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BGH: Eine Berufungsbegründung muss auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein (Foto: nmann77 / stock.adobe.com)
Prozessrecht

BGH: Berufungsbegründung muss alle tragenden Erwägungen der Vorinstanzen aufgreifen

ESV-Redaktion Recht
06.07.2020
Was muss eine Berufungsbegründung enthalten, wenn das Ausgangsgericht seine Entscheidung auf mehrere Rechtsaspekte gestützt hat? Mit dieser Frage setzte sich der BGH in einer vor kurzem veröffentlichten Entscheidung auseinander.
In dem Streitfall hatte ein Insolvenzverwalter von der Beklagten die Rückzahlung von 50.000 Euro gefordert. Zuvor hatte die Schuldnerin diesen Betrag auf ein Bankkonto der Beklagten überwiesen.

LG Trier: Rückzahlungsanspruch ergibt sich aus ungerechtfertigter Bereicherung und aus Insolvenzanfechtung

Die Ausgangsinstanz – das LG Trier – verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Rückzahlung. Sie begründete ihre Entscheidung mit zwei rechtlichen Überlegungen, die selbständig nebeneinander standen: 

  • Bereicherungsrecht: Zunächst sah das LG bereicherungsrechtliche Ansprüche des Insolvenzverwalters.  Zwar behauptete die Beklagte, dass eine sogenannte Anweisungslage bestanden habe. Der Vater der Beklagten soll die Schuldnerin angewiesen haben, den streitigen Betrag auf das Konto der Beklagten zu überweisen. Dies stand aber dem LG zufolge einem Rückforderungsanspruch nicht entgegen. Auch  eine Entreicherung hatte die Beklagte nicht substantiiert genug dargelegt.
  • Insolvenzanfechtung: Darüber war das Ausgangsgericht der Auffassung, dass die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 Absatz 1, 134 Absatz 1 sowie 143 Absatz 1 Satz 1 InsO vorlagen.
Gegen die Entscheidung des LG Trier, legte die Beklagte Berufung vor dem OLG Koblenz ein. Allerdings ging die Berufungsbegründung verspätet ein.

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OLG Koblenz: Berufungsbegründung unzureichend

Auf den Hinweis des OLG Koblenz, dass es die Absicht hat, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, beantragte die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nach ihrem weiteren Vortrag hatte sie verschiedene Schriftsätze geöffnet und den falschen abgesendet.
 
Die Berufungsinstanz hat den Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung als unzulässig verworfen. Nach Auffassung des OLG Koblenz war die  Berufung nicht ordnungsgemäß begründet. Der entsprechende Schriftsatz habe sich in keiner Weise mit den Ausführungen der Vorinstanz auseinandergesetzt, so das OLG Koblenz. Allein der Hinweis, nach dem eine Anweisungslage vorgelegen haben soll, reichte dem OLG nicht.

Im Wortlaut: § 520 Absatz 3 ZPO
(3) [……..]. Die Berufungsbegründung muss enthalten: 

  1. die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); 
  2. die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; 
  3. die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
  4. die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
 

BGH: Berufungsbegründung muss Ersturteil gezielt angreifen

Der IX. Zivilsenat des BGH beanstandete die Wertung des Berufungsgerichts nicht und hat die Rechtsbeschwerde der Beklagten verworfen. Dem Senat zufolge muss die Berufungsbegründung den konkreten Streitfall im Blick haben. Die weiteren Erwägungen des Senats: 

  • Formlarmäßige Sätze unzureichend: Es reicht nicht aus, die Auffassung des Ausgangserichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder nur auf den Vortrag in der ersten Instanz zu verweisen. 
  • Inhaltliche Auseinandersetzung mit den tragenden Entscheidungsgründen: Vielmehr muss die sich Berufungsbegründung mit allen tatsächlichen und rechtlichen Gründen aus dem konkreten Streitfall befassen, die die Entscheidung tragen. 
  • Auseinandersetzung mit Insolvenzanfechtung fehlt: Der Schriftsatz der Beklagten hatte sich ausschließlich mit bereicherungsrechtlichen Erwägungen befasst – nicht aber mit der weiteren tragenden Begründung des LG Trier. Nach dieser war der Insolvenzverwalter zur Anfechtung nach § 134 InsO berechtigt.
  • Argumente der Beklagten ohne Einfluss auf Bestand der Ausgangsentscheidung: Die Argumente der Beklagten allein hätten also selbst dann nicht ausgereicht, um die erstinstanzliche Entscheidung zu kippen, wenn sie zutreffend gewesen wären. 
 
Beschluss des IX. Zivilsenats des BGH vom 7.5.2020 - IX ZB 62/18 – IX ZB 62/18


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  • Neuer Anhang: Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV)
  • Bereits beschlossene Gesetzesänderungen zum 1.1.2022
  • Artikel 11 Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.2017
  • Artikel 1 Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013
  • Gesetz zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften vom 12.12.2019
  • Kommentierung der Normen der Musterfeststellungsklage

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(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht