betrieblichen Mitbestimmung gibt es? Was hat sich bewährt? Was ist eher ein Auslaufmodell? Wie wird die Zukunft aussehen?

Günther Schöffner/Petra Senne: Wie der gesetzliche Rahmen der Zukunft der Mitbestimmung aussieht und ob und welche gesetzlichen Alternativen zum Betriebsrat es geben wird, entscheidet allein der Gesetzgeber. Dementsprechend wird sich auch die zukünftige Zusammenarbeit der Betriebspartner gestalten müssen. Doch egal, wie dieser gesetzliche Rahmen aussehen wird, empfiehlt sich auch hier die von uns propagierte vertrauensvolle Ausgestaltung unter Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens mit einer für die Stakeholder maximalen Nutzen stiftenden Balance von Geben und Nehmen. Denn genau das hat sich bewährt. Auslaufmodell soll die lange Zeit häufig in Form von dogmatischen Grabenkämpfen praktizierte Zusammenarbeit sein: Hier die Arbeitnehmer, dort die Arbeitgeber, die einen sind die Guten, und die jeweils anderen die Schlechten. Ein stärkeres Miteinander ist nicht nur durch die rasch veränderlichen Rahmenbedingungen der Wirtschaftswelt geboten, dies wird auch durch ein verändertes Selbstverständnis der nachfolgenden Generationen gefordert.

„Vertretungsgremien, die sich durch eigens geschaffene Statuten und nicht das Gesetz legitimieren”

Dies erfordert auch andere Formen der betrieblichen Mitbestimmung, die derzeit nur eingeschränkt innerhalb, ansonsten jenseits des Betriebsverfassungsgesetzes möglich sind. Bereits heute vereinbaren einzelne Unternehmen mit den Arbeitnehmern Vertretungsgremien, die sich durch eigens geschaffene Statuten und nicht durch das Gesetz legitimieren. Wesentlicher Treiber ist in diesen Fällen die Tatsache, dass die Belegschaften den gesetzlichen Rahmen für ihre Bedürfnisse als nicht mehr zeitgemäß und hinreichend adäquat erachten. Da sich die Anforderungen an die Mitarbeiterbeteiligung sehr dynamisch verändern, bleibt abzuwarten, ob sich mehr Vertretungsgremien auf Basis eigener Statuten etablieren oder ob der Gesetzgeber dieser Dynamik schneller als bisher Rechnung trägt und entsprechende gesetzliche Möglichkeiten schafft. Fest steht jedenfalls, dass Mitarbeiter selbstbewusster als bisher eine Form der Mitbestimmung suchen, die stärker ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechen und sich nicht mehr allein durch den gesetzlich bestehenden Rahmen in ihrer Mitwirkung beschränken lassen wollen. Dies wird aber vor allem für die Vertreter und weniger für die beteiligten Manager zu stärkeren Herausforderungen führen. Letztlich könnten hierdurch Mitbestimmungsstrukturen in Bereichen geschaffen werden, in denen bisher keine Mitarbeitervertretung vorhanden ist. Insbesondere für die Generation X und Y wird es auch darauf ankommen, dass sie Zusammenarbeit weniger durch Macht als inhaltlich geprägt ist.

Woran erkennt man einen guten Betriebsrat? Jeweils aus Sicht des Arbeitgebers, aus Sicht der Arbeitnehmer?


Günther Schöffner/Petra Senne: Kompetent, ziel-, fakten- und lösungsorientiert, nicht dogmatisch, balanciert, fair. Dies sind aus beiden Sichten sehr wichtige Attribute, die einem guten Miteinander zum Nutzen aller sehr förderlich sind. Gute Akteure – egal auf welcher Seite – orientieren sich an den gestellten Aufgaben und stellen inhaltliche Fragen in den Vordergrund, nicht aber die eigene Person.


Dr. Günther Schöffner und Prof. Dr. Petra Senne
Dr.-Ing. Günther Schöffner, MBA, Unternehmensberater und Change Manager. In verschiedenen Rollen begleitet er seit mehr als 20 Jahren viele Veränderungsprojekte: als Geschäftsführer, CEO, General Manager, Aufsichtsrat, interner Projektleiter oder externer Berater und Coach. Hierbei hat er verschiedene Facetten der Kooperation mit Betriebsräten kennengelernt. Seit 2011 ist er Excellence Assessor der EFQM in Brüssel.

Prof. Dr. Petra Senne ist Professorin am Fachbereich Wirtschaftsrecht der Westfälischen Hochschule. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt seit mehr als 30 Jahren auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und Betriebsverfassungsrechts. Sie war u.a. als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesarbeitsgericht tätig. In Schulungen vermittelt sie Führungskräften und Betriebsräten die rechtlichen Grundlagen der betrieblichen Zusammenarbeit.


Was ist jeweils wichtig für eine beiderseitig gedeihliche Zusammenarbeit? Wo muss auch mal das Management über den eigenen Schatten springen? Wo der Betriebsrat?


Günther Schöffner/Petra Senne: Wichtig ist, dass beide Seiten das Große und Ganze sehen und sich nicht in kleinen Dingen verzetteln. Des Weiteren müssen hier das gelebte Miteinander und eine belastbare, vertrauensvolle Form der Zusammenarbeit Erwähnung finden. Genau darum geht es ja in unserem Buch: Wie lässt sich eine dauerhafte, vertrauensvolle Zusammenarbeit etablieren, die das langfristige Wohl von Unternehmen und Stakeholder zum Ziel hat? Dies zu etablieren dauert erfahrungsgemäß eine gewisse Zeit, denn oft müssen die Beteiligten erst lernen, statt der kleinen Dinge das Gesamtbild vor Augen zu haben. Das ausgewogene Geben und Nehmen spielt hierbei eine große Rolle. Wenn eine Partei ständig mehr verlangt und die andere ständig Zugeständnisse machen muss, ist das keine Partnerschaft. So werden sich langfristig Fronten bilden. Will man diese aufbrechen, muss vielleicht am Anfang mehr über den eigenen Schatten gesprungen werden als sonst.

„Sich jeweils nicht beleidigt verschanzen, die andere Partei schlecht machen oder auf Vergeltung setzen ist essenziell”

Wichtig ist trotz aller Gegensätze und unterschiedlichen Interessen der Dialog. Um es hier noch einmal deutlich zu machen: Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bedeutet nicht, dass es nur nett und freundlich zugeht und beide Parteien im „Schmusekurs“ stets schnell ausgewogene Lösungen finden. Es gibt auch harte Verhandlungen, diese aber lösungsorientiert und möglichst fair. Hierzu müssen beide Parteien auch bereit sein, Kompromisse einzugehen, sprich über ihren Schatten zu springen, egal welche Inhalte gerade gemeinsam diskutiert werden. Dies schließt ein, dass die jeweils andere Partei auch hin und wieder einen Treffer landet oder einen Sieg davonträgt, den man gern für sich selbst eingefahren hätte. Diesen Erfolg des anderen anzuerkennen und sich nicht beleidigt zu verschanzen, die andere Partei schlecht zu machen oder auf Vergeltung zu setzen, ist für die Zusammenarbeit essenziell. Hier kann in der dauerhaften Beziehung sehr viel kaputt gemacht werden.

Zum Geben und Nehmen gehört eben auch, dass man nicht nur gibt, sondern manchmal auch verliert und alle beteiligten Manager und Mitarbeiter dies sehen können. Hier wieder das gemeinsame Miteinander zu suchen, bedeutet wahre Größe der Beteiligten und letztlich vertrauensvolle Zusammenarbeit. Die Beteiligten auf beiden Seiten benötigen daher nicht nur die fachliche, sondern auch soziale und Managementkompetenz. Daher sollten Manager darauf achten, dass ihre Betriebsräte eine hinreichende Aus- und Fortbildung erhalten.

Lesen Sie den zweiten Teil des Interviews hier auf ConsultingBay.

Professionelle Zusammenarbeit von Geschäftsführung und Betriebsrat

Autoren: Dr. Günther Schöffner, Prof. Dr. Petra Senne

Für Geschäftsführung und Management ist die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat häufig herausfordernd. Um als Führungskraft mit der nötigen Souveränität zu agieren und sicher zu entscheiden, sind Kenntnisse des gesetzlichen Rahmens unverzichtbar.

Wie Sie eine langfristig vertrauensvolle und tragfähige Kooperation der Betriebsparteien etablieren, zeigen Ihnen Günther Schöffner und Petra Senne sowohl aus Management- als auch juristischer Perspektive. Erfahren Sie in diesem innovativen Praxisbuch, wie Sie

  • gesetzliche Grundlagen und Handlungsrahmen der Betriebspartner u.a. auf Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes sicher anwenden,
  • typische Verhaltens- und Reaktionsmuster von Managern und Betriebsräten einschätzen, Machtmissbrauch erkennen und Fehlentwicklungen gegensteuern,
  • häufige Konfliktfälle und regelmäßige Fragestellungen, z.B. zu Fortbildungsansprüchen, Arbeitsbedingungen oder Verträgen verbindlich klären.

Ein einzigartiger Ratgeber für verantwortliche Manager - mit über 50 anschaulichen Fallbeispielen aus der Unternehmenspraxis - zur erfolgreichen Kooperation mit dem Betriebsrat.

 (ESV, uw)

Programmbereich: Management und Wirtschaft