BGH: Rechtsanwälte müssen bei Faxstörung nicht das beA nutzen
Der Patentanwalt hatte versucht, am Tag eines Fristablaufs ab 22:40 Uhr einen Schriftsatz an den Senat zu faxen. Der Sendevorgang begann um 22.59 Uhr. Um 23:30 Uhr bemerkte er, dass der Versand nicht erfolgreich abgeschlossen war. Daher suchte er einen Internetdienst zum Faxversand und startete hierüber um 23:54 Uhr einen zweiten Sendevorgang. Vor Fristablauf waren aber nur 35 Seiten seines 39 Seiten umfassenden Schriftsatzes bei Gericht eingegangen. Die letzten vier Seiten gingen erst nach null Uhr dort ein. Diese enthielten auch die Unterschrift des Patentanwalts. Damit wäre der Schriftsatz also verfristet gewesen. Dennoch gewährten die Karlsruher Richter dem Patentanwalt wegen einer Störung am Empfängerfax die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Der kostenlose Newsletter Recht - Hier können Sie sich anmelden! |
Redaktionelle Nachrichten zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps. |
BGH: Patentanwälte müssen beA nicht nutzen
Die Prinzipen zur Faxnutzung für klassische Anwälte
- Volle Ausnutzung der Fristen: Rechtsanwälte dürfen die gesetzlich eingeräumten prozessualen Fristen bis zu ihrer Grenze ausnutzen.
-
Übertragungszeit pro Seite: Für die Übertragung einer Seite sind etwa 30 Sekunden anzusetzen. Das wären bei einem Schriftsatz von 39 Seiten rund 20 Minuten.
- Sicherheitszuschlag: Hinzu kommt ein Sicherheitszuschlag von etwa 20 Minuten, weil das Ziel-Faxgerät besetzt sein könnte. Die für den Faxversand zur Verfügung stehende Zeit von gut einer Stunde – vom Start des ersten Sendeversuches um 22.59 Uhr bis null Uhr – war also ausreichend.
-
Keine Änderung der Übermittlungsart: Auch beim Scheitern der Versendung per Fax muss der Anwalt nicht ohne Weiteres die Übermittlungsart ändern. Dem Senat zufolge kann von einem Prozessbevollmächtigten, der seine organisatorischen Vorkehrungen auf die Übertragung per Fax eingerichtet hat, nicht verlangt werden, unter allen denkbaren Anstrengungen innerhalb kürzester Zeit auf die Übertragung per beA zu wechseln. Die dem Prozessbevollmächtigten nach § 233 Satz 1 ZPO obliegende Sorgfaltspflicht dürfe nicht überspannt werden, so der X. Zivilsenat des BGH. Aufgrund der relativ hohen Störungsanfälligkeit hat der Senat auch erhebliche Zweifel, ob dieses Medium zuverlässiger ist als ein Telefax. Insoweit verwiesen die Karlsruher Richter die Internetseite der BRAK für März 2020. Dort sind insgesamt zwölf Störungsmeldungen veröffentlicht. Hiervon entfallen vier auf Wartungsarbeiten und acht auf unbekannte Anmeldeprobleme.
Ebenso wie der BGH entschied das LG Mannheim laut Beschluss vom 17.1.2020 – 1 S 71/19. Anderer Ansicht sind das OLG Dresden laut Beschluss vom 29.7.2019 – 4 U 879/19 und das LG Krefeld laut Beschluss vom 10.9.2019 – 2 S 14/19. Danach müssen Rechtsanwälte beim Scheitern der Faxübertragung schon jetzt das beA nutzen. |
Auch wenn die BGH-Entscheidung die Anwaltschaft im Moment zu entlasten scheint. Die aktive Nutzungspflicht des beA nach § 130d ZPO tritt in Zivilsachen – abhängig vom jeweiligen Bundesland – spätestens am 1.1.2022 in Kraft.
Aber – LArbG Kiel: Berufungseinlegung ausschließlich per Fax unwirksam
Nutzung des beA soll für alle Instanzen gelten
Im Wortlaut: § 46g ArbGG |
1 Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. 2 Gleiches gilt für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Absatz 4 Nummer 2 zur Verfügung steht. 3 Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. 4 Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. |
Quellen
- PM des ArbG Kiel vom 5.6.2020 zum Beschluss vom 25.3.2020 – 6 Sa 102/20
ZPONach dem großen Erfolg der Erstauflage des Kern/Diehm ZPO konnte sich dieser Newcomer auf Anhieb einen festen Platz unter den ZPO-Standardwerken erobern. Wir bedanken uns mit einer neuen Auflage, prägnant, übersichtlich, 100 Prozent praxisorientiert und hochaktuell, mit
Komplett eingearbeitet sind bereits:
|
|
Verlagsprogramm | Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht |
Auch interessant | 20.07.2017 |
BGH zur Heilung von Zustellungsmängeln einer Klage | |
Wird eine Klage nicht an den richtigen Beklagten zugestellt, so kann dies für den Kläger fatale Konsequenzen haben. Liegt ein Zustellungsmangel vor, kann dieser eventuell geheilt werden. Im vorliegenden BGH-Fall berief sich der Kläger auf eine Zustellungsfiktion nach § 189 ZPO. mehr … |
Neues vom Gesetzgeber: Funktionsfähigkeit der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit während der Corona-Krise |
(ESV/bp)
Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht