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Nach der CoronaImpfV sollen vor allem Senioren bei der Impfung priorisiert werden (Foto: Studio Romantic / stock.adobe.com)
Reihenfolge bei Corona-Impfungen und Ansprüche auf vorzeitige Impfung

Eilanträge auf vorgezogene Impfung gegen Corona vor LSG Niedersachsen-Bremen und VG Berlin erfolglos

ESV-Redaktion Recht
04.02.2021
Nachdem die Verwaltungsgerichte in Frankfurt am Main und Dresden Ansprüche auf vorzeitige Impfungen gegen Corona nicht ausschließen, haben das LSG Niedersachsen-Bremen und das VG Berlin entsprechende Eilanträge abgelehnt. Die Antragsteller wollten erreichen, sofort gegen Corona geimpft zu werden oder eine bessere Priorisierung nach der CoronaImpfV zu erhalten.

LSG Niedersachsen-Bremen: Priorisierung der CoronaImpfV* gerechtfertigt

In dem Streitfall wollte ein 73-jähriger Mann aus Oldenburg unverzüglich geimpft werden, der an einer chronischen Herzkrankheit leidet. Nach einer Bescheinigung seines behandelnden Hausarztes hat er damit erheblich höheres Risiko für einen komplikativen COVID-Verlauf. Daher wäre eine frühzeitige SARSCoV-2-Impfung „zwingend indiziert“.

Über die zentrale Impfhotline erfuhr er dann, dass für ihn eine Impfung in der höchsten Prioritätsgruppe ausgeschlossen wäre. Daher wendete er sich mit einem Eilantrag an das SG Oldenburg. Seine Begründung: Die Bundesregierung habe die Impfgruppen ausschließlich dem Alter eingeteilt und andere Aspekte wie etwa risikoreiche Vorerkrankungen nicht berücksichtigt. Darüber hinaus wäre seine Ehefrau Grundschullehrerin und habe mit Schülern Kontakt. Zudem habe er selbst zwei jugendliche Kinder und könne sich daher nur begrenzt selbst schützen.

* In der Fassung, die bis zum 7.2.2021 gegolten hat (a.F.)

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LSG sieht kein atypisches Risiko beim Antragsteller

Nach Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen hat der Antragsteller aber keinen Anspruch auf eine unverzügliche Impfung im Rahmen der höchsten Impf-Priorität. Das Gericht ordnete ihn der Priorisierungsstufe 2 zu und begründete dies wie folgt:

  • Impfstoffknappheit rechtfertig generelle Priorisierung: Die Knappheit der Impfstoffe ermöglicht die Teilnahme an den Impfungen nur im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten. Deshalb sei eine Priorisierung grundsätzlich nicht zu beanstanden.
  • Priorisierung nach Empfehlung der STIKO: Die Priorisierungen entsprechen den Beschlussempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO). Auch die die vorrangige Impfung von Personen ab 80 Jahren überzeugte das LSG, weil damit viele schwere Erkrankungsfälle und Todesfälle verhindert werden könnten. Dies diene dem Schutz der Allgemeinheit vor Überlastung der Versorgungssysteme und gleichermaßen dem Individualschutz. Das Gericht hatte auch keine Zweifel dran, dass die weiteren Einteilungen in Stufen 2 und 3 wissenschaftlich fundiert sind.
  • Kein atypisches Risiko beim Antragsteller: Mit einer Zuordnung zur Kategorie 2 ist auch das individuelle Risiko des Antragstellers ausreichend berücksichtigt worden, so das Gericht weiter. An dieser Einschätzung änderte auch der Umstand nichts, dass die Ehefrau des Antragstellers als Grundschullehrerin Kontakte außerhalb des eigenen Haushalts hat. Gleiches würde auch für Bereiche wie Lebensmittel- und Drogeriemärkte, Erzieher oder Angestellte in Apotheken und Arztpraxen gelten. Damit lag nach Auffassung des LSG kein atypisches Risiko vor.
Quelle: PM des LSG Niedersachsen-Bremen vom 2.2.2021 zum Beschluss vom selben Tag – L 5 SV 1/21 B ER

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VG Berlin: Gestaltungsspielraum bei Impfung nicht überschritten

In dem Berliner Streitfall halten die Antragsteller die CoronaImpfV (a.F.) für verfassungswidrig. Dies begründeten sie im Wesentlichen wie folgt:

  • Verstoß gegen Parlamentsvorhalt: Wesentliche Fragen – wie die Reihenfolge der Impfung bei knappen Impfdosen – sind vom Parlament zu regeln. Dies ist den Antragstellern zufolge nach dem Wesentlichkeitsgrundsatz nicht der Exekutive zu überlassen.
  • Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes: Ebenso halten sie es sachlich für nicht gerechtfertigt, dass bei der Impfreihenfolge vor allem auf das Lebensalter abzustellen sei und bestehende Erkrankungen unberücksichtigt bleiben. Dies, so die Antragsteller weiter, verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
VG Berlin: Knappheit des Impfstoffes gebietet Priorisierung

Die Eilanträge hatten keinen Erfolg. Die 14. Kammer des VG Berlin hat die Anträge zurückgewiesen. Demnach hatten die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Berliner Verwaltungsrichter ließen sich hierbei von folgenden Überlegungen leiten:
 
  • Keine Zugehörigkeit zur Gruppe mit höchster Impfpriorität: Die Antragsteller könnten ihren Impfanspruch nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 1 der CoronaImpfV ableiten. Sie gehören nämlich nicht zur Gruppe der Personen mit höchster Impfpriorität nach § 2 der CoronaImpfV.
  • Kein Ermessensfehler: Ebenso wenig hätten die Antragsteller einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Einzelfallentscheidung, denn solche Entscheidungen sehe die Corona-Impfverordnung nicht vor.
  • Kein Anspruch aus Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit: Auch aus den beiden genannten Grundrechten konnten die Antragsteller keinen sofortigen Impfanspruch herleiten. Nach Auffassung des VG haben Ämter und Behörden bei der Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Schutzpflichten für Leben und Gesundheit einen weiten Gestaltungsspielraum.
  • Knappheit des Impfstoffes gebietet Priorisierung: Dieser Spielraum ermöglicht es den Behörden, aufgrund der Knappheit des Impfstoffs Priorisierungen vorzunehmen, nach denen bestimmte besonders gefährdete Personen Gruppen bevorzugt geimpft werden. Zu diesem Personenkreis gehörten vor allem Menschen, die das 80. Lebensjahr vollendet hätten oder die in stationären Einrichtungen behandelt oder gepflegt werden. Dies ergibt sich dem VG zufolge aus den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den darauf gestützten Empfehlungen der STIKO – und zwar auch dann, wenn diese Erkenntnisse unumstritten sind.
  • Exekutive hat Gestaltungsspielraum bei Impfung nicht überschritten: Damit hatte die Berliner Exekutive dem Gericht zufolge ihren Gestaltungsspielraum nicht überschritten, denn die getroffenen Maßnahmen waren weder vollkommen ungeeignet oder völlig unzulänglich. Damit konnte das VG Berlin auch keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erkennen.
  • Verletzung des Parlamentsvorbehalts kann offen bleiben: Ob das das Parlament eine wesentliche Frage wie die der Impfpriorisierung hätte selbst regeln müssen, ließ das VG Berlin offen. Selbst dann, wenn die Coronavirus-Impfverordnung aufgrund der Verletzung des Parlamentsvorbehalts nichtig sein sollte, könnten die Antragsteller aufgrund der sehr geringen Anzahl der Impfdosen noch keinen Anspruch auf sofortige Impfung ableiten.
Quelle: PM des VG Berlin vom 1.2.2021 zu den Beschlüssen vom 29.1.2021 – 14 L 13/21, 14 L 33/21


Ausblick

Die Rechtslage ist zurzeit noch nicht eindeutig. So gibt es gegenläufige Entscheidungen des VG Dresden und des VG Frankfurt am Main, die im Ergebnis meinen, dass schwerkranke Hochrisiko-Patienten im Einzelfall den Senioren, die durch § 2 CornaImpfV a.F. priorisiert werden, gleichzusetzen sein können. Dies ergebe sich daraus, dass § 1 Absatz 2 Satz 1 der CoronaImpfV als „Soll-Vorschrift“ nicht zwingend ist: 

VG Dresden und VG Frankfurt am Main: Corona-ImpfV erlaubt Ausnahmen bei Impfreihenfolge

Der Ansturm auf Corona-Impfungen ist riesig. Allerdings sind Personen mit eingeschränkten Lungenfunktionen, schwacher Atemmuskulatur oder Autoimmunerkrankungen nicht ausdrücklich in Priorisierungsstufe 1 der neuen CoronaImpfV aufgeführt. Hiervon betroffene Personen in Dresden und Frankfurt am Main empfanden dies als ungerecht. Sie zogen vor die Verwaltungsgerichte in ihren jeweiligen Städten – und erzielten wichtige Etappensiege. mehr …


Rechtsprechungsübersicht 05.04.2021
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Die Corona-Krise betrifft fast alle Lebensbereiche. Dementsprechend haben Gesetzgeber und Behörden reagiert und existenzielle Bürgerrechte  eingeschränkt. Dies blieb nicht unumstritten und führte zu zahlreichen Gerichtsverfahren, die oft in Eilverfahren entscheiden wurden. Eine Auswahl von Entscheidungen, über die wir berichtet haben, können Sie unserer laufend aktualisierten Zusammenstellung entnehmen. mehr …



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Berliner Kommentar zum Grundgesetz

Der Kommentar analysiert dogmatisch fundiert und kritisch reflektierend. Er arbeitet heraus, wie sich die einzelnen Bestimmungen auf das einfache Recht und die praktische Rechtsarbeit auswirken.

Bei den einzelnen Erläuterungen folgt das Werk einem einheitlichen Gliederungsraster und bietet dem Leser neben der Kommentierung folgende Themen:

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(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht