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Geben Orientierung in allen Lebensbereichen: Werte (Foto: domoskanonos/Fotolia.com)
Die Vielfalt des Wertens

Werten: Zur Praxis mentaler, pragmatischer und sprachlicher Orientierung

ESV-Redaktion Philologie
21.03.2019
Was ist eigentlich „Werten“ und wie entstehen aus diesem Prozess heraus „Werte“? Gibt es eine Welt ohne Werte oder sind sie absolut signifikant für unsere Orientierung?
Lesen Sie dazu einen Auszug aus dem 1. Kapitel „Kontexte des Wertens“ aus Prof. Dr. Peter Klotz’ Studie „Werten. Zur Praxis mentaler, pragmatischer und sprachlicher Orientierung“.

Mentales Handeln und Werten

Werten ist eine wesentliche Konstituente unseres kognitiven, affektiven und emotionalen Seins. Was immer uns begegnet, was immer wir tun wollen, bedarf einer Verortung und einer Orientierung. Im Strom unserer vielfältigen Wahrnehmungen, im Strom unseres kontinuierlichen Handelns und Reagierens brauchen wir Einschätzungen, Werte, Urteile und somit Konventionen, Normen, Prinzipien und Rituale, um mit unserem Begegnen und Handeln in der Welt zurechtzukommen. Sobald Verunsicherungen und/oder Veränderungen auftreten, versuchen wir mit Hilfe von Einschätzungen, Bewertungen, mit der Suche nach Vergleichbarem und Maßstäben einer solchen Konstellation gerecht zu werden. Durch die Routinen des Alltags, durch unsere Sozialisation und Enkulturation mag uns das oft, wenn nicht sogar meist, nicht deutlich bewusst werden, aber dann eben doch, wenn dies eine Situation, eine Konstellation erfordert, zumal sprachhandelnd, weil das eine besondere Anstrengung erfordert: affektiv, kognitiv, sozial und sprachlich-kommunikativ.

Das Ergebnis des Wertens, die Werte, finden sich nahezu in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens, in Gemeinschaften und Institutionen, in der Wirtschaft, der Technik, der Wissenschaft, der Kultur und sehr stark in sozialen, politischen Bereichen und in den ihnen angrenzenden Gebieten. Fraglos gibt es die Prozeduren des Wertens gleichsam schon immer und somit auch die Werte, die nicht notwendigerweise so bezeichnet worden sein müssen und oft in Verhaltensweisen gleichsam eingeschrieben waren und sind, was sich übrigens auch bei Tieren beobachten lässt. Die Rede von den Werten und der Begriff erscheinen recht spät, aber natürlich gab es diesen Bereich schon immer, festgehalten in Normen, Gesetzen, religiösen und ethischen Ansprüchen.
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Nachgefragt bei: Prof. Dr. Peter Klotz 23.02.2017
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In Gesprächen korrigieren wir uns oft selbst, um genauer auszudrücken, was wir sagen wollen. Was steckt dahinter? Der Sprachdidaktiker Peter Klotz im Interview mit der ESV-Redaktion über seinen Ansatz des Modifizierens. mehr …


Wahrnehmen und Gewichten

Wahrnehmung und Aufmerksamkeit hängen aufs engste mit Prozessen des Wertens zusammen. Deshalb gilt es, noch eine grundständige, wenn man so will „Tiefen-Dimension“ in den Blick zu nehmen: Der Mensch, aber ebenso die Tiere, stehen der Fülle und Vielfalt von Welt gegenüber, so dass sie schon bei der Wahrnehmung die allzu vielen Eindrücke gewissermaßen sortieren und der Aufmerksamkeit zuführen müssen. Aufmerksamkeit aber braucht eine Richtungsgebung, braucht einen Fokus und einen Konzentrationsbereich. Dieser Grundkonflikt des Wahrnehmens – Fülle und Aussonderung – wird abgemildert durch die Herausbildung von Routinen und von Mustererkennung bei etlichen Erscheinungen.

Aber alles andere, jenseits der raschen Mustererkennung, muss einen ersten Prozess des Einschätzens und vielleicht auch schon des Wertens durchlaufen: Was ist wichtig, was könnte wichtig sein oder werden? Entscheidungen stehen an und müssen gefällt werden. Diese Entscheidungen können als Festlegungen ersten Urteilen gleichkommen, was denn explizit wahrgenommen und dem Bewusstsein zugeführt wird und was nicht und was kaum. Wiederum setzen an dieser Stelle die Prozesse des Einschätzens und eventuell des Wertens ein, nämlich dann, wenn das wahrgenommene Objekt irgendwie schon gekannt wird und es nun gilt zu entscheiden, was es einer nun wachen Aufmerksamkeit wert ist. Diese Nachzeichnung der Weltbegegnung des Menschen und der Tiere verweist darauf, dass der Modus des Einschätzens, Wertens und Urteilens eine Grundbedingung affektiver und kognitiver Lebendigkeit ist. – Hinzu kommen alle kommunikativ herbeigeführten Thematisierungen, die auf ein Einschätzen, Werten, Urteilen zielen oder es implizieren.

Werten

Von Prof. Dr. Peter Klotz

Werte und Wertsetzungen geben in allen Lebensbereichen Orientierung.
Wenig Beachtung aber finden die kognitiven, affektiven und vor allem die mentalen Vorgänge des Einschätzens, Wertens und Urteilens selbst, obwohl sie unseren Alltag beständig durchdringen. Da wir Orientierungen brauchen, beteiligen wir uns an diesen Handlungen und sind von ihnen betroffen. Die immer wieder und gerade derzeit ablaufenden Auseinandersetzungen um Werte, um wertenden Sprachgebrauch, wie im Falle der ‚political correctness‘, und um die Verrohung mancher Diskurse machen einen erweiterten Blick auf Weisen und Formen dieses Sprachhandelns geradezu notwendig.

Prof. Dr. Peter Klotz lehrte an den Universitäten München und Bayreuth im Fach Didaktik der Deutschen Sprache und Literatur. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Grammatik, Textlinguistik, schriftlicher Sprachgebrauch und sprachbezogene Literaturanalyse. Seine jüngeren Veröffentlichungen verbinden Sprachwissen, Pragmatik und Literaturbetrachtung, ablesbar zuletzt u. a. auch an den Veröffentlichungen „Beschreiben. Grundzüge einer Deskriptologie“ (2013) und „Modifizieren. Aspekte pragmatischer und sprachlicher Textgestaltung“ (2017).

(ESV/Pa)

Programmbereich: Germanistik und Komparatistik