Zimmer: „Existenzsicherndes Einkommen gesetzlich normiert“
Völkerrecht als Grundlage
Ausgangspunkt ihrer Überlegungen sind vorab einige allgemeine völkerrechtliche Aspekte. Zimmer beginnt ihre Prüfung daher mit Art. 23 Absatz 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Diese Norm solle zwar jedem arbeitenden Menschen eine befriedigende Entlohnung und ihm und seiner Familie damit eine Existenz sichern, die der menschlichen Würde entspricht. Allerdings, so die Autorin weiter, sei diese Resolution kein rechtsverbindliches Dokument. Das Völkerrecht kodifiziert der Autorin zufolge aber in Art 7 des UN-Sozialpakts gerechte und günstige Arbeitsbedingungen. Hierunter ist auch ein Arbeitsentgelt zu verstehen, das allen Arbeitnehmern einen angemessenen Lohn sichert. Der UN-Sozialpakt wurde von allen 28 Mitgliedsstaaten der Union ratifiziert und ist dort geltendes Recht.Nach kurzen Ausführungen zum Übereinkommen der International Labour Organization (ILO) wendet sich Zimmer dann dem Recht der existenzsichernden Entlohnung innerhalb der EU zu.
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Nationale Verfassungen
Zimmer widmet sie sich zunächst den Verfassungen einiger EU-Mitgliedsstaaten und betont, dass in Italien, Portugal, Lettland und Tschechien Ansprüche auf eine existenzsichernde Entlohnung ausdrücklich normiert sind.Bedeutung Art. 31 Absatz 1 EU-GRC
Der Schutzbereich von Art. 31 Absatz 1 EU-GRC sei weit gefasst, so dass diese Norm schon aufgrund ihrer Überschrift gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen normiert. Ob hiervon auch die Entlohnung umfasst ist, so Zimmer weiter, werde jedoch kontrovers diskutiert.Im Wortlaut: Art. 31 EU-GRC – Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen |
(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen. (2) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub. |
Entlohnung im Kompetenzbereich der EU
- Enge Auslegung von Art. 31 GRC? Aufgrund der Erläuterungen des Konvents zur GRC, die nach Art. 52 zu berücksichtigen sind, müsse Art. 31 GRC entsprechend Art. 156 AEUV ausgelegt werden. Hieraus ziehen Zimmer zufolge einige Kritiker den Schluss, dass die „Arbeitsbedingungen“ nur als eine von zahlreichen Merkmalen in Art. 156 AEUV benannt würden. Daher wäre Art. 31 GRC eng auszulegen.
- Sperrwirkung durch Art. 153 AEUV? Zum Teil würde auch auf die Sperrwirkung von Art. 153 Absatz 5 AEUV verwiesen. Danach soll das Arbeitsentgelt nicht vom Kompetenzbereich der EU erfasst sein.
Schutznivau und inhaltliche Ausgstaltung
Nachdem sich die Autorin anschließend näher mit dem Schutzniveau von Art. 31 GRC und der inhaltlichen Ausgestaltung des Rechts auf existenzsichernde Entlohnung auseinandersetzt, kommt sie zu dem Ergebnus, dass eine solche vorliegt, wenn diese 60 Prozent des Netto-Durchschnittslohns erreicht. Die weiteren Ergebnisse ihrer Untersuchung:- Organe und Einrichtungen der EU sind nur gebunden, wenn sie den Rahmen von Art. 31 GRC beachten müssen.
- Für die Mitgliedsstaaten gilt dies nur, soweit der Anwendungsbreich des EU-Rechts eröffnet ist.
- Bei rein nationalen Vorgängen sind die Wertungen des Völkerrechts zu beachten. Eine existenzsichernde Entlohnung liegt auch hier vor, diese 60 Prozent des Netto-Durchschnittslohns erreicht.
- wie Zimmer das Schutzniveau des Art. 31 GRC anhand von Art. 53 GRC bestimmt,
- wie das Recht auf existenzsichernde Entlohnung inhaltlich ausgestaltet ist,
- warum Union und nationale Gesetzgeber an Art. 31 Absatz 1 GRC gebunden sind,
- und warum der EUGH einen weiten Anwendungsbereich des Unionsrechts zugrunde legt.
ZESARHerausgeber: Prof. Dr. Ulrich Becker, Prof. Dr. Dr. h. c. Eberhard Eichenhofer Die Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht vereint, was in Praxis und Wissenschaft zusammen gehört: das Sozial- und Arbeitsrecht einerseits sowie nationales und europäisches Recht andererseits. Das europäische Sozial- und Arbeitsrecht wird zunehmend komplexer. Das bringt in Ihrer täglichen Praxis viele Fragen mit sich, z.B.
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(ESV/bp)
Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung