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Prof. Dr. Stefanie Hehn und Prof. Dr. Markus Hehn: Crowdfunding ist ein erfolgversprechendes Finanzierungsinstrument (Fotos: privat)
Crowdfunding

Webbasiertes Finanzieren transparent und flexibel

ESV-Redaktion Management und Wirtschaft
12.09.2019
Das abnehmende Vertrauen in traditionelle Finanzierungssysteme rückt Crowdfunding als innovative Kapitalbeschaffung zunehmend in den öffentlichen Fokus. Prof. Dr. Stefanie Hehn und Prof. Dr. Markus Hehn über die Zukunft der mittelständischen Unternehmensfinanzierung.

Hohe Flexibilität

In den letzten Jahren ist Crowdfunding als neuartige Form der Kapitalbeschaffung nicht nur mehr und mehr in den öffentlichen Fokus gerückt, sondern erfreut sich auch als innovative Form der Unternehmensfinanzierung wachsender Beliebtheit. Dabei wird zur Finanzierung weder eine Bank noch eine bestimmte Rechtsform des Unternehmens benötigt. Auch ist Crowdfunding hinsichtlich der Art des Kapitals derart flexibel, dass es für die Kapitalsuchenden sowohl zur Beschaffung von Eigen- als auch von Fremdkapital dienen kann. Beispielsweise können sich über diese Finanzierungsform Start-up Unternehmen etwa Eigenkapital von Privatpersonen beschaffen, die sich zumeist in Form stiller Beteiligungen an dem jeweiligen Unternehmen beteiligen.

Definition und Herkunft
Die Schwarmfinanzierung, bei der die Aufbringung von finanziellen Mitteln, also das „Funding“ von einer „Crowd“ erfolgt, hat ihren Ursprung in den USA. Zunächst aus der Musikbranche stammend, wurde dort die erste Plattform dieser virtuellen Finanzierungen 2006 implementiert. Heute können auch Unternehmen, wie etwa Startups aus vielen Branchen mittels Crowdfunding Projekte oder Produktideen finanzieren.

Ausprägungen des Crowdfundings

Grundsätzlich kommt Crowdfunding in den vier Ausgestaltungsformen Crowddonating, Crowdsponsoring, Crowdlending und Crowdinvesting vor, die sich signifikant nach Zweck, Nutzen und auch Eigenschaften unterscheiden.

Das Crowddonating  wird mit seinem vorrangig karikativen Charakter für Projekte mit emotionaler, sozialer bzw. gemeinnütziger Ausrichtung eingesetzt. Da die Kapitalgeber mit ihrer (Eigen-)Kapitalüberlassung keinen ökonomischen Zweck verfolgen und damit keine klassische – sondern vielmehr eine „emotionale“ – Rendite erzielen, ist diese Form des Crowdfundings für die Unternehmensfinanzierung nicht relevant. Dies trifft gleichermaßen auf das Crowdsponsoring zu. Wie der Name vermuten lässt, findet auch beim Crowdsponsoring keine finanzielle Beteiligung mit ökonomischer Absicht statt. Stattdessen handelt es sich um eine Unterstützungsleistung, für die die Sponsoren bei erfolgreicher Realisierung etwa mit einer Gratis-CD, der Nennung im Abspann eines Films oder auf einer Plakette honoriert werden.

Crowdlending hingegen ist eine klassische Finanzierungsform, bei der lediglich anstelle einer Bank eine Crowd als Kreditgeber fungiert und je nach Ausgestaltung entweder Fremdkapital oder Mezzanine-Kapital zur Verfügung stellt. Ebenso für die Unternehmensfinanzierung geeignet, erfreut sich die Finanzierung in Form des Crowdinvestings zunehmender Beliebtheit. Vor allem Existenzgründer sowie kleinere und mittlere Unternehmen können über diese Finanzierungsform haftendes Kapital generieren. Die Investoren partizipieren zumeist an den künftigen Zahlungsströmen des Unternehmens und auch an der Entwicklung des Unternehmenswertes. Die zur Verfügung gestellte Kapitalart ist zumeist bei dieser Form des Crowdfundings dem Eigen- oder Mezzanine-Kapital zuzurechnen und wird über Aktien, Genussrechte, stille Beteiligungen oder Nachrangdarlehen verbrieft.

Funktionsweise und Ablauf des Crowdfundings

Prinzipiell kann Crowdfunding in einer direkten oder indirekten Form durchgeführt werden. Während bei der direkten Form, der in der Finanzierungspraxis lediglich eine geringe Bedeutung zukommt, eine direkte Verbindung zwischen potenziellen Kapitalgeber und Kapitalsuchenden besteht, ist beim indirekten Crowdfunding eine meist virtuelle Plattform als Vermittler zwischen Kapitalgeber und den Projektinitiatoren oder Unternehmen zwischengeschaltet. Plattformen, wie etwa Startnext, Kickstarter.de oder Exporo, ermöglichen nicht nur die Kommunikation und das Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage, sondern führen zumeist auch eine erste, grundlegende Prüfung des Finanzierungsvorhabens durch.

Die Finanzierung durchläuft auf diesem virtuellen Marktplatz typischerweise vier Phasen:
  • Die erste Phase, die sogenannte Vorbereitungsphase, fordert vom Kapitalsuchenden eine präzise Projektbeschreibung bzw. einen Business Plan inklusive konkretem Zeitplan, einer Budget- und Finanzplanung sowie einer Darstellung der Gegenleistungen für die Kapitalnutzung und schließlich die Auswahl der Plattform.
  • Die zweite Phase, die insbesondere neben der reinen Finanzierungsfunktion für viele, zumeist junge Unternehmen einen wichtigen Prüfschritt darstellt, ist der sich anschließende Projekttest, der auch eine Rückmeldung von Verbesserungsvorschlägen und Anregungen an die Unternehmen und Projektinitiatoren beinhaltet. Nach erfolgreichem Projekttest beginnen Phase 3 und 4.
  • In der dritten Phase wird das Projekt massiv durch den Initiator sowie das jeweilige Marketingrepertoire der Plattform beworben. Neben neuen Medien wie Blogs, Social-Media-Plattformen und E-Mail-Werbung werden häufig auch klassische Kommunikationswege, Messen oder Printmedien eingesetzt.
  • In der vierten und letzten Phase findet schließlich das Sammeln der Investitionsbeiträge von der Crowd statt. In der Unternehmensfinanzierung gebräuchliche Vertragsmodelle sind dabei die atypische stille Beteiligung, Genussrechte, Aktienausgabe und partiarische Nachrangdarlehen. 
Zu den Autoren

Prof. Dr. Stefanie Hehn
ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Corporate Finance & Kapitalmarkttheorie an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen.

Prof. Dr. Markus Hehn
ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Corporate Finance an der Hochschule Mainz

Fundingschwelle als kritische Grenze

Die Fundingschwelle ist für das Crowdfunding und damit für alle Beteiligung wesentlich, da sie über die Realisierung des Projektes bzw. die Durchführung der Finanzierung entscheidet. Erst wenn genügend finanzielle Mittel eingeworben wurden, erhält der Projektinitiator bzw. das Unternehmen die Finanzmittel. Andernfalls wird das bereits eingesammelte Kapital an die Kapitalgeber zurückgezahlt. Die Festlegung der jeweiligen Fundingschwelle erfolgt individuell, ist Teil der Budgetierung und sollte sich in realistischer Weise am tatsächlichen Kapitalbedarf orientieren. Dieser richtet sich nach den eigentlichen Projektkosten und sollte Gebühren, Steuern und weitere Nebenkosten berücksichtigen.

Unabhängig vom gewählten Vertragsmodell wird das gesammelte Geld, bevor die Fundingschwelle erreicht ist, durch einen Treuhänder verwaltet, was die Sicherheit des Prozesses erhöht. Als Treuhändler fungieren häufig regulierte Finanzinstitute wie etwa Banken. Die Fundingschwelle ist nicht zu verwechseln mit dem Fundinglimit. Letztgenanntes ist die Maximalsumme, die insgesamt investiert werden kann.

Hilfreiche Anregungen zur Ausgestaltung des Produktes

Für Unternehmen, insbesondere Gründungsunternehmen und junge Unternehmen mit innovativen Projektideen aber auch mittelständische Unternehmen ist das Crowdfunding eine sinnvolle Alternative zu etablierten Finanzierungsformen. Sehr vorteilhaft für Kapitalnehmer wird dabei beurteilt, dass die Unternehmenseigner je nach Ausgestaltung die Kontrolle über ihr Unternehmen und damit wichtige Entscheidungsbefugnisse behalten können. Ein weiteres Pro liegt in den Nebenfunktionen des Crowdfundings.

Da beim indirekten Crowdfunding eine zielgerichtete Kommunikation zwischen kapitalsuchendem Unternehmen und der Crowd notwendig und sogar erwünscht ist, kann das Unternehmen über den Austausch mit den Investoren hilfreiche Hinweise und Anregungen zur Ausgestaltung des Produktes und zur Marktplatzierung erhalten. Somit findet eine echte Marktvalidierung statt, bevor die Umsetzung der Maßnahme erfolgt. Dies wird von vielen Unternehmen als risikomindernd eingeschätzt. Im Idealfall können Investoren auch die Marketingmaßnahmen des Unternehmens unterstützen bzw. verstärken und sogar als Werbeträger agieren oder zumindest neue Ideen und Ansatzpunkte für neue Produkte liefern. In jedem Fall wird beim indirekten Crowdfunding eine Marketingkampagne zum Einsammeln des Kapitals durchgeführt. Zudem kann die Crowd als Vertriebstool genutzt werden, was neben der eigentlichen Kapitalbeschaffung weitere signifikante Vorteile für Unternehmen bieten kann.

Hohes Nachahmungsrisiko durch Offenlegung

Jedoch ist auch das Crowdfunding für Kapitalgeber wie -nehmer mit Nachteilen und Risiken verbunden. Das offenkundigste Manko für kapitalsuchende Unternehmen liegt verglichen mit anderen Formen der Kapitalbeschaffung im hohen zeitlichen und personellen Aufwand. Zudem ist Crowdfunding, auch wenn es als sehr schlankes und flexibles Instrument gilt, für Kapitalnehmer mit vergleichsweise hohen Kosten verbunden: Denn neben den Renditezahlungen an die Investoren fallen Kosten und Gebühren für die Nutzung der Plattform an. Auch wird sehr kritisch beurteilt, dass weder die Gewährung des Kapitals noch die Höhe des Fundings vorab feststehen bzw. sicher sind.

Nachgefragt bei: Prof. Dr. Stefanie Hehn und Prof. Dr. Markus Hehn 21.03.2019
Hehn: „Alternative Finanzierungsquellen werden noch häufig vernachlässigt“
Aktuelle Herausforderungen der Finanzierung für Unternehmen in Zeiten der Niedrigzinsära, alternative Finanzierungsmöglichkeiten und der Wandel des Finanzsektors durch die Digitalisierung standen im Mittelpunkt des Interviews der ESV-Redaktion mit den Finanzwissenschaftlern Stefanie Hehn und Markus Hehn. mehr …

Um das Risiko des Verfehlens der Fundingschwelle zu minimieren, obliegt dem Unternehmen ein hoher Druck, das Projekt bzw. Vorhaben laufend öffentlich zu bewerben und zu vermarkten. Dies, zumal die Plattformen nicht nur untereinander um Investoren in Konkurrenz stehen, sondern auch, um mit der eigenen Idee gegenüber anderen Projekten derselben Plattform im Wettbewerb um Kapitalgeber zu bestehen. Dies geht einher mit der latenten Gefahr der Nachahmung der Projektidee, da im Crowdfundingprozess vielfach recht früh konkrete Ideen, Business Pläne, Strategien oder Produkte offengelegt werden. Ein weiteres sehr hohes Risiko für Kapitalnehmer ist die Gefahr einer enttäuschten Crowd, die häufig auch gleichzeitig potenzielle Kunden sind. Dies kann zu schlechter Werbung führen, die negative Folgen für die weitere geschäftliche Entwicklung des Unternehmens haben kann.

Alles in allem ist Crowdfunding ein sehr interessantes und erfolgsversprechendes Finanzierungsinstrument, das stetig auf dem Vormarsch ist. Es ist zu erwarten, dass sich zunehmend Vorgehensweisen in der Wirtschaft etablieren und die Aufsicht weitere Regularien entwerfen und umsetzen wird, damit sich das Crowdfunding als feste Option im Rahmen der Unternehmensfinanzierung etablieren kann.

Unternehmensfinanzierung

Autoren: Prof. Dr. Stefanie Hehn und Prof. Dr. Markus Hehn

Die Planung und Steuerung der Unternehmensfinanzierung zählt zu den betriebswirtschaftlichen Schlüsselfunktionen. Im globalen Wettbewerb und mit neuen Technologien sind dabei auch innovative Finanzierungsformen wie Crowdfunding zunehmend gefragt.

Was erfolgreiche Finanzierungsentscheidungen ausmacht, zeigen Ihnen Stefanie Hehn und Markus Hehn auf Basis aktueller Marktdaten.

  • Grundlagen der Unternehmensfinanzierung: Systematisierung der Finanzierung und finanzwirtschaftliche Ziele (Rentabilität, Liquidität, Sicherheit, Unabhängigkeit)
  • Finanzierung im Unternehmenslebenszyklus: Start-ups, Wachstumsunternehmen, etablierte Unternehmen, Krisenunternehmen
  • Eigenfinanzierung: durch Einlage der Gründungsgesellschafter, durch Crowdfunding, M&A oder Going Public
  • Fremdfinanzierung: Kreditfinanzierung, Mezzanine-Finanzierung

Eine leicht verständliche Einführung, die mit hohem Maß an Visualisierung, vielen Beispielen und großem Übungsteil überzeugt.


(ESV/me)

Programmbereich: Management und Wirtschaft