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Wie lernen Kinder Sprachen? (Foto: Oksana Kuzmina/Fotolia.com)
Die neurologische Seite der Grammatik

Was hat Grammatik mit Denken zu tun? Mehr, als Sie glauben

ESV-Redaktion Philologie
15.05.2018
Wir alle nutzen Grammatik, wenn wir sprechen, nur sind wir uns dessen oft nicht bewusst. Nun gibt es neue Erkenntnisse dazu, wo die Grammatik im Gehirn angesiedelt ist – und was sie mit Denken und Empathie zu tun hat.
Vielleicht haben Sie schon einmal von Broca- und Wernicke-Areal gehört: Diese beiden Gegenden auf der Hirnrinde sind dafür zuständig, Sprache zu produzieren. Vereinfacht gesagt, ist das Broca-Areal für die Grammatik zuständig (das korrekte Sprechen) und das Wernicke-Areal für das mentale Lexikon (die Vokabeln). Wie diese beiden Regionen miteinander interagieren, war bis dato aber vollkommen unbekannt.

Verbindung der Sprachzentren

Forscher am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaft haben jetzt die anatomische Verbindung zwischen beiden Sprachzentren gefunden, nämlich ein ausgeprägtes Bündel von Nervenfasern tief im Inneren des menschlichen Gehirns. Dieses Bündel ist bei allen anderen Tierarten wesentlich weniger bis gar nicht ausgeprägt. Auch bei Säuglingen ist diese Nervenbrücke noch schwach. Forscher haben nun nachweisen können, dass die Verbindung umso stärker ausgebaut ist, je weiter vorangeschritten der junge Mensch in seiner sprachlichen Entwicklung ist.

Diese Entdeckung ist nichts weniger als eine kleine Sensation: Stellt diese Nervenbrücke im Gehirn doch wahrscheinlich genau den Ort dar, an dem Worte aus dem mentalen Lexikon, dem Wernicke-Areal, mit der im Broca-Areal gespeicherten Grammatikinformation zu einer syntaktisch korrekten sprachlichen Äußerung verschmolzen werden. Sprachwissenschaftler sagen zu dieser bislang nur theoretisch relevanten Operation merge und beziehen sich dabei auf die Theorie der Universalgrammatik des amerikanischen Linguisten Noam Chomsky.

Universalgrammatik

Nach Chomsky gibt es einen mentalen Bauplan für den Erwerb von Sprache, den jeder Mensch von Geburt an in sich trägt. Dieser Bauplan ist bei jedem Menschen gleich und unabhängig davon, in welche Kultur und Sprache er hineingeboren wird. Entscheidend für den Erwerb der jeweiligen Erstsprache ist der sprachliche Input von Eltern und Bezugspersonen, den das Kind erhält: Durch aufgeschnappte Äußerungen werden am grammatischen Grundgerüst Schalter umgelegt, die aus der Universalgrammatik im Verlaufe der Kindheit schließlich die Grammatik der Erstsprache formen. Dabei handelt es sich um Parameter wie „stelle das Adjektiv immer voran“ oder „benutze stets ein Subjekt“.

Zentrales Element des Aufbaus jeder Sprache ist nach dem amerikanischen Linguisten die sogenannte Rekursion, d. h., Satzelemente können prinzipiell unendlich oft wiederholt und ineinander verschachtelt werden: „Ich denke, dass er denkt, dass sie denkt, dass wir denken...“ Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Suggeriert man einem Hund, dass Herrchen das verbotene Würstchen nicht sehen kann, so läuft er los und schnappt sich das Leckerli. Auch Affen verfügen über diese Fähigkeit, aber nur der Mensch kann die Verschachtelung über den ersten Grad hinaus denken – und nur der Mensch kann sprechen, nur der Mensch verfügt über die erwähnte Nervenbrücke.


Passend zum Thema ist im Erich Schmidt Verlag gerade eine neue Grammatik erschienen.

Grammatik im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache

Autoren: Prof. Dr. Christian Fandrych, Prof. Dr. Maria Thurmair

Dieses Werk wendet sich an alle, die im Inland oder im Ausland Deutsch als Fremd- und Zweitsprache sowie Germanistik studieren oder unterrichten. Es führt in gut strukturierter und verständlicher Darstellung in die grundlegenden Themen der Grammatik des Deutschen ein. Diese werden mit praxisnahen Beispielen aus unterschiedlichen kommunikativen Situationen erläutert und mit vielen Übersichten und Tabellen anschaulich dargestellt.

Dabei behandelt diese Grammatik besonders diejenigen Phänomene ausführlicher, die beim Spracherwerb und bei der Sprachvermittlung besonders zentral sind und bezieht somit konsequent die Fremd- und Vermittlungsperspektive mit ein; auch kontrastive Aspekte werden durchgehend berücksichtigt.
Die Darstellung der grammatischen Gegenstände geht von Kapiteln zu verschiedenen Wortarten über zu größeren Einheiten. Sprachliche Variation wird immer wieder mit einbezogen. Über die verschiedenen Kapitel hinweg werden in „didaktischen Fenstern“ grundlegende und spezifische Fragen der Vermittlung der deutschen Grammatik verständlich und praxisnah vorgestellt und diskutiert.


(ESV/Philologie)

Programmbereich: Deutsch als Fremdsprache