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Die Verwaltungsgerichte erlauben zunehmend Demonstrationen unter Auflagen und Einschränkungen (Foto: toxicoz / stock.adobe.com)
Corona und die Grundrechte

Rund um Ausgangsbeschränkungen und die Versammlungsfreiheit – Gerichtsentscheidungen im Überblick

ESV-Redaktion Recht
07.05.2020
Darf man in Zeiten der Corona-Pandemie überhaupt seine Wohnung verlassen oder demonstrieren? Wie steht es um die Ausgeh- oder Kontaktverbote? Die Gerichte haben in den letzten beiden Wochen mehrere Fälle zu diesen Themen entschieden. Ein Ausrufezeichen setzte der Saarländische Verfassungsgerichtshof, der die strengen Ausgangsbeschränkungen gelockert hat.

VerfGH Saarland: Familientreffen und Verweilen im Freien wieder möglich

Der Saarländische Verfassungsgerichtshof (VerfGH Saarland) hat die besonders strengen Ausgangsbeschränkungen des Saarlandes am 28.4.2020 per Eilbeschluss teilweise gekippt. 

Mit einer Verfassungsbeschwerde wendete sich ein Bürger gegen das im Saarland bis dahin geltende grundsätzliche Verbot, die eigene Wohnung zu verlassen. Er sah sich dadurch in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person verletzt. Laut § 2 der Rechtsverordnung der Landesregierung vom 17.4.2020 war das Verlassen der eigenen Wohnung nur bei Vorliegen eines „triftigen Grundes“ erlaubt. Dazu gehörte beispielsweise der Weg zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Arzt. Der triftige Grund war im Falle einer Kontrolle glaubhaft zu machen. Das Verweilen im öffentlichen Raum, das nicht dem Sport oder der Bewegung dient, war nach der Verordnung vom 17.4.2020 nicht erlaubt. Ebenso war der Besuch von Verwandten nur in wenigen Fällen möglich – etwa wenn diese auf Hilfe angewiesen sind.

Der Eilantrag des Saarländers hatte teilweise Erfolg betraf und im Wesentlichen die folgenden Punkte:

  • Zum Verlassen der Wohnung: So darf man nunmehr die Wohnung verlassen, um Verwandte gerader Linie (d.h. Eltern, Kinder, Großeltern und Enkel) sowie Geschwister und deren Kinder zu besuchen. Ein besonderer Grund muss hierfür nicht mehr vorliegen. Der Besuch des Lebenspartners war bereits vor der Entscheidung des Gerichts zulässig. Auch eine Zusammenkunft mit mehreren Verwandten und dem Lebenspartner ist im privaten Raum wieder erlaubt. Bei einem solchen Treffen ist außerdem das Mitbringen einer weiteren Person gestattet.
  • Aufenthalt im öffentlichen Raum: Zudem ist seit dem 28.4.2020 das Verweilen im öffentlichen Raum auch dann wieder möglich, wenn es nicht der Bewegung oder dem Sport dient. Voraussetzung für das Verweilen im Freien ist allein, dass das Gebot des Mindestabstandes und die Kontaktreduzierung eingehalten werden. Das Sitzen auf einer Parkbank ist daher grundsätzlich wieder erlaubt.
  • Keine Glaubhaftmachung mehr: Der Glaubhaftmachung eines triftigen Grundes bei einer Kontrolle durch Ordnungsbehörden bedarf es ebenfalls nicht mehr.
Der Verfassungsgerichtshof begründet seine Entscheidung damit, dass aufgrund des starken Grundrechtseingriffs regelmäßig überprüft werden muss, ob die Ausgangsbeschränkungen weiterhin verhältnismäßig sind. Für eine Fortdauer der Beschränkungen reichten reine Vermutungen ebenso wenig aus, wie die Feststellung, dass sich weiterhin Neuinfektionen ereignen. Aktuell gebe es keine ausreichenden Gründe für eine uneingeschränkte Fortdauer des grundsätzlichen Verbots des Verlassens der eigenen Wohnung. 

Am 2.5.2020 hat die Landesregierung im Übrigen eine Neufassung der Verordnung beschlossen. Danach ist seit dem 4.5.2020 auch der Besuch von Freunden wieder erlaubt, wenn diese aus maximal einem weiteren Haushalt kommen. Ebenso sind unter anderem Gottesdienste und Friseurbesuche unter bestimmten Voraussetzungen wieder zulässig. Auch Spielplätze, Zoologische Gärten und Tierparks sowie Museen dürfen unter Einhaltung der Hygieneregeln wieder öffnen. Mit weiteren Lockerungen durch die Landesgesetzgeber ist in etwa ab der 20. KW 2020 zu rechnen. 

Quellen:
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VG Gelsenkirchen: Versammlung mit 70 Teilnehmern unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen erlaubt

Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat am 28.4.2020 entschieden, dass eine Versammlung mit 70 Teilnehmern unter Einhaltung strenger Auflagen stattfinden darf.

Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen sind zwar auch in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich untersagt. Laut dem Gericht habe der Veranstalter jedoch einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung. Denn es wurde ein Infektionsschutzkonzept vorgelegt, welches den Schutz der Bevölkerung vor Infektionen durch die insofern getroffenen Maßnahmen sicherstelle. Das Gericht hat den Veranstaltern zudem weitere Maßnahmen auferlegt. So ist beispielsweise ein Sicherheitsabstand von 2 Metern einzuhalten und Ordner müssen den Zugang zum Platz kontrollieren. Personen mit typischen Corona-Symptomen dürfen nicht teilnehmen. Die Teilnehmer müssen außerdem Schutzmasken tragen und dürfen keine Flugblätter oder sonstiges Infomaterial verteilen.

Die Veranstalter hatten ursprünglich eine Erteilung für 100 Personen beantragt. Nach Überzeugung des Gerichts ist die Teilnehmeranzahl aber auf 70 Personen zu beschränken, um den Mindestabstand am geplanten Versammlungsort gewährleisten zu können.

Quelle: Beschluss des VG Gelsenkirchen vom 28.4.2020 – 20 L 514/20


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Der Autor Matthias Hettich ist als langjähriger Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ist er für Versammlungsrecht, Polizeirecht und Kommunalrecht zuständig. 


OVG Sachsen: Demonstration auch mit kleiner Teilnehmerzahl nicht zulässig, wenn Veranstalter nicht zuverlässig genug ist

Laut dem sächsischen Oberverwaltungsgericht (OVG) war die Stadt Chemnitz hingegen nicht verpflichtet, einem bestimmten Veranstalter eine Ausnahmegenehmigung vom derzeit geltenden Versammlungsverbot zu erteilen.

Die Veranstalter hatten zunächst eine Ausnahmegenehmigung für eine Versammlung mit 500 Personen beantragt. Das Verwaltungsgericht Chemnitz erlaubte eine Durchführung mit 15 Teilnehmern. Diese Entscheidung hob das sächsische OVG mittels Eilbeschluss auf und untersagte die Durchführung der Demonstration als Ganzes.

Das Gericht verweist zur Begründung auf eine Versammlung desselben Veranstalters, die am 20. April 2020 in Chemnitz stattfand. Für diesen Tag wurde eine Demonstration mit 15 Teilnehmern unter strengen Auflagen genehmigt. Der Veranstalter habe aber trotzdem zur uneingeschränkten Teilnahme an der Versammlung aufgerufen. Es seien daraufhin mehrere hundert Personen erschienen. Diese hätten sich zudem uneinsichtig gezeigt, als die Polizei Platzverweise erteilte. Die Durchführung der Demonstration sei im Hinblick auf den Infektionsschutz daher auch bei einer sehr kleinen (angemeldeten) Teilnehmerzahl nicht vertretbar gewesen.

Quelle:  PM des Sächsischen OVG zum Beschluss vom 24.4.2020 – 3 B 151/20

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Die geplante Demonstration sollte in Form von 15 Lastenrad-Teams, die mit jeweils 2 Personen aus dem gleichen Haushalt besetzt sind, erfolgen. Die Demonstrationswege sollten getrennt voneinander auf 15 unterschiedlichen Routen stattfinden. Die Stadt hatte eine Genehmigung hierfür wegen infektionsschutzrechtlicher Bedenken verweigert. Der gerichtliche Eilantrag dagegen war allerdings erfolgreich. Laut dem Gericht bestünden aufgrund der speziellen Form der Versammlung keine durchgreifenden Bedenken gegen eine Durchführung. Mit Blick auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit hätte daher eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden müssen.

Quelle: PM des VG Köln zum Beschluss vom 24.4.2020 – 7 L 752/20

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(ESV/sg/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht