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Dr. Rupert Graf Strachwitz über die Herausforderungen der Zivilgesellschaft. (Foto: Andrea Katheder)
Nachgefragt bei: Dr. Rupert Graf Strachwitz

„Zivilgesellschaft braucht mehr Unabhängigkeit und Selbstbewusstsein”

ESV-Redaktion Management und Wirtschaft
22.01.2020
Der Vorstandsvorsitzende der Maecenata Stiftung und Direktor des Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft verrät im Interview mit der S&S-Redaktion, wie die Zivilgesellschaft sich im Zuge des Attac-Urteils verändert.
S&S: Im Nachgang zum sogenannten Attac-Urteil des Bundesfinanzhofs ist die Zivilgesellschaft wieder Gegenstand breiterer öffentlicher Aufmerksamkeit geworden. Begrüßen Sie das?

Strachwitz: Ja, sehr, zumal das nicht nur an der Attac-Entscheidung liegt. Ich denke, es wird immer offenkundiger, dass die Herausforderungen, denen sich unsere Gesellschaft gegenübersieht, ohne die aktive Mitwirkung von zivilgesellschaftlichen Akteuren nicht zu meistern sind. Denken Sie nur an den Erfolg der jungen Menschen von „Fridays for Future”, denen es gelungen ist, ein vernachlässigtes wichtiges Thema wieder ganz nach oben auf die Tagesordnung zu katapultieren.

S&S: Was heißt überhaupt Zivilgesellschaft?

Strachwitz: Interessant, dass Sie das fragen! In der Tat führen wir vor allem in Deutschland eine nie enden wollende Debatte über Begrifflichkeiten, was uns von der eigentlichen gesellschaftspolitischen Diskussion abhält. Im Grunde herrscht in der Fachwelt weitgehend Einigkeit: Mit Zivilgesellschaft ist die Summe der kollektiven, nicht gewinnorientierten, nicht staatlichen Akteure gemeint, die sich subjektiv dem Gemeinwohl verschrieben haben. Dieses Verständnis schließt ein, dass uns nicht alle zivilgesellschaftlichen Akteure und deren Ziele gefallen müssen.

Engagement für die Entwicklung des Gemeinwesens wertschätzen

S&S: Und was ist ihr besonderer Wert in Staat und Gesellschaft und für die Menschen?

Strachwitz: Zunächst: Zivilgesellschaft ist historisch nichts Neues; neu ist die Sammelbezeichnung – als deutsche Übersetzung des englischen „civil society”. Aber mehr denn je erweist sich heute die Notwendigkeit, Engagement und Ideen für die Entwicklung unseres Gemeinwesens wertzuschätzen – gerade auch dann, wenn diese unbequem daherkommen. Zu den erstaunlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte gehört, dass der demokratische Staat genauso in Gefahr ist, sich von den Bürgerinnen und Bürgern abzuschotten und zu entfremden, wie andere Staatsformen. Da aber der Wille der Menschen, sich an den öffentlichen Angelegenheiten zu beteiligen, stark ansteigt, wie man täglich feststellen kann, bildet die Zivilgesellschaft hierfür den geeigneten Rahmen.

Zur Person

Dr. Rupert Graf Strachwitz,
geboren 30.4.1947, zwei Kinder, drei Enkel, ist Wissenschaftler, Publizist, Lehrbeauftragter, Moderator und Berater. Er hat in den USA und München Politikwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte studiert. Nach sieben Jahren bei den Maltesern war er Präsident der Verwaltung des Herzogs von Bayern. 1989 gründete er die Maecenata Management GmbH und war bis 2011 dessen geschäftsführender Gesellschafter. 1997 gründete er das Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft als außer universitäre Forschungseinrichtung. Er ist Stifter und Vorstandsvorsitzender der Maecenata Stiftung, die seit 2010 das Maecenata Institut und Transnational Giving (Deutschland) sowie inzwischen fünf weitere Programme trägt.

Von 1995 bis 2000 war er Vorsitzender des deutschen Beirats des Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project; von 1999 bis 2002 Mitglied der Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundestags und von 2014 bis 2016 stv. Vorsitzender des Reformbeirats beim ADAC. Er ist ehrenamtliches Mitglied in Organen verschiedener Verbände und Stiftungen im In- und Ausland.
 

S&S: Wie schätzen Sie die Forderungen aus dem politischen Raum ein, zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrer politisch wirksamen Arbeit einzuschränken? Tun sich Politiker und Parteien damit einen Gefallen?

Strachwitz: Zu den Grundfunktionen der Zivilgesellschaft gehört neben den Dienstleistungen, der Themenanwalts-, Wächter- und Mittlerfunktion, der Selbsthilfe, Gemeinschaftsbildung und persönlichen Erfüllung auch die Mitwirkung an der politischen Gestaltung. Sie beinhaltet das, was Jürgen Habermas und andere als „deliberative Demokratie” bezeichnet haben – eine für eine offene Gesellschaft unverzichtbare Funktion. Wenn die Parteien, deren Stern, wie man weiß, im Sinken ist, versuchen, Wettbewerber um die Gestaltungsmacht mundtot zu machen, kann der Schuss nur nach hinten losgehen. Wohlgemerkt: Verbindliche Entscheidungen haben nach unserem Verständnis demokratisch legitimierte Parlamente zu treffen. Aber an der Vorbereitung solcher Entscheidungen kann und soll jeder mitwirken können, der sich dazu aufgerufen fühlt. Das zivilgesellschaftliche Prinzip der Selbstermächtigung gilt gerade auch hier.

Neue Aufgabenverteilung für Staat, Markt und Zivilgesellschaft entwickeln

S&S: An welcher Rechtsordnung kann bzw. sollte sich Deutschland Ihrer Meinung nach ein Beispiel nehmen?

Strachwitz: Da fällt die Antwort schwer! Denn fast überall auf der Welt beobachten wir das Phänomen des „shrinking civic space” oder „shrinking space for civil society”, also des Versuchs von Regierungen und anderen staatlichen Instanzen, den Handlungsraum der Zivilgesellschaft zurückzudrängen – so sehr, dass auch schon von einem „closing space” gesprochen wird. Dies gilt nicht nur für Länder wie China, Ägypten oder Russland, sondern auch und in erschreckendem Maß für Westeuropa und Nordamerika. Ich denke, es liegt an uns, im Austausch mit Partnern weltweit eine neue Aufgabenverteilung für Staat, Markt und Zivilgesellschaft und daraus auch neue Rechtsnormen zu entwickeln. Das ist natürlich eine Herkules-Aufgabe, aber ich denke, wir müssen uns ihr stellen.

S&S: Gerade Stiftungen werden ja nicht selten als Stützen der Zivilgesellschaft herausgestellt? Welche von ihnen gehören dazu?

Strachwitz: In den letzten 30 Jahren haben sich Stiftungen nicht nur zu Stützen, sondern zu wichtigen Akteuren der Zivilgesellschaft entwickelt. Das liegt nicht nur an der stark gewachsenen Zahl, sondern auch an einem deutlichen Bekenntnis der meisten Stiftungen zur Zugehörigkeit zu dieser gesellschaftlichen Arena. Anders als etwa in Österreich sind ja in Deutschland weit über 90% aller Stiftungen als kirchlich, gemeinnützig oder mildtätig anerkannt. Sie alle gehören dazu.

Das gesamte Interview finden Sie in der Ausgabe 6/19 der Stiftung & Sponsoring, oder auch im eJournal

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Herausgeber: Erich Steinsdörfer, Dr. Christoph Mecking
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(ESV/me)

Programmbereich: Management und Wirtschaft