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Betriebsrentenpunkte durch höhere Sparquoten sind problematisch (Foto: Jeanette Dietl/Fotolia.com)
Reform der betrieblichen Altersversorgung (bAV)

Wallrabenstein: Betriebsrentenstärkungsgesetz - eine kritische Betrachtung

ESV-Redaktion Recht
19.09.2017
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) wird am 01.01.2018 in Kraft treten. Die Reform eröffnet die Möglichkeit, per Tarifvertrag eine betriebliche Altersversorgung einzuführen. Prof. Dr. Astrid Wallrabenstein würdigt die Reform in der Fachzeitschrift SGb kritisch.
Sie beginnt mit dem Hinweis, dass der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode eine Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) vorsah. Das am 7. Juli 2017 im Bundesrat beschlossene Betriebsrentenstärkungsgesetz wollte diese Verpflichtung einlösen. Aber schon die Zielsetzungen, die sich hinter der „Stärkung von Betriebsrenten” verbergen, sind nach Ansicht von Wallrabenstein undeutlich. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen sind die drei Säulen der Altersversorgung. So gelte seit der Rentenreform 2001, dass die Altersversorgung auf das nachstehend dargstellte „Drei Säulen-Konzept” gestützt werden soll. 

Drei-Säulen-Konzept: Darauf basiert die Altersversorgung
  • gesetzliche Rentenversicherung
  • betriebliche Altersversorgung (bAV)
  • individuelle private Altersvorsorge

Rentenniveau sinkt

Um die Beitragssätze stabil zu halten, soll bis 2030 allerdings das gesetzliche Standardrentenniveau auf 43 Prozent des vergleichbaren Erwerbseinkommens sinken.

Damit diese unterschiedlichen Säulen in ihrer Summe dennoch zu einem Gesamtversorgungsniveau von mehr als 50 Prozent des vergleichbaren Erwerbseinkommens führen, sollen zum Ausgleich die umlagefinanzierten und demografieanfälligen gesetzlichen Renten zunehmend durch Kapitalerträge ersetzt werden.

Betriebliche Altersversorgung als zweite Säule

Die bAV, zur zweiten Säule aufgewertet, hatte bereits seit 1974 durch das BetrAVG ihren Platz in der deutschen Altersversorgung gefunden. Im Jahr 2001 wurde sie in einigen Rentenreformelementen gestärkt. Eines ihrer wichtigsten Elemente ist die Entgeltumwandlung. Nach dieser können die Arbeitnehmer individuell von ihrem Arbeitgeber verlangen, Teile Ihres Lohns in Betriebsentgeltpunkte umzuwandeln. Für das umgewandelte Entgelt fallen keine Sozialversicherungsbeiträge und keine Steuern an.

Hauptdefizite des bisherigen bAV-Modells sind aber, so Wallrabenstein weiter, dass es nicht alle Arbeitnehmer erreicht. Die Gründe hierfür wären vielfältig. Einen Hauptgrund sieht sie darin, dass eine bAV traditionell nur von großen Unternehmen angeboten wird. Rund 60 Prozent der Arbeitnehmer wären in Deutschland aber bei kleinen und mittelständische Unternehmen beschäftigt. Zudem fehle gerade dort oft der tarifpartnerschaftliche Druck, weil Tarifabdeckung und Mitbestimmung dort nicht hinreichen.

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Mehr Betriebsrente kein Allheilmittel

Vordergründig müssten also die Betriebsrenten steigen, so die Autorin weiter. Dennoch ist diese Rechnung ihrer Auffassung nach zu einfach, was sie an folgenden Punkten ausmacht:  
  • Höhere Sparquoten der Betriebsrentenanwärter: Zur Erreichung eines gleichbleibenden Rentenniveaus bleibe im Ergebnis nur der Weg, die Beiträge in die bAV zu erhöhen.
  • Aber - Entgeltumwandlung in Betriebsrentenpunkte führt zu größerer Versorgungslücke bei gesetzlicher Rente: Werden die neuen Beiträge zur bAV durch Entgeltumwandlung in Betriebsrentenpunkte generiert, sinkt bei entsprechendem Umfang der individuelle gesetzliche Rentenanspruch, führt sie hierzu aus. Der Grund hierfür: Das hierdurch entstehende höhere sozialversicherungsfreie Entgelt fehlt bei der Berechnung der gesetzlichen Rente.  
  • Kaum bessere Renditen bei der bAV: Zudem setze die Entgeltumwandlung zwingend voraus, dass die Rendite der bAV besser ist als die der gesetzlichen Rente, um die weitere gesetzliche Rentenabsenkung auszugleichen. Jedoch hätten die Renditen der bisherigen bAV diese Erwartungen nicht erfüllt. 
Die Autorin
Prof. Dr. Astrid Wallrabenstein ist Professorin an der Goethe Universität Frankfurt am Main für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt im Sozialrecht.

Politischer Selbstzweck?

Die Begründung des Gesetzentwurfes geht der Verfasserin zufolge recht unspezifisch davon aus, dass die Ausweitung der betrieblichen Altersversorgung wünschenswert sei. Daher fragt sie, ob dies nicht ein Stück weit zum politischen Selbstzweck wird. Zumindest würde dies zu einem gefühlten Konsens passen, dass Betriebsrente doch etwas Positives sei.

Arbeitnehmer als Teilhaber des Kapitals?

Auch die Argumente, nach denen die Arbeitnehmerschaft durch Beteiligung am Produktivkapital auch an dessen Chancen fair beteiligt wird, klingen der Autorin zufolge nach der Abwandlung einer alten Idee von Bismarck. Dieser meinte, dass er den Widerstand der Arbeiterschaft gegen den Staat dadurch auffangen kann, dass er Arbeiter zu Staatsrentnern macht: Werden Arbeiter auch zu Kapitalrentnern, sehen sie sich nicht mehr als Gegner, sondern als Teilhaber des „Kapitals”. Allerdings lässt Wallrabenstein offen, ob auch der aktuelle Gesetzgeber tatsächlich solche strategischen Überlegungen angestellt hat.

Riskantere Anlageformen

Nach Einschätzung von Wallrabenstein wird die Einführung der reinen Beitragszusage vor allem zu einer Umschichtung von bestehenden Betriebsrenten zu risikoreicheren Anlageformen führen.

Was daraus folgt
Zwar gelte die Verbreitung und Stärkung der Betriebsrente allgemein als wünschenswert, meint Wallrabenstein abschließend. Allerdings beliebe unklar, warum. So fällt ihr Fazit zum Betriebsrentenstärkungsgesetz denn recht ernüchternd aus:  
  • Offen bleibe, ob die Reform tatsächlich die Zahl der Betriebsrentner erhöht. Demgegenüber hält sie es für wahrscheinlicher ist, dass dies nur im engeren Fokus des Steuerzuschusses für Betriebsrentenzusagen an Geringverdiener geschieht.
  • Im Weiteren ist die Autorin der Auffassung, dass die Reform vor allem die freiwillige Altersvorsorge privilegiert. In ihrem Beitrag in der Fachzeitschrift SGb begründet sie dies und die daraus abzuleitenden Konsequenzen ausführlich.

Den vollständigen Beitrag lesen Sie hier: Betriebsrentenstärkung – um welchen Preis?

Steuerliche Förderungsmöglichkeiten im Blick
Der Kommentar, Staatliche Förderung der Altersvorsorge und Vermögensbildung, herausgegeben von Dr. Heinz-Gerd Horlemann, Dipl.-Finanzwirt (FH), erschließt Ihnen dieses komplexe Beratungsfeld mit fundierten Ausführungen und verschafft Ihnen einen umfassenden Einblick in eine Fülle steuerlich vorteilhafter Fördermöglichkeiten.

(ESV/bp)

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung